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Bettina Conci
Veröffentlicht
am 03.02.2016
MeinungPuffgeflüster

Die böse Überraschung

Veröffentlicht
am 03.02.2016
„Was wird jetzt bloß aus uns?" Die Puffdamen bekommen ungebetenen Besuch und eine personelle Umstrukturierung lässt keine rosige berufliche Zukunft erwarten.
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Es ist sieben Uhr morgens, Schlafenszeit in einem Gewerbe, in dem das Geschäft bis spät in die Nacht hinein brummt. In den Gemächern der Goethestraße 38 ist Ruhe eingekehrt, nur im Südzimmer im dritten Stock herrscht noch Bewegung.

Jorge (liegt entspannt im Bett und zündet sich genüsslich eine Zigarette an): Was ist los mit dir, Hasl? Hab ich dich so nervös gemacht heute? (kichert und kneift Maria in den Hintern)

Maria (wickelt ihren Morgenmantel enger um sich, während sie unruhig vor dem Bett auf und ab geht): Sei nicht albern, Schorsch. (beschwichtigend) Natürlich ist es immer aufregend mit dir, Schatz. Ich bin nur gerade etwas … durch den Wind. Das Geschäft, du weißt schon.

Jorge (genervt): Du immer mit deinem Geschäft. Zerbrich dir doch nicht den Kopf. Der René wird sich ja wohl auch noch um etwas kümmern, nicht?

Maria (lacht bitter auf): Der René woll, der René! Der lässt mich ganz schön hängen, du. Ich bin mit dem Gehalt im Verzug, wie dir vielleicht schon aufgefallen ist, und langsam macht sich auch bei den Damen Unmut breit. Glaubst du, ich merk das nicht? Sie haben ja nicht mal unrecht. Nur weiß ich nicht, wie ich ihnen erklären soll, dass wir einen … Engpass haben gerade. Ich weiß ja selbst nicht, wieso der René auf einmal den Geldhahn zugedreht hat.

Jorge (nachdenklich): Hm, mir ist noch gar nichts aufgefallen.

Maria (tätschelt seine Wange): Natürlich nicht, du kriegst ja auch Voucher, mein Süßer. Bis das Geld bei dir ankommt, ist eh schon wieder Weihnachten. Was mich wundert, ist, dass die Cinzia noch nicht angefangen hat zu raunzen. Da ist doch was im Busch … (kratzt sich am Kopf) Egal. Komm schon, raus aus den Federn. Es gibt viel zu tun. Wir haben gleich Großputz, und am Nachmittag kommt der Bürgermeister von Welsberg mit seiner Truppe. Die Hälfte der Gemeindeangestellten, die beim letzten Ausflug nicht dabei war, möchte die Bozner Altstadt besichtigen.

Jorge (drückt umständlich seine Zigarette aus): Na siehst du, dann kommt ja wieder was in die Kasse! (murmelt in seinen Bart) Und lieber die Amtsschimmel von der Gemeinde als die Esel vom Regionalrat. Hab keine Lust, wieder die Polizei zu holen, um den letzten rauszuschmeißen.

Maria zieht sich hastig was über und rauscht zur Tür hinaus. Jorge macht sich seufzend daran, seinen Tanga zu suchen, zieht sich wieder an und folgt ihr nach einiger Zeit unauffällig nach unten. Wie er an der Küchentür vorbeikommt, hört er die Stimmen der Angestellten, die es anscheinend nicht eilig haben damit, in die Gänge zu kommen.

Melanie: Drei!

Ilona (verwirrt): Wieso?

Melanie: Wie wieso, hebn oder giahn!

Ilona (zu Elsa): Was soll ich machen?

Elsa (stöhnt auf): Zum letzten Mal, Ilona. Bluffen und blöd reden sind grundlegende Spielelemente beim Blindwatten. Ach, mit dir macht es einfach keine Hetz. (zu den anderen) Warum muss immer ich mit der dummen Trutsche spielen?

Ilona: He!

Melanie (säuerlich): Kannst auch tauschen und mit ihr da spielen, neh?(nickt Cinzia spöttisch zu, die ihr daraufhin die Zunge herausstreckt)

Maria (klatscht in die Hände): Meine Damen! Was ist denn hier los? Warum seid ihr noch nicht fertig angezogen? Wir müssen doch heute a bissl herrichten die Bude, kein Wunder dass die Besucherzahlen nachlassen.

Melanie (kneift die Augen zusammen): Vielleicht lassen die nach, weil wir uns keine Mühe mehr geben …

Ilona: … seit wir auf unser Gehalt warten.

Maria (der die Situation sichtlich unangenehm ist): Aber ich bitte euch, das ist doch kein Problem, ich werde mit dem René reden, sobald sich eine Gelegenheit ergibt. Mir sind da auch die Hände gebunden. Also habts a bissl a Verständnis, bitte.

Elsa (spöttisch): Verständnis, pfff. Davon können wir auch keine Miete zahlen.

Schnaufend stapfe ich die steilen Treppen des Pink Flamingo hinauf, beladen mit Schachteln voller Macarons, Sextoys in Eiffelturmform, Sephora-Tüten und Dosen mit Gänseleberpastete, sorgsam vor Melanie versteckt unter einem Stapel Baguettes (ja, ich weiß, das ist vielleicht etwas übertrieben, aber Elsa mag die so gern – obwohl sie die Franzosen ja sonst überhaupt nicht mag). Ich gehe dem Gekeife und Gemurmel nach und betrete die Küche.

Ich: Ich bin wieder da-haaa!

Maria: Gott sei Dank! Ich hab mir schon Sorgen gemacht!

Ich (verblüfft): Ah geh, Maria, Paris war noch nie sicherer.

