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Sehr geehrter Herr Chefredakteur Mayr, lieber Wolfi,
sehr geschätzte Frau Programmdirektorin, werte Renate Gamper,
natürlich freue ich mich, dass „mein“ Sender nun mit neuem Namen und verbessertem Sound- und Jingle-Konzept aufwartet, vor allem aber seine Programmqualität und Sendezeit ausweitet. Da RAI-Südtirol seit Jahren mein ständiger Wegbegleiter ist, bin ich mit zahlreichen Hörerinnen und Hörern dankbar über den Qualitäts- und Motivationssprung, erarbeitet gegen den lähmenden Bürokratiewust der Zentrale und gewiss manch anderen Widerstand.
Der beste runderneuerte Jingleumgebung hilft freilich nichts gegen die „Qualität“ der Musikuntermalung, die von morgens bis abends die Wortbeiträge des vormaligen Boazners zumeist umspült. Als in den sechziger- und siebziger Jahren aufgewachsener Jungsenior müsste ich mich eigentlich freuen über die unablässig plätschernde Oldie-Serie, aber Fakt ist: Ich halte die Fossilien-Parade nicht mehr aus und bin wohl nicht der Einzige!
Der musikalische Jurassic-Park von Louis Armstrongs „What a wonderful world“ über „Love is all around me“ der verblichenen Tremeloes, dann wieder vom emsig gackernden „If I had a hammer“ bis hin zum unvermeidlichen „Pretty Woman“ ist schier unüberschaubar. Ich sorge mich stets davor, dass nun bald wieder „La Bamba“ ihren Auftritt hat, Simon & Furunkel vor sich hin schmachten und die Herman’s Hermits uns die Milch verweigern.
Im Ernst: Ein Sender, der sich sonst mit allem anerkennenswerten Einsatz um Runderneuerung bemüht, begibt sich mit solcherlei musikalischen Altkonserven auf ein Niveau, als ließen Köche wie Norbert Niederkofler oder Karl Baumgartner ihre Degustationsmenus auf IKEA-Möbeln und Plastik-Tischtüchern servieren, garniert mit den Semmeln der vergangenen Woche. Das Hörerlebnis ist annähernd mit der Situation vergleichbar, als hätten uns in den Siebzigern im Radio ständig „Schwarz Braun ist die Haselnuss“, „Lili Marleen“ und der Hohenfriedberger Marsch die Ohren zugetrötet.
Ein Sender, der aktuell sein will, sollte doch auch darum bemüht sein, sein Standard-Musikprogramm rund um Nachrichten und Programm zumindest ein wenig zu updaten: Gewiss verlangen wir nicht das Neueste von Tocotronic, Arcade Fire, Julia Holter oder den Goldenen Zitronen, was den meisten Hörern schwer zuzumuten wäre, aber eine sorgfältige Auswahl jüngerer Titel, die neueren englischen Mainstream (warum nicht ein wenig Prefab Sprout, Jake Bugg oder Thea Gilmore), deutschen Zeitgeist, leichte Klassik und ausgewählte Regionalia etwa des trefflichen Pixner, Titlà oder der Neubiberger Hofmusik abmischten, wäre nicht zuviel verlangt. So gut die sonstigen Musik-Sendungen im klassischen Fach etwa mit der gestrengen Yvonne Miracolo oder im Bereich Blasmusik ausfallen, auch in Giovanett/Leitners „Freier Fall“ den Jugendlichen bemüht dialektal entgegen kommen, so schleißig und verstaubt ist der zwischen Nachrichten und Programm eingewebte Soundteppich.
Ich bitte also inständig darum, diese Supplik dem Musikredakteur zu vermitteln, vielleicht auch einen neuen zu engagieren und gemach, aber doch in absehbarer Zeit, die musikalische Mumienschau zu Grabe zu legen. Um eine jüngst laufende RAI-Rumpelkammer-Delikatesse zu zitieren: „Dimmi, quando, quando, quando?“
Mit bestem Dank für Ihr Verständnis, Ihre grundlegende Arbeit und guten Wünschen für einen perfekten Start von RAI-Südtirol.
Herzliche Grüße
Hans Heiss
Offener Brief, veröffentlicht am 14. Februar 2014 im Headliner der Südtiroler Tageszeitung
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