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Bettina Conci
Veröffentlicht
am 21.10.2015
MeinungPuffgeflüster

Bauer sucht Frau

Veröffentlicht
am 21.10.2015
Der Oktoberwind weht die Kunden ins „Pink Flamingo“ wie Herbstlaub.
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Melanie (giftet wütend in Richtung Fernseher): Wie mich das aufregt! Der pfiffige Pferdewirt trifft auf die talentlose Tontechnikerin! Was kommt als nächstes? Ahnungslose Arzthelferinnen verlieben sich in minderbemittelte Milchbauern? Wer legt den „Bauer sucht Frau“-Moderatoren eigentlich diese schaurigen Alliterationen in den Mund? Denen gehört der Arsch versohlt. Mit dem Duden.

Ilona (süffisant lächelnd): Na, na, na. Reg dich mal ab. Heute noch nicht genügend Ärsche versohlt?

Elsa: Genau, was ist eigentlich mit dem Karl, kommt der nicht mehr?

Ilona: Hihi. Vielleicht kommt er ja woanders.

Elsa (kopfschüttelnd): Sei nicht kindisch, Ilona.

Melanie: Er hat wahrscheinlich nur viel zu tun. Die Schule hat angefangen, und die Lehrer treiben die Schüler oft gleich schon im Herbst herdenweise zur Zweisprachigkeitsprüfung. Wenn sie noch frisch und folgsam sind. Nach Allerheiligen ist es damit vorbei. Überhaupt jetzt, wo sie auch noch eine Woche Ferien haben.

Maria (klatscht in die Hände): So, meine Damen, Schluss mit dem Gequatsche! Geht euch mal frisch machen, in zwanzig Minuten kommt die Törggelegruppe aus Meran auf einen Absacker vorbei! René meinte, der halbe ehemalige Bozner Gemeinderat sei dabei…

Ilona (lacht dreckig): …Ja, die haben ja auch viel Freizeit jetzt…

Maria (kann ein Kichern kaum unterdrücken): Ilona, du Biest! Kommt schon, zeigt euch von eurer besten Seite! Ihr müsst nur a bissl repräsentieren, die kommen eh nur zum Saufen. Es geht doch nichts über Mundpropaganda.

Es klopft.

Maria: Herein!

Ich: Äh, hallo.

Maria (überrascht): Süße! Oh, du hast es geschafft, wie schön! Ich hoffe, sie haben dich nicht zu sehr in die Mangel genommen. Wars schlimm?

Schlimm, na ja. Der Grauner ist ja ganz sympathisch, aber diesen Plausch mit den Ordnungshütern, den hätte ich mir schon gerne erspart. Mich so erschrecken mit dem Gerede über den Berni, und dann schweigen wie ein Grab. Aber dumme Fragen stellen! Wann und wo ich den Berni zum letzten Mal gesehen hätte. Und wie meine Beziehung zu ihm sei. Fast hätte ich den Kaffee wieder herausgeprustet, den sie mir ganz fürsorglich angeboten haben in ihrem Kammerle in der Questura. Beziehung, dass ich nicht lache! Wir verstanden uns einfach gut, ich und der Berni. Wir waren verwandte Seelen. Pardon, sind. Ach, ich weiß ja nicht mal, ob er noch lebt, so geheimnisvoll wie die getan haben! Der Status der betroffenen Person sei „unauffindbar“, mehr war nicht herauszukriegen aus diesem verstockten Kommissar und seinem (zugegebenermaßen nicht einmal so schiachen) süditalienischen Sidekick. Und es war immerhin von einem „Opfer“ die Rede gewesen, als sie mich abholten. War ihm etwas Schlimmes passiert? Der Berni hat einfach zu viele Feinde… ehemalige Spezln aus Wirtschaft und Politik, die noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen haben, neue Bekanntschaften, die sich weder von seiner Art noch seinem Geld bestechen lassen. Und die Journalisten stehen sowieso auf Kriegsfuß mit ihm. Und das Beste: auf meine Frage, wer der Polizei denn nun den Hinweis auf mich gegeben hatte (ich meine, ich bin mir ziemlich sicher, dass Berni meinen Namen nicht in seinem Adressbüchlein gespeichert hat), meinte dieser Tscheggl-Putz süffisant, jemand habe ihm einen anonymen Hinweis gegeben. Pah.

Ich: Maria, ich weiß, ich hatte erst frei, aber…

Maria: Du, das ist kein Problem. Ruh dich a bissl aus, wir schmeißen den Laden hier schon.

Jorge: Ähm, Maria? Kannst du mal kommen bitte?

Maria: Schorsch, was ist denn jetzt schon wieder? Die Polizei? Hausierer? Zeugen Jehovas?

Maria stürmt in Richtung Treppe, bremst sich aber ein, als sie sieht, dass die unangemeldeten Gäste ihr schon entgegenkommen. Verärgert stiert sie Jorge an, der mit Unschuldsmiene und kaum verhaltenem Grinsen neben einem Bäuerlein und einem jungen Burschen steht. Der Junge fühlt sich sichtlich unwohl in seiner Haut und tritt von einem Fuß auf den anderen, während er abwechselnd die Tapete mustert und an seiner Freiwild-Fan-Felpa zupft.

Maria: Zum Teufel nochmal, Schorsch, wozu bezahlt dich der René eigentlich. Du bist als Türsteher angestellt, damit du die Leute vor der Scheißtür abfängst. Nicht direkt heraufbegleitest. Da können wir ja gleich eine Drehtür einbauen, verdammt nochmal.

