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Da die Lebenserwartung der Menschen stetig steigt, werden Themen wie nachhaltige Ernährung und gesunder Lebensstil im öffentlichen Diskurs immer präsenter. Wenige Menschen wissen was eine gesunde Ernährung ausmacht so gut wie Dr. Lukas Schwingshackl (35). Der gebürtige Pustertaler ist einer der meist zitierten Wissenschaftler weltweit und Ernährungsforscher am Universitätsklinikum Freiburg. Unser Autor Thomas Vonmetz drückte drei Jahre lang mit ihm die Schulbank und hat ihn nun zu einem Gespräch eingeladen. Es geht um gesunde Ernährung und darum, was gute WissenschaftlerInnen ausmacht.
Richtige und gesunde Ernährung beschäftigt die Menschen immer mehr. Vor 20 Jahren war das noch nicht so, oder?
Das Interesse an gesunder und vor allem nachhaltiger Ernährung nimmt stetig zu. Themen wie Klima, Tierschutz und Ernährung werden bei Konsumenten immer wichtiger. Die Präsenz von Ernährungsthemen in den Medien spielt auch eine wichtige Rolle. Der Mensch beschäftigt sich immer mehr mit dem Thema „longevity“ sowie „gesundem Altern“, und hier nimmt richtige und gesunde Ernährung eine Schlüsselfunktion ein.
In welchem Zusammenhang siehst du Ernährung und Gesundheit?
Es ist unbestritten, dass die Ernährung einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit hat. Eine suboptimale Ernährung etwa gilt als wichtiger Faktor für die Entstehung von chronischen Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. So geht die internationale Forschungsinitiative „Global Burden of Disease“ davon aus, dass sich 22% der Todesfälle weltweit auf eine nicht optimale Ernährung zurückführen lassen und rund 15% der dadurch verlorenen gesunden Lebensjahre. Eine optimale Ernährung hingegen kann mit dazu beitragen, dass chronische Krankheiten entweder erst gar nicht entstehen oder ihr Fortschreiten zumindest gebremst wird.
Wird dein Forschungsfeld immer wichtiger?
Das wird sich zeigen. In der deutschen Forschungsförderungslandschaft ist Ernährung immer noch ein Randbereich. Es ist alles andere als einfach Forschungsgelder zu sammeln. Es bleibt zu hoffen, dass das Forschungsfeld noch mehr an Bedeutung gewinnt.
Was sind ernährungsbedingte Volkskrankheiten?
Volkskrankheiten bei denen die Ernährung eine besondere Rolle in der Prävention spielen kann, sind: Typ-2-Diabetes, Herzkreislauferkrankungen, Herzinfarkt und Schlaganfall, Bluthochdruck, Übergewicht und Adipositas. Bezüglich Krebserkrankungen kann vor allem das Risiko an Dickdarmkrebs zu erkranken gesenkt werden. Zum Präventionspotential bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz erwarten wir in den nächsten Jahren neue und umfangreiche Daten.
Über richtige Ernährung wird immer mehr berichtet, trotzdem ist beispielsweise Übergewicht eine Volkskrankheit. Wie passt das zusammen?
In der Vergangenheit und auch heute noch streiten sich Wissenschaftler häufig darum, ob jetzt Fett oder Kohlenhydrate schuld an Übergewicht und Adipositas sind. Die Schuld auf einzelne Makronährstoffe zu lenken hat das Problem nicht gelöst. Auch ein erhöhter Eiweißkonsum wird die Rate an Übergewicht und Adipositas nicht senken können. Vereinfacht ausgedrückt, ist es vielmehr ein Ungleichgewicht zwischen Kalorienaufnahme und Verbrauch. Natürlich kann hier die Zusammensetzung der Makronährstoffe unterschiedlich wirken. Mehr Eiweiß beispielsweise sättigt und erhöht die Thermogenese; Reduktion von Kohlenhydraten führt zu kurzfristigem Gewichtsverlust. Aber insgesamt handelt es sich um ein Energiebilanzproblem. Die Medien fokussieren sich häufig auf Themen wie „Low-carb“ oder „High-protein“ und dies mag zwar kurzfristig hilfreich sein, aber langfristig spielt die Energiebilanz die entscheidende Rolle.
Obwohl wir wissen, dass wir uns ungesund ernähren, machen wir es trotzdem.
Neue Daten aus den USA zeigen, dass sich während der Coronapandemie die Rate an Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie deutlich erhöht hat. Warum ernähren sich so viele Menschen in den reichen westlichen Ländern ungesund?
Der Hauptgrund ist sicherlich die Verfügbarkeit von Essen zu jeder Tageszeit. Überall gibt es Imbisse und Fastfood-Ketten sowie Lieferdienste wie Deliveroo. Weiters ist eine Spannung zwischen Wissen und dem eigenen Verhalten festzustellen. Obwohl wir wissen, dass wir uns ungesund ernähren, machen wir es trotzdem. Wir belohnen uns oftmals mit ungesundem Essen. Was und wieviel wir essen variiert auch aufgrund unserer Reaktion auf Reize oder bei Frust. Beruhigung, Verführung oder Belohnung spielt auch eine Rolle.
Wie kann ein Staat es erreichen, dass seine Bürger sich gesund ernähren?
