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Reisen finden irgendwie alle cool. Der eine trampt nach Indien, um den Sinn des Lebens zu finden. Der andere fliegt nach Malle, um sich mit Sangria volllaufen zu lassen. Wieder andere brutzeln wie Bratwürste am Strand von Bibione oder reisen für eine Auszeit nach Australien. Fast jeder verreist gerne. Meine 5-Groschen-Theorie für dieses Phänomen lautet: Kaum etwas weckt so große Sehnsüchte in uns wie das Reisen. Ausbrechen aus dem Alltag, den ganzen Trott hinter sich lassen, endlich wieder mal ein Abenteuer erleben. Sich so wie in einem amerikanischen Teenie-Film seine besten Kumpels schnappen, ins Cabrio springen und einfach los fahren. Irgendwann an einem Sandstrand mit türkisblauem Wasser ankommen. Einen Strand, den vorher noch keiner berührt hat. Und dann in einer Hippiegemeinschaft leben und sich das Paradies erschaffen, so wie Leonardo di Caprio im Film „The Beach“. Okay, das ist vielleicht doch etwas zu kitschig.
Fakt ist aber: Niemand will bei Reisen in ein fremdes Land als typischer Klischee-Tourist gelten. Wer reiht sich schon gern – umgeben von Asiaten mit Spiegelreflexkameras – in eine hundert Meter lange Warteschlange ein? Auf der Suche nach was ganz Individuellem befragen wir unser Smartphone oder Online-Dienste wie Tripadvisor oder Foursquare. Es gibt nicht viel auf dieser Welt, woran man sich halten kann. Manche sagen das Smartphone. Vielleicht ist da was dran. Die App „Fit for Travel“ fungiert beispielsweise als medizinischer Begleiter. Sie listet für über dreihundert Urlaubsziele Impfempfehlungen und Krankheitsrisiken auf. Dann gibt es noch die Internetseite Jauntaroo. Sie richtet sich an Menschen, denen kein geeigneter Urlaubsort einfällt. Der User bestimmt die wichtigsten Faktoren wie Budget, Landschaft und Aktivitäten und die Seite ermittelt die passende Destination.
Es ist unheimlich praktisch diese Dienste zu nutzen. Sie machen das Reisen bequemer und sicherer. Reise-Apps versorgen uns mit wichtigen Informationen und Preisvergleichen. Was der Reise allerdings abhandenkommt ist der Zufall. Der Zufall ist eine launische Schlampe. Er kann dich zu den krassesten Partys, den lässigsten Hostels oder den interessantesten Menschen bringen. Er kann dich aber auch in ein Restaurant führen, nach dessen Besuch du mit Durchfall drei Tage an der Kloschüssel hängst. Der Zufall sorgt für Ungewissheit und Nervenkitzel.
Das Smartphone versucht den Zufall zu eliminieren. Es reduziert die Reise auf eine nüchterne Kosten-Nutzen-Rechnung. Es bringt uns dazu wie ferngesteuerte Roboter den GPS-Vorgaben von Google Maps zu folgen. Mit dem Blick auf das Display ohne zu schauen, was um uns herum passiert. Es sorgt dafür, dass ein Algorithmus bestimmt, welche Sehenswürdigkeiten wir uns ansehen und welche Lokale wir besuchen. Es verleitet uns dazu, nicht mit Einheimischen in Kontakt zu treten, weil wir lieber unsere Apps befragen. Es gestaltet unsere Reise effizient, ohne Umwege und ohne Zeitverlust. Doch gerade über Umwege kommt man manchmal dorthin, wo sich die wahren Schätze eines Landes verbergen.
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