Herr O (nimmt seinen Hut vom Kopf und wischt sich verlegen die Hand an seinem blauen Schurz ab): Grüß Gott, Frau…

Maria: Maria mein Name. Grüß Gott. Hallo, mein Junge. Sie wünschen? Das Jugendzentrum ist einmal quer über den Platz und dann links.

Herr O: Ja, äh, also, nein, wir… das heißt, mein Florian hier, der möchte… also er hat heute Geburtstag und da wollte ich… weil er hatte noch nie… nicht, dass sie ihn dann in der Schule hänseln… weil der eine oder andere hat doch schon… Sie wissen ja, wie das ist in der Landwirtschaftsschule, das sind alles so Grobgenahnte, da wird man schnell mal ghaut für sowas… und der Flori ist doch so a Sensibler…

Florian: Dai Tatta, geaht schun guat.

Maria (kneift nachdenklich die Augen zusammen): Kennen wir uns, Herr… ?

Herr O: Oberkalmsteiner, Hans Oberkalmsteiner, aber nein, natürlich nicht. (lacht nervös) Woher denn auch, ich meine, ich bin grad zum ersten Mal hier, ein Kollege hat mir Ihr, ähm, Haus empfohlen…

Florian: Tatta, sein de do olle asou olt?

Herr O (zischt ihm zu): Fihr di au, Bua. Koan Wunder, dass di koane losst (gibt ihm eine Kopfnuss). Sie müssen entschuldigen, Frau Maria, er weiß einfach noch nicht richtig, wie man sich in weiblicher Gesellschaft anständig benimmt.

Maria (schmunzelt): Na, Gott sei Dank muss er das ja nicht hier bei uns, gell? Sich anständig benehmen. (tätschelt dem Burschen den Rücken und schubst ihn die Treppe hinauf) Dann mal rauf mit dir, mein Kleiner. Ich sag der Ilona Bescheid, die kümmert sich gerne um so junge Hüpfer wie dich. Und keine Angst, alt ist die auch noch nicht. (flüsternd an Herrn O gewandt) Hans, tut mir leid, aber die Charlotte ist leider grad verhindert, magst zur Elsa? Oder zur Melli, mal was ganz anderes ausprobieren?

Herr O (wird rot): Ach nein, lass mal, ich warte gern hier im Gang. Wenn du vielleicht was zum Lesen hast und a Glaggele Wein…

Maria (lächelt): Aber natürlich! Machs dir gemütlich. Ein Glas Magdalener mit einem kleinen Schuss Mineralwasser, gell?

Herr O (wird dunkelrot): Ja, danke.

Der Blaue Salon ist jetzt leer bis auf die Chefin, die hie und da noch ein besticktes Kissen aufschüttelt und ein paar Kerzen anzündet. Die Halloween-Deko fügt sich harmonisch in die Szenerie ein, ein kleines Wunder nach der erbitterten Diskussion um diesen „heidnischen“ Brauch, wie ihn Elsa fälschlicherweise bezeichnet hatte. Gemeinsam und mit Hilfe von Wikipedia konnten wir sie schließlich davon überzeugen, dass Halloween ein erzkatholisches Fest ist. Und wieder ist ein Themenabend gerettet.
Es klopft leise aber bestimmt. Jorge steckt seinen Kopf durch die Tür, Maria nickt ihm zu, und herein trampelt eine Horde leicht angetrunkener, nach Fett, Vernatsch und Sauerkraut stinkender Männer, die trachtige Einheitskleidung etwas derangiert, die Wangen gerötet und in unablässiges Geplapper versunken.

Älterer Herr: Ein Skandal ist das, wenn ich mir das vorstell, weisch Sepp… kalt den Rücken runter läufts einem… Aber wissen tut man jetzt ja nicht viel, wo er abgeblieben ist, ob er lebt, der Berni, oder ob er umglegt wurde… Luis, was meinst du?

Luis: Ach, Unkraut vergeht nicht. Ihr werdets schon sehen, den finden sie, putzmunter wie eh und je. Außerdem lässt er ja immer wieder von sich hören. Klopft sich auf den Schenkel. Ha ha!

Älterer Herr: Ja, das stimmt allerdings. Der Melch, der hat ja in letzter Zeit mehr Briefe geschrieben als der Mesner von Latzfons zu seinen besten Zeiten! Darunter ein Drohbrief an die gesamte SVP und ein – wie sagt man da bei unseren Kollegen im Süden – Angebot, das man nicht ablehnen kann, und das frisch an alle Bozner! (kichert)

Sepp (grinsend): Ja, Totgesagte leben einfach länger! Maria, a Runde Monte mit Eis für alle! Und wo sind denn deine Mädels? Oder machst du heute eine One-Woman-Show?

Maria (lächelt milde): Die kommen schon, Sepp! Mach dirs doch mal gemütlich. Sie krault Sepps Dreifachkinn, woraufhin der ein Gesicht macht, als würde er gleich zu schnurren anfangen. Wir haben einen, ähm, Personalengpass. Ihr glaubt also nicht, dass der Melch ein böses Ende gefunden hat?

Klausi: Also, ich glaubs erst, wenn ichs seh. In dem Fall ist ja nicht mal auf die Todesanzeige Verlass!

Die Männer brechen in schallendes Gelächter aus.

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