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Unsere Generation ist ein Meister in der Disziplin Selbstoptimierung. Für ein tolleres „Ich” nehmen wir einiges in Kauf. Wir laden uns ausgeklügelte Fitness-Apps für die perfekte Strandfigur aufs Smartphone, wir verinnerlichen das Mantra vom lebenslangen Lernen für den Traumjob und errichten hippe Facebook- und Instagram-Profile, um die Welt von der eigenen Coolness zu überzeugen. Nichts wird dem Zufall überlassen. Man könnte auch sagen: Wir geben uns richtig Mühe. Aber was, wenn trotz mühsamer Daueroptimierung etwas nicht klappt? Dann fällt es schwer, sich selbst in Frage zu stellen oder gar die eigene Schwäche einzugestehen. Der Ausweg: Das System ist dafür verantwortlich.
Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Besonders raffiniert ist es, dem vermeintlichen Problem die Endung „-industrie” oder „-system” anzuhängen. Das suggeriert: Da sind dunkle, bedrohliche Mächte am Werk, gegen die ein Einzelner nichts ausrichten kann. Vielleicht ist es aber einfach sehr bequem, sich hinter den oben genannten Wortkonstrukten zu verstecken, um seine eigenen Schwächen und Laster zu vertuschen.
Wer zu dick war, der hat früher zu viel gegessen, und wer zu dünn war, der hat zu wenig gegessen. Das klingt eigentlich plausibel. Solche Erklärungen sind heute aber nicht mehr en vogue, weil sie die Schuld am Einzelnen festmachen. Den schwarzen Peter einer „Industrie” oder dem „System” zuzuschieben, ist da verlockender. Das passiert mir selbst auch ständig. Neulich bin ich im Badezimmer auf die Waage gestiegen und habe überrascht festgestellt, dass ich zwei Kilo zugenommen habe. Dafür ist sicher diese hinterhältige Gummibärchenindustrie verantwortlich.
Aber was, wenn der Fehler tatsächlich im System steckt. Ein Blick auf unsere Wirtschaftsordnung lässt Böses erahnen. Auch in Südtirol. Entlassungen bei Hoppe und Memc, Konkurs des Bauriesen ZH, möglicher Stellenabbau bei Würth – das sind die traurigen Schlagzeilen. So ist das in der freien Marktwirtschaft, heißt es dann. Die Krise kommt eben auch zu uns. Das klingt immer so wie: Der Winter mit seinen eisigen Temperaturen kommt zu uns. Der Wechsel der Jahreszeiten passiert auch unaufhaltsam und in garantierter Regelmäßigkeit wie das konjunkturelle Auf und Ab der Wirtschaft.
Momentan scheint es so, als wäre die Krise ein Schneesturm, der sich über unsere Köpfe zusammenbraut, und niemand kann etwas dagegen tun. Da möchte man der Welt am liebsten ein zünftiges „Fuck the system” entgegen schleudern.
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