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Veröffentlicht
am 16.01.2025
MeinungWas junge Menschen in Südtirol über die Welt im Jahr 2050 denken

Die Frauen-Gesellschaft des Jahres 2050

Veröffentlicht
am 16.01.2025
Wie sieht die Welt im Jahr 2050 aus? Miriam Campese wagt einen optimistischen Blick in die Zukunft. Sie skizziert eine Gesellschaft, die von Technologie, Hypervernetzung und Gleichberechtigung geprägt ist – doch die Herausforderungen des Wandels bleiben. Eine Vision zwischen Fortschritt und Fragestellungen.
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Im Jahr 2050 werde ich über 50 Jahre alt sein. Dann werde ich mich in der sogenannten „dritten Lebensphase“ befinden. Ich schaue auf die Gesellschaft, die mich dann umgibt, mit Optimismus, vielleicht sogar ein wenig mit utopischem Geist.

Die heutigen „Jungen unter 30“ sind, wie ich, eine Generation, die im Gegensatz zu vorherigen Generationen mehr im Bewusstsein hat, dass die heutige Entwicklung sowohl Vorteile wie Schäden erzeugt, die die zukünftigen Generationen betreffen werden. Wir sind mit der digitalen Evolution aufgewachsen und eine Übergangsgeneration zwischen „analog“ und „virtuell“. Wir haben den Übergang von einem Lebensstil zum anderen persönlich miterlebt – und sind dabei selber von analog zu virtuell übergegangen.

Ich muss nur daran denken, dass es in meiner Kindheit die ersten Handys in Schwarz-Weiß gab, die sehr teuer waren. Heute ist es üblich, dass jeder, auch Kinder, Handys je nach persönlichem und beruflichem Bedarf besitzen. Dank der daraus hervorgehenden Verbindung können wir arbeiten, lernen und im Kontakt bleiben. Diese Realität umfassender Konnektivität wird in den kommenden Jahren eher zunehmen.

Wir werden mit unserem Arzt in 3D direkt auf unseren privaten Telefonen reden und individualisierte Fernuntersuchungen auch mit Ärzten von der anderen Seite der Welt durchführen.

Im Jahr 2050 wird dann wohl die gesamte Weltbevölkerung hypervernetzt sein, da ein Handy für jeden Menschen ein Grundbedürfnis ist. Es wird daher selbstverständlich sein, dass wir – dann „älteren“ – Menschen wissen, wie man einen Arzttermin online bucht, Fahrkarten für Verkehrsmittel kauft und alles selbstständig erledigt, was die Millennial-Generation heute für sich selbst und für ihre Eltern und Großeltern tut. Wahrscheinlich werden Arztbesuche von zu Hause aus durchgeführt, um Menschenansammlungen in den Praxen zu vermeiden. Wir werden mit unserem Arzt in 3D direkt auf unseren privaten Telefonen reden und individualisierte Fernuntersuchungen auch mit Ärzten von der anderen Seite der Welt durchführen.

Das Metaversum (einschliesslich der augmentierten Realität) wird sich exponentiell weiterentwickeln – und dazu auch die Robotik integrieren.

Das Bevölkerungsbildungsniveau wird – auch wegen der neuen Technologien – höher und verbreiterter. Dank der kontinuierlichen Entwicklung von Wissenschaft und Medizin wird sich unsere Lebenserwartung ausdehnen. Unser Berufsleben wird ebenfalls länger: dank neuer Lebensstile, die es uns ermöglichen, im Homeoffice oder in Co-Working-Spaces zu arbeiten, Sport zu treiben und gleichzeitig zu reisen, ohne ständig auf die Rente warten oder Urlaub nehmen zu müssen. Unsere Work-Life-Balance wird also anders aussehen. Es wird echte Smart-Working-Dörfer geben: die Internetverbindung wird kein Luxus mehr sein, sondern ein Grundbedürfnis in allen Staaten, auch in denen, die heute als Globaler Süden gelten. Einige heute rückständigere Staaten werden vermutlich in den kommenden Jahren in diese virtuelle Welt katapultiert, ohne den analogischen Weg durchzulaufen. In unseren privaten Häusern wird es normal sein, PCs statt Fernseher zu haben; Arbeitsräume, um von zu Hause aus alleine oder mit Kollegen zu arbeiten; Räume um Sport zu betreiben; und es wird beim Wohnen insgesamt darum gehen, die Balance zwischen körperlicher und geistiger Gesundheit zu erleben.

Wir können daher annehmen, dass in unserer zukünftigen Gesellschaft viel mehr Frauen Führungspositionen einnehmen werden und das Thema „Gender-Gap“ kein vergleichbar großes Thema mehr sein wird, für das man immer neu „kämpfen“ muss.

Eine wichtige Frage wird jedoch bis heute in vielen Zukunftsszenarien noch immer oft ausgeblendet: Welche Rolle wird die Frau in der Gesellschaft des Jahres 2050 spielen?

Die soziale Mobilität, verstanden als Möglichkeit des persönlichen und beruflichen Wachstums, wird zwischen Männern und Frauen gleichgestellt sein. Heutige Daten zeigen bereits, dass im Vergleich zu Männern mehr jungen Mädchen akademische Wege beschreiten. Wir können daher annehmen, dass in unserer zukünftigen Gesellschaft viel mehr Frauen Führungspositionen einnehmen werden und das Thema „Gender-Gap“ kein vergleichbar großes Thema mehr sein wird, für das man immer neu „kämpfen“ muss.

