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Als Wahlteilzeitsüdtiroler interessiert es mich natürlich, von wem ich wahlteilzeitregiert werde. Wofür steht denn dieser Arno Kompatscher? In fast jedem Artikel, in fast jedem Fernsehbeitrag war von einer „neuen politischen Ära“ die Rede, oder gar von einer „Zeitenwende“. Manche sagen, Kompatscher sei „eindeutig ein Linker“, andere finden eher, er sei „ein Managertyp“. Mehrere Leute nannten ihn „Alpen-Obama“, und meinten das mal mehr, mal weniger nett, je nachdem, ob sie Obama mögen. Eine Google-Suche erbrachte, dass Kompatscher gern von „Teamwork“ spricht, und von „Vernetzung“. Er erkennt „ein bisschen einen Reformstau“ in Südtirol, kündigte an, es müsse sich „einiges ändern“, weil „sich die Gesellschaft geändert hat“, und verspricht, „zeitgemäß zu agieren“.
Der bekennende „Kompatscherianer“ Arnold Tribus, Herausgeber der Neuen Südtiroler Tageszeitung, antwortete auf die Bitte, den neuen Hoffnungsträger zu charakterisieren, so: „Er ist immer bedacht, sehr ausgeglichen zu sein.“
Alles in allem ziemlich vage. Kompatscher hat eine Webseite arnokompatscher.com mit einem Menüpunkt „Vision“. Da schaut es aber auch nicht besser aus. Diese „Vision“ besteht in „Gestaltungsspielraum für Land und Bürgerschaft, Konzentration auf unsere Stärken und entsprechende Rahmenbedingungen für eine andauernde soziale Sicherheit“.
Nun ist mein Verdacht: Kompatscher steht für gar nichts. Seine „Vision“ ist gar keine. Und da fühle ich mich gleich zu Hause. Kompatscher ist Politiker eines Typs, wie er auch gerade in Deutschland floriert. Horst Seehofer zum Beispiel, der bayerische Ministerpräsident, ist auch so ein „Vanillepolitiker“. Er regiert seit Jahren recht erfolgreich vor sich hin, hat immerhin für die CSU die absolute Mehrheit zurückerobert – aber wohin will er sein Land führen? Beim besten Willen: keine Ahnung. Mindestlohn, Atomausstieg, Studiengebühren undsoweiter – dazu hat Seehofer schon je mindestens einmal die Position gewechselt. Böse Zungen nennen ihn „Drehhofer“.
Kompatscher und Seehofer haben noch etwas gemeinsam: Sie stehen im Schatten übermächtiger Amtsvorgänger. Man kann von Luis „Durni“ Durnwalder und Franz-Joseph „Kini“ Strauß halten, was man will, aber immerhin standen sie für etwas. Bei Strauß erinnere ich mich noch dunkel (das ist schon ein paar Ministerpräsidenten her), und bei Durnwalder muss ich nicht lange recherchieren: starrkonservativ, volkstümlich, äußerst wirtschaftsfreundlich und fremden… – sagen wir mal fremdenskeptisch. So geht es heute nicht mehr. Wie ein Kini kann sich Seehofer nicht mehr aufführen, und aus Kompatscher wird voraussichtlich auch kein „Kompi“ werden. So wie damals geht es also nicht mehr, aber anders können Seehofer und Kompatscher offenbar nicht, oder sie wollen nicht. Ich habe den Eindruck, dass Bayern und Südtirol heute eher gemanagt als regiert werden. Und ich finde, bei Demokratie sollte mehr herauskommen.
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