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Kathrin Runggatscher
Veröffentlicht
am 18.02.2025
LebenScience Shorts

Die Evolution der Evolution

Veröffentlicht
am 18.02.2025
Das Credo „Die einzige Konstante ist Veränderung“ gilt nicht nur für das Leben, sondern auch für die Wissenschaft. In keiner Disziplin ist dieser Grundsatz so präsent wie in der Evolutionsbiologie. In dieser Folge beschäftigt sich „Science Shorts“ mit dem Comeback einer Theorie und der Frage, wie wir uns an unsere Umgebung anpassen und welchen Einfluss unsere Umwelt hat. 
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Darwin’s_finches_by_Gould
Darwin-oder Galapagos Finken. Ihre Schnäbel unterscheiden sich je nach bevorzugter Nahrung. Finken, die sich von Insekten ernähren, haben kleine, dünne Schnäbel; Finken, die sich von …

Es waren die Finken, oder genauer gesagt, deren Schnäbel, die den Anstoß für eine der größten wissenschaftlichen Revolutionen der Moderne gaben. Auf den Galapagos-Inseln, einem der entlegensten und schönsten Flecken der Erde, beobachtete der junge Naturforscher und Theologe Charles Darwin im Jahre 1835 die einzigartige und vielfältige Tierwelt der verschiedenen Inseln. Dabei fiel ihm auf, dass die Schnäbel von Finken, die sich hauptsächlich von Insekten ernährten, ganz anders aussahen als die Schnäbel von den Finken eine Insel weiter, die als Nahrung Nüsse bevorzugten. Die Schnäbel schienen perfekt auf ihre jeweilige Nahrung zugeschnitten. 

Eine geniale Theoriee
Nach der Rückkehr in seine Heimat England – und nach 25 Jahren intensiven Studien – veröffentlichte Darwin „Die Entstehung der Arten“ und begründete damit die moderne Evolutionsbiologie. Der Kern der Darwinschen Evolutionstheorie ist die natürliche Selektion. Arten, die durch zufällige Veränderungen (Mutationen) besser an ihre Umwelt angepasst sind, müssen weniger Energie auf Überleben verwenden und haben deshalb mehr Nachkommen. Ein Fink mit einem stärkeren Schnabel kann mehr Nüsse knacken, wenn diese in seiner Umgebung reichlich vorhanden sind. Er hat mehr Energie und kann sich erfolgreicher um seinen Nachwuchs kümmern, der ebenfalls stärkere Schnäbel hat, und so weiter. Über viele Generationen und einen langen Zeitraum häufen sich die Veränderungen. Die Arten entfernen sich immer weiter voneinander und spezialisieren sich auf ihre Nischen. Eine ebenso einfache wie geniale Theorie. Herbert Spencer, ein Kollege Darwins, brachte den Vorgang auf den Punkt mit den Ausdruck „Survival of the fittest“, also„Das Überleben der am besten Angepassten“. 

Der oft benutze und oft bewusst falsch übersetzte Ausdruck „Das Überleben des Stärkeren“ ist also irreführend.

Der oft benutze und oft bewusst falsch übersetzte Ausdruck „Das Überleben des Stärkeren“ ist also irreführend. In unserer vielfältigen Welt ist Stärke nicht automatisch gleichbedeutend mit Erfolg. Gute Anpassung an die Umwelt funktioniert in vielen Fällen am Besten durch Kooperation, etwa bei Pilzen und Bäumen. Wer die Evolutionstheorie missbraucht, um rücksichtsloses, imperialistisches oder rassistisches Verhalten zu rechtfertigen, was unter das Stichwort Sozialdarwinismus fällt, hat sie schlichtweg nicht verstanden oder will sie nicht verstehen.

Theorie und Beweis
Etwa 100 Jahre nach Darwin konnte durch die Entdeckung, dass der Bauplan unseres Körpers in der DNA gespeichert ist, eine genaue Erklärung gefunden werden, wie sich Arten verändern. Durch zufällige Mutationen in unserem Erbgut sind wir alle ein bisschen anders als unsere Eltern. Statistisch gesehen, hat jeder Mensch 60-100 dieser kleinen Abweichungen, was zwar bei 3,6 Milliarden Bausteinen unserer DNA nicht viel erscheint, aber wenn man diese Veränderungen über viele Generationen hinweg betrachtet, können sie zu neuen Eigenschaften führen. Die meisten Mutationen haben keinen spürbaren Effekt, einige können schädlich sein, während wenige vorteilhaft sind und die Anpassung an die Umwelt verbessern.

