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Nicht ohne Widerstand, selbst des Bürgermeisters, hat der Eppaner Gemeinderat im vergangenen November für ein gemeindeweites Bettelverbot gestimmt. Die neue Verordnung ist seit fünf Wochen in Kraft und hat bereits Bürgerproteste und allerhand konträre Reaktionen ausgelöst. Insbesondere die Bettler-Gewerkschaft ALMOSEN (Associazione Libera per Mendicanti Organizzati e SENzatetto) zeigte sich empört und kündigte eine Rechtsprüfung der Maßnahme an. „Wir werden nicht mit ansehen, wie hier freien Menschen verboten wird, ihrem ehrbaren Broterwerb nachzugehen. Ganz zu schweigen vom guten Ruf eines gesamten Berufsstandes, der dadurch einfach in den Dreck gezogen wird.“
In der Tat wirft der Fall zahlreiche Kontroversen auf. Was soll man unter Bettelei überhaupt alles verstehen, fragen sich manche Bürger. Aufdringliche Wahlwerbegeschenke gerade von jenen Parteien, die sich für das Bettelverbot ausgesprochen hatten, seien laut Kritiker nicht minder als elende Bettelei aufzufassen. „Was für ein Quatsch“, kontert darauf ein Mitglied des Gemeinderates, das sich für das Bettelverbot eingesetzt hatte, „da handelt es sich um ein simples Tauschgeschäft. Zum Beispiel ein schicker SVP-Radiergummi gegen eine Wählerstimme. Und wenn der Bürger dumm genug ist, das Geschäft einzugehen, dann fällt das höchstens noch unter Korruption.“
Angesichts solcher Debatten vergisst man schnell die gute Absicht, die ursprünglich hinter dem Bettelverbot stand. Man wollte schließlich einfach nur unangenehme Realitäten beheben, indem man sie unsichtbar macht. „So hat es mir meine Mutter bereits beigebracht“, erläutert ein weiteres Mitglied des Eppaner Gemeinderates, „Wenn die Wohnung staubig ist, dann kehrt man den Dreck einfach unter den Teppich. Problem gelöst!“
Die Initiative, die sich im Gegensatz zum Bozner Bettelverbot nicht nur gegen aufdringliches Betteln, sondern gegen jegliches Bitten um Almosen wendet, ist übrigens recht einzigartig. Präzedenzfälle gibt es jedenfalls keine oder sehr wenige (unklar ist, ob das auf die Genialität des Einfalls oder auf den damit verbundenen Verstoß gegen die Menschenrechte zurückzuführen ist). Trotz seiner Vorreiterrolle will der Eppaner Gemeinderat die Lorbeeren nicht nur für sich allein beanspruchen. In beachtlicher Bescheidenheit gab man zu, man habe sich von Bertolt Brecht zur Idee inspirieren lassen. Der habe bereits 1928 in seiner Dreigroschenoper erkannt, dass Armut nur ein Problem der Sichtbarkeit ist:
„Denn die einen sind im Dunkeln
und die andern sind im Licht
und man siehet die im Lichte
die im Dunkeln sieht man nicht.“
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