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Mehr Augenringe, mehr Schlaf, mehr Hunger, mehr Busen, mehr Waden, mehr Cellulite, mehr Bauch. Und plötzlich ist sogar noch meine Taille weg. Während der letzten Wochen hat sich mein Körper ganz schön verändert. Was von außen für viele noch gar nicht so eindeutig sichtbar ist, spürt man als Bewohner der eigenen vier Fleisch-Wände umso mehr. Immerhin teilt man sich das gemütliche Seelenhaus jetzt ja mit jemand anderem. Das bedeutet Blut für zwei, Sauerstoff für zwei, Organe für zwei, aber vor allem Platz für zwei. Obwohl ich mittlerweile in keine einzige Klamotte aus meinem Kleiderschrank wirklich gemütlich hineinpasse und mir bereits zum dritten Mal einen neuen BH zulegen musste, mag ich meine neugewonnen Rundungen sehr. Irgendwie erlebt man seine eigene Weiblichkeit in so einem Körper – wortwörtlich – noch einmal in ganz anderen Dimensionen.
„Hallo, ich bin schwanger und nicht fett!“
Doch bei all der Freude über den runden Bauch und die großen Brüste huscht sich ab und zu doch auch der eine oder andere Zweifler zwischen die Gedanken. Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich mich unter all dem kneifenden Stoff nun doch auch manchmal frage, wo wohl die Grenze zwischen runder Sexbombe und gestrandetem Wal verschwimmt. Vor allem dann, wenn ich, wie in einem Bozner Parkhaus, zwei Mal umparken muss, um mich mit harter Mühe doch noch irgendwie zwischen Autotür und Betonpfeiler in die Freiheit zu quetschen. Ja, dann würde ich mir am liebsten eine von den runden Klimperketten um den Hals schnallen, die mit Engelstönen gefüllt bis zum Bauchnabel reichen und nicht nur das Baby beruhigen, sondern der ganzen Welt gleichzeitig eine klare Message vermitteln sollen: „Hallo, ich bin schwanger und nicht fett!“
Aber ich stehe nicht so auf lästigen Schmuck und sehe solche Momente dann eben eher als eine Art Selbsterfahrungstest. Deshalb ziehe ich hier auch ganz offiziell den Hut vor all den übergewichtigen Personen, die tagtäglich ihren Alltag mit so vielen Kilos mehr auf den Rippen stemmen. Nicht nur parken, sondern auch Schuhe binden, Treppen steigen und sogar essen kann mit solchen Körpermaßen nämlich schnell zur Höchstleistung werden. Und dabei will ich mir gar nicht vorstellen, wie das erst in der 40. Woche aussehen soll!
Doch Herzmensch ist gnädig und füllt mich nur häppchenweise von innen aus. Immer dann, wenn mein Bauch juckt, der Bauchnabel spannt und es in der Leistengegend zieht, mach ich mir zwar erstmal kurz Sorgen, um mich dann aber ganz schnell wieder an die übliche Prozedur zu besinnen: Das Baby wächst. Mit hundert Gramm in der Woche, die es sich direkt aus der Nabelschnur auf den Laib saugt, kann ich mich schön langsam immer wieder an meine neuen Maße gewöhnen. Mittlerweile ist es durch diese Technik bereits bis zur Größe eines urigen Telefonhörers herangewachsen.
Für mich bleibt es, trotz der neuen Körpermaße und eindeutig gehörten Herztönen, nach wie vor unvorstellbar, dass da ein Lebewesen in und mit mir wächst. Schließlich habe ich das Baby bis zu diesem Zeitpunkt mit viel Konzentration und Aufmerksamkeit nur als leichtes Grummeln in mir wahrgenommen. Und das auch nur in den wagen Momenten zwischen den 18 Stunden Schlaf, die der kleine Baby-Koala – schon ganz wie die Mama – pro Tag so in mir abdöst.
Zumindest war das bis jetzt so. Denn als ich das letzte Mal am Ende meiner Yogastunde im Schneidersitz mit den Händen auf meinem Bauch vor mich hin meditiert habe, konnte ich es selbst nicht glauben. Da hat jemand tatsächlich mit voller Wucht gegen meine Handfläche gekickt und mir das erste Mal aus eigener Kraft gezeigt, dass er wirklich da ist. Das breite Grinsen auf meinem Gesicht hat sich daraufhin ganz unbewusst eingestellt und ich habe etwas geschockt und mit leicht schüttelndem Kopf nur noch eine kurze, geflüsterte Begrüßung hervorgebracht: Hallo Herzmensch!
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