Aber die Theorie, dass sich unsere Eigenschaften durch Umwelteinflüsse aktiv verändern, feierte in den letzten Jahren ein überraschendes Comeback, quasi durch die Hintertür.

Zufall oder Umwelt?
Darwin war nicht der einzige, der erkannte, dass sich Arten im Laufe der Zeit zu verändern scheinen. Jean Baptiste Lamarck war im Jahr von Darwins Geburt der Erste, der postulierte, dass sich Arten aus anderen Arten entwickeln. Aber Lamarcks Theorie unterscheidet sich in einem wichtigen Detail von Darwins, nämlich in der Art, wie die Anpassung passiert. Während Darwin davon ausging, dass zufällige Veränderungen vererbt werden und die natürliche Selektion entscheidet, welche sich durchsetzen, glaubte Lamarck, dass Lebewesen ihre Eigenschaften durch Gebrauch oder Nichtgebrauch verändern und diese erworbenen Merkmale an ihre Nachkommen weitergeben. Die Finken würden also einen stärkeren Schnabel entwickeln, weil sie ihn oft zum Nüsse knacken verwenden und er so im Laufe der Generationen immer größer wird. 

Das Comeback einer Theorie
Weil die Beweise für eine adaptive Veränderung fehlen, wurde Lamarcks Theorie zugunsten der natürlichen Selektion von Darwin verworfen. Bis heute ist die natürliche Selektion das wichtigste Instrument, um Veränderungen in der Natur zu erklären. Aber die Theorie, dass sich unsere Eigenschaften durch Umwelteinflüsse aktiv verändern, feierte in den letzten Jahren ein überraschendes Comeback, quasi durch die Hintertür. Das hat mit der besseren Erforschung der Gene zu tun. 

Wenn eine Mutter etwa in ihrem Leben Hunger leidet,

Unser Genom, auf dem das Erbgut gespeichert ist, ist riesig und deswegen im Zellkern sehr kompakt verpackt. Welche Informationen für die Zelle zum Ablesen „freiliegen, ist je nach Zelltyp verschieden und wird durch sogenannte „epigenetische Veränderungen gesteuert. Das sind kleine chemische Modifizierungen auf dem Erbgut selbst, die wie ein Schalter funktionieren und das Gen ein- oder ausschalten können. Diese Modifizierungen können durch Umweltbedingungen, wie etwa Ernährung, Krankheiten usw. beeinflusst werden, aber das Wichtige ist, dass sie auch an die nächsten Generationen weitergegeben werden können. Die Epigenetik ist also eine Art Schnellanpassung an veränderte Umweltbedingungen, die – wie die Eigenschaften in den Genen – vererbt werden kann. Wenn eine Mutter etwa in ihrem Leben Hunger leidet, verändert das das metabolische Profil ihrer Nachkommen, die dann besser mit kargen Lebensbedingungen zurechtkommen können. Wenn die Nachkommen keinen Hunger mehr leiden, kann der Schalter wieder umgelegt werden. Wie und wann genau solche Veränderungen ausgelöst werden, ist noch nicht ganz klar und wird intensiv erforscht. 

Offen für Neues (und Altes) 
Die Veränderungen, die durch epigenetische Vorgänge passieren, sind in der Regel nicht gravierend. Es können keine neuen Eigenschaften entstehen – sondern nur solche ein- oder geschaltet werden, die ohnehin schon da sind. Darwins Erklärung hat also nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Aber Lamarck hatte doch ein bisschen Recht und die Umwelt hat einen – wenn auch kleinen – Einfluss auf unsere Entwicklung. Man sollte also nie eine Theorie ganz verwerfen und immer offen sein für neue Informationen.

Deep Dive: 

  • Im Buch Evolution Evolving machen sich theoretische Evolutionsbiolog:innen Gedanken über den faszinierenden Prozess der Evolution und argumentieren, dass auch dieser selbst sich ständig weiterentwickelt.
  • In einer meiner absoluten Lieblingspodcastfolgen reist RadioLab nach Galapagos und sieht sich an, wie Evolution in Echtzeit funktioniert. Es kommen außerdem Judas-Ziegen vor.
  • Das Buch „Survival of the Beautiful erkundet die Rolle von Schönheit, Ästhetik und Kunst in der Evolution und räumt mit dem Vorurteil auf, dass in der Natur immer der Stärkste oder der Brutalste gewinnt.

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