In einigen Ländern wurde eine Zuckersteuer auf zuckerhaltige Getränke eingeführt. Die Wirkung solcher Maßnahmen ist nicht immer eindeutig, auch wenn bereits positive Effekte beobachtet wurden. Diskutiert wird auch die Möglichkeit Steuer auf Obst und Gemüse zu reduzieren, das ist aber noch ein langer Weg. Die Implementierung solcher politischer Maßnahmen ist komplex. In Deutschland beispielsweise gibt die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) Qualitätsstandards vor, welche Verantwortliche in Kindertagesseinrichtungen, Schulen, Betrieben, Krankenhäusern und Rehakliniken, Senioreneinrichtungen sowie Mitarbeiter von „Essen auf Rädern“ bei dem Angebot einer ausgewogenen Verpflegung unterstützen.
Welche Tipps gibst du für eine gesunde und nachhaltige Ernährung?
Hier würde ich gerne auf die EAT-Lancet Initiative verweisen. ExpertInnen der Bereiche Gesundheit, Landwirtschaft, Politikwissenschaft und Umweltverträglichkeit aus 16 Ländern haben evidenzbasierte, globale Ziele für eine gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion entwickelt. Die EAT-Lancet-Kommission hat einen Speiseplan erstellt, der die Gesundheit des Menschen und der Erde gleichermaßen schützen soll. Man sollte demnach pro Tag etwa 200 Gramm Vollkornprodukte, 50 Gramm Kartoffeln, 300 Gramm Gemüse, 200 Gramm Obst, 75 Gramm Hülsenfrüchte, 50 Gramm Nüsse, und nicht mehr als 250 Gramm Milchprodukte, 14 Gramm rotes Fleisch, 30 Gramm Geflügel, 13 Gramm Eier, 28 Gramm Fisch, zu sich nehmen.
Du bist einer der weltweit am meisten zitierten Wissenschaftlern.
Es ehrt mich natürlich sehr. Trotzdem darf das Ranking nicht überinterpretiert werden. Einige Hintergrund-Informationen zum Ranking: Das Unternehmen Clarivate Analytics ermittelt die Namen der „Highly Cited Researchers” anhand der am meist zitierten Veröffentlichungen in der Literaturdatenbank „Web of Science“. Ins Ranking aufgenommen werden die AutorInnen von Forschungsarbeiten, die im Web of Science-Zitierindex zum besten ersten Prozent gehören. Berücksichtigt wurden im Jahr 2021 Arbeiten, die im Zeitraum von Januar 2010 bis Dezember 2020 veröffentlicht und zitiert wurden. Insgesamt führt das Ranking mehr als 6.600 Forschende aus über 70 Ländern und 21 Fachgebieten auf.
Was sind die Fähigkeiten, die man als Wissenschaftler haben muss, um erfolgreich zu sein?
Neugierde, Kreativität, kritisches und analytisches Denken, Zielstrebigkeit, langer Atem, Resilienz, hohe Frustrationstoleranz und natürlich Glück.
Wir haben zusammen drei Jahre die Schulbank gedrückt und waren im gleichen Heim. Du warst ein eher mäßiger Schüler, trotzdem hast du wie kein anderer Karriere gemacht.
Nicht alle Inhalte aus der Schulzeit waren von Interesse für mich und deshalb war meine Motivation nicht immer die höchste, was sich auch in den Noten niederschlug (lacht). Während des Bachelorstudiums und dann vor allem bei der Bachelorarbeit wurde ich sehr neugierig und wissenshungrig bzw. hinterfragte Lehrinhalte sehr kritisch. Manchmal zu kritisch, was bei manchen Dozenten nicht immer gut ankam und zu einem „Maulkorb“ führte (lacht).
Eines führte zum anderen, ich hatte Glück mit Mentoren, die mich gefördert haben und so konnte ich mein Hobby zum Beruf machen.
Wie wichtig war für dich der Besuch der Sportoberschule Sterzing für deine akademische Karriere? Die Kombination Sport mit Ernährung wurde bei uns doch immer groß geschrieben.
Ich habe schöne Erinnerungen an die Zeit im Sportgymnasium und gerade die Kombination Sport und Ernährung hat mich sicher geprägt und war ein wichtiges Fundament für meinen akademischen Weg.
Wie wichtig ist es Interesse und Leidenschaft der Schüler zu wecken, auch im Hinblick auf eine akademische Laufbahn?
Sehr wichtig. Leidenschaftliche und authentische Lehrer sind aber nicht nur in der Schule sondern auch an der Uni wichtig (lacht). Einer meiner wichtigsten Mentoren war ein hervorragender Dozent. Dadurch hat er mich in meinem Vorhaben bestärkt eine akademische Karriere zu verfolgen.
Zur Person: Der gebürtige Pustertaler Lukas Schwingshackl (35) ist Arbeitsgruppenleiter am Universitätsklinikum Freiburg mit Forschungsschwerpukt evidenzbasierte Ernährungsforschung. Er absolvierte den Bachelorstudiengang „Ernährungstherapie“ an der Landesfachhochschule „Claudiana“ und einen Master an der UMIT in Hall in Tirol. 2015 schloss er seine Promotion erfolgreich an der Universität Wien ab. Von 2015-2018 folgte eine Anstellung als Postdoktorand am renommierten Deutschen Ernährungsforschungszentrum „DIfE“ in Potsdam. Im Anschluss wechselte er nach Freiburg. Für seine Forschungsarbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet.
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