Die Globalisierung und die Hypervernetzung werden gerade in ihrer Verbindung zu einer globalen Kultur eine immer wichtigere Rolle spielen. Ich frage mich daher, welche Rolle die sozialen Medien bei der Sensibilisierung für internationale Themen einnehmen werden, welche verschiedene Kulturen und Religionen transversal betreffen. Die Vorstellung, dass soziale Medien nur zum Vergnügen benutzt werden, wird 2050 weit entfernt sein. Stattdessen werden sie zunehmend die Rolle von Medienquellen und Sensibilisierungsplattformen übernehmen.

Viele von uns, sowohl Männer als auch Frauen, werden einen Großteil der Welt autonom bereist und besucht haben. Wir werden Freund:innen und Kolleg:innen aus praktisch jedem Staat haben. Viele von uns werden Arbeitsstellen in bestimmten Staaten besetzen, aber doch in anderen leben. Die Traditionen, die heute von Großeltern aufrechterhalten werden, werden verloren gehen. Die heutigen jungen Menschen, „die Großeltern von morgen“, sind nämlich weniger geneigt, familiäre, dörfliche und nationale Traditionen am Leben zu erhalten. Beispielweise denke ich an die Küche: Wie viele Mädchen kochen, sticken und kümmern sich um das Haus wie die heutigen Großmütter in unserem Alter? Stattdessen wird es sportliche und berufstätige Großmütter geben, die mehr Wert auf die Unabhängigkeit und die körperliche Gesundheit der Frau legen.

Städte werden im Jahr 2050 „female-gendered“ geworden sein.

Mega Sport- und Musikevents werden eine wichtige Rolle bei der Schaffung einer neuen multikulturellen und geschlechtergerechten Gesellschaft spielen. Bekannte Marken und weltweite Sponsoren werden die Rolle als „Antreiber“ oder „Beschleuniger“ des Friedens, der Gleichstellung, des Dialogs und des friedlichen Zusammenlebens übernehmen, insbesondere zwischen den sozialen Schichten, und dabei weiterhin die sozialen Medien als Hauptkommunikationsquelle nutzen.

All dies zusammen wird auch zu einer Umgestaltung des Erscheinungsbildes unserer Städte führen. Städte werden im Jahr 2050 „female-gendered“ geworden sein: Das bedeutet, dass Verkehrsmittel, öffentliche Gärten und allgemeine Dienstleistungen „frauenzentriert” sein werden. Die Mädchen von morgen werden das Glück haben, öffentliche Räume wie Tanzflächen, Turnhallen, Volleyballplätze, Eislaufbahnen und die üblichen Fußball- und Basketballfelder sowie Skateboard-Bahnen, die normalerweise mit einer „männerzentrierten” Gesellschaft verbunden sind, zu nutzen. Die Idee, dass Frauen jede Sportart ausüben, Mutter werden und Karriere machen können, ohne dass das eine das andere ausschließt, wird in der zukünftigen Gesellschaft selbstverständlich verankert sein.

Schliesslich wird sich auch Europa verändern – und nach innen stärker durchmischt haben. Viele Menschen aus Osteuropa sind in den frühen 2000er Jahren nach Westeuropa ausgezogen und haben die heutige Multikulturalität mit geschaffen. Im Jahr 2050 werden viele Frauen in ganz Europa ihren Töchtern den Wert der wirtschaftlichen Unabhängigkeit, der aus Westeuropa importiert wurde, vermittelt haben. Wie bei den Italiener:innen zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird es wahrscheinlich auch teilweise eine Rückkehrmigration in die Heimat geben. Welche sozialen Bewegungen wird diese Rückkehr von Talenten und Know-how in verschiedenen Ländern mit sich bringen? Im Jahr 2050 wird ein neues europäisches Gleichgewicht mit weniger Ungleichheiten zwischen West und Ost geschaffen worden sein.

Die Geschichte lehrt uns, dass große Veränderungen nach einer Phase des Unbehagens und der Zerstörung der bestehenden Realität eintreten.

Auch eine weitere Weltgegend wird wichtiger geworden sein. Die Rolle, die der Nahe Osten in diesen Jahren spielen wird, wird von entscheidender Bedeutung sein. Die dortigen Staaten sind heute eine Quelle großer Geldsummen und gigantischer Werke und Veranstaltungen für die lokale und internationale Mittel- und Oberschicht. Ein Kontinent mit heftigen Debatten, wo – wie in manchen Ländern Arabiens – auf der einen Seite ungebremster Reichtum herrscht, auf der anderen Seite – oft in eben denselben Ländern – der Mangel an Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und beruflichem Wachstum für Frauen besteht.

Was mich an meiner Vision für 2050 beunruhigt, ist, dass es bis dahin große soziale Veränderungen geben wird, um die virtuelle und geschlechtergerechte Gesellschaft der Jahrhundertmitte zu erreichen. Und ich frage mich, ob dies nicht in einem Krieg enden wird.

Die Geschichte lehrt uns, dass große Veränderungen nach einer Phase des Unbehagens und der Zerstörung der bestehenden Realität eintreten. Was wird also in Europa geschehen? Oder in den Ländern des Nahen Ostens und Lateinamerikas, die sich Schritt für Schritt gegen die alten Systeme des 20. Jahrhunderts auflehnen? Die sozialen Medien werden als Kommunikationsquelle in diesen Jahren eine sehr wichtige Rolle bei der Sensibilisierung für die Entwicklung der Gesellschaft spielen, damit diese geschlechtergerechter und inklusiver für schwächere Menschen sein kann – und dabei vielleicht sogar Kriege verhindern.

Text: Miriam Campese, Bozen, 1995

Dieser Beitrag stammt aus der Serie „Was junge Menschen in Südtirol über die Welt im Jahr 2050 denken“, herausgegeben von Roland Benedikter (Eurac Research).

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