Maria: Das sagst du so einfach! Und der Attentäter auf der Polizeistation?

Ich (lachend): Das war doch kein richtiger Attentäter. Das war doch bloß so ein Spinner wie der Melch, der mit einer Attrappe rumgerannt ist, ausgerechnet am Jahrtag von Charlie Hebdo. Nur dass er Pech hatte und erschossen worden ist.

Melanie (kichernd): Wie Bill Murray in diesem … diesem Zombiefilm.

Ilona (zischt): Diese fanatischen Syrer.

Melanie: Halt die Luft an, das war ein Marokkaner.

Ich: Kein Tunesier? Na ja, ist ja egal!

Alle (im Chor): Geschenke!!!

Während sich die Mädels auf meine Mitbringsel stürzen, tausche ich einen fragenden Blick mit Jorge aus. Er hat mich nämlich während meiner Abwesenheit auf dem Laufenden gehalten, was diese undurchsichtige Cinzia betrifft. Und mein Verdacht hat sich bestätigt, denn er nickt mir mit ernstem Gesicht zu, was wohl soviel heißen soll wie „Später“. In diesem Moment klopft es an der Tür. Alle wechseln verwunderte Blicke, und bevor Maria den Schorsch strafend anfunkeln kann, betritt ein Herr im Anzug die vier Wände, die ihm anscheinend gehören, denn Maria setzt sogleich ihr bezauberndstes Lächeln auf und geht fast schon ehrerbietig auf den Gast zu.

Maria (übertrieben entzückt): René! So eine Überraschung aber auch! Wie nett, dass du mal vorbeikommst, um nach dem Rechten zu schauen. Stimmt doch, oder, Schorsch? (boxt Jorge unsanft in die Rippen, worauf dieser etwas Unverständliches vor sich hinmurmelt) Sooo nett!

Elsa (freudig überrascht): Na, der Herr René! Wie schön, Sie endlich kennenzuler–

Das Wort bleibt ihr im Hals stecken, als sie den zweiten Gast erblickt, der hinter unserem schönen Puffbesitzer auftaucht, ebenfalls in feinsten Zwirn gewandet.

Elsa, Melanie und Maria (im Chor): Der Melch???

Ilona: Wer?

Ich: Schnauze Ilona!

Cinzia (lächelnd): Hi Berni.

Wusste ichs doch.

Maria: René, was soll das? Du kannst uns doch nicht so einfach überfallen. Wir sind ja gar nicht hergerichtet für so einen … illustren Gast. Der Gute hat sich schon das Beste verdient nach der Zeit im Kn– ich meine, seiner unangenehmen Zeit in polizeilichem Gewahrsam. Der sicherlich total ungerechtfertigt war. Herr Melch, nehmen sie doch Platz, darf ich Ihnen etwas anbieten?

René (winkt ab): Lass mal, Maria. Wir halten euch auch ned lange auf. Die Sache is nämlich die, i hob do grod a kleines Liquiditätsproblem, gell, und do hot mir der Berni sozusagen ein Angebot gmocht, des man ned ausschlogn konn, gell. Wüst du weiterdazöhln, Berni?

Berni Melch: Na ja, es ist eigentlich ganz einfach. Wir haben einfach beschlossen, unsere Kräfte zu bündeln, und da war es eigentlich nur logisch, dass i dem René aus der Patsche helf, und wie dann das Finanzamt vor der Tür stand, wegen gewisser Unregelmäßigkeiten, die in der Buchhaltung aufgetaucht sind–

Ich: Was?

Cinzia: Ja, Maria, wie konnte das denn passieren?

Jorge (zischt Cinzia böse zu): Schnauze, du Schlange.

Melch: Ach bitte, Schorsch. Wir wollen doch nicht ausfallend werden. Langer Rede kurzer Sinn. Der Puff gehört jetzt mir. Ihr bekommt natürlich alle eine Abfindung, René wird Berater des Unternehmens WTF unter unserer neuen Dachmarke – kennts ihr vielleicht eh, na? Auch egal. Die Damen müssten sich allerdings schon a neue Stelle suchen, bis auf die Cinzia natürlich, und (tuschelt kurz mit unserem Noch-Chef) die Tschechin kann auch bleiben.

Ilona: Slowakin!

Melch (zu mir): Schätzchen, du solltest dich hier selbstverständlich auch nicht mehr blicken lassen. Der ganze Laden wird sowieso personell umstrukturiert, die Cinzia wird als Geschäftsführerin fungieren, und dann werden mehr Leute beschäftigt. Jüngere, motiviertere …

Ilona (zischt): … Billigkräfte aus dem Ausland. Ha!

Melch: Ich werte das als ablehnende Antwort auf mein Angebot, Frollein. Nun denn. Sie können sich gerne zu den anderen gesellen. Die Bude wird natürlich umbenannt, da werden wir schon ein passendes Kürzel finden. „Pink Flamingo“ ist ja viel zu lang.

Maria wirkt wie in Schockstarre, und während sie von Jorge auf ihr Zimmer begleitet wird, um ihre Habseligkeiten zu holen, stehen wir noch immer wütend in der Küche herum. Berni und René zeigen sich gänzlich unbeeindruckt und weisen uns nur noch knapp darauf hin, dass in einer Stunde sozusagen Schichtwechsel ist, wie sie es mit einem spöttischen Grinsen nennen. Dann ziehen sie zusammen mit der guten Frau Cinzia ab. Zurück bleiben eine in Tränen aufgelöste Melli, die natürlich endgültig um ihre Zukunft bangt, eine perplexe Ilona, die das Ganze wohl erst mal verarbeiten muss, Elsa, die das Geschehen stoisch zur Kenntnis nimmt, und ich. Verdammt. Die arme Maria!

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