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An insgesamt 295 Tagen drehte die gebürtige Boznerin Nancy Camaldo ihr Drama „Windstill“. Aktuell feiert der Film auf dem 42. Filmfestival des Max Ophüls-Preis seine Premiere. Es ist ein Film, der gesellschaftliche Konventionen hinter sich lässt und zeigt, dass das Leben keine festen Rollen kennt. Mit BARFUSS hat die erfolgreiche Drehbuchautorin und Regisseurin über ihre Arbeit, ihre Inspirationen und ihre Heimat Südtirol gesprochen.
Worum geht es in deinem Film?
,,Windstill” ist eine Momentaufnahme im Leben dreier Figuren, die unter permanenter Überforderung leiden. Die jungen Eltern Lara und Jacob fühlen sich einander nicht mehr nahe und bleiben nur aus Pflichtbewusstsein zu ihrer Tochter zusammen. Während Jacob als Koch arbeitet, kümmert sich Lara um das gemeinsame Kind. Obwohl jeder von ihnen sich etwas anderes für sich wünscht. Jacob möchte mehr Zeit mit seiner Tochter verbringen, während Lara gerne Medizin studieren würde. Statt gemeinsam eine Lösung zu finden, bleiben sie lieber in dieser Spirale der Unzufriedenheit. Bis Lara ausbricht, alles stehen und liegen lässt und ihre Schwester Ida in Südtirol aufsucht. Die Bäuerin Ida lebt augenscheinlich ein entspanntes Leben mit ihrem Berliner Toyboy Rafael – doch auch sie hat ganz andere Wünsche und Pläne für ihr Leben.
Warum gerade dieses Thema?
Die persönliche Geschichte eines guten Freundes inspirierte mich zu dem Thema. Nach der Matura wollte er Pilot werden, wurde es aber nicht. Auf meine Nachfrage zuckte er bloß mit den Schultern und erklärte nüchtern: „Ich habe zu schlechte Augen“. So hangelte er sich von Job zu Job und verfolgte bald ein neues Lebensziel: nach Neuseeland auswandern. Knapp ein Jahr später traf ich ihn zufällig wieder, diesmal in Begleitung seiner schwangeren Freundin. Naiv fragte ich, was denn nun aus Neuseeland geworden sei und er antwortete trocken: „Irgendwann mal.“ Ich denke, dass das Leben wie bei ihm einfach passiert. Träume gehören genauso zum Menschsein wie unser Alltag. Oft verläuft das Leben nicht nach unseren Vorstellungen und man beugt sich einfach dem Lauf der Dinge. Genauso geht es den Figuren im Film. “Windstill” erzählt vom inneren Kampf dreier Menschen, die wie wir alle versuchen, herauszufinden, wann ihr “Irgendwann mal” war, ist oder vielleicht noch sein wird.
„Windstill“ ist ein Titel, der viel Platz für Interpretationen lässt. Was bedeutet er für dich?
Viel Platz für Interpretationen ist super! Die Zuschauer sollen zum Nachdenken angeregt werden. Für mich bedeutet „Windstill“ Stillstand. Sehnsüchte und Wünsche, die von uns in einen künstlichen Winterschlaf versetzt wurden.
Kannst Du dich mit solchen Arbeiten bereits finanziell über Wasser halten?
Da ich Ende 2020 erst mein Studium abgeschlossen habe, kommt diese Frage etwas verfrüht. ,,Windstill” ist hier mein Abschlussfilm und somit Teil meiner Studienleistung. In anderen Worten: Ich habe an diesem Projekt nichts verdient. Wie heißt es doch so schön: Aller Anfang ist schwer.
Machst Du auch andere Sachen im Bereich Medienbereich?
Ja, natürlich. Ich habe an der Uni den Schwerpunkt Werbung gewählt und habe deshalb hin und wieder Spots gedreht. Das hat unglaublichen Spaß gemacht! Die Arbeitsweise ist zwar sehr unterschiedlich, man kann aber sehr viel dazu lernen. Ich möchte mich in meiner Arbeit noch weiterentwickeln und deshalb ist es wichtig, vieles auszuprobieren. Irgendwie muss man ja auch einfach rausfinden, was man mag und was nicht, beziehungsweise was man kann und was man nicht kann, ganz nach dem Motto: „Probieren geht über Studieren.“
Wie bist du zum Filmbusiness gekommen?
Keine lange Geschichte. Ich wollte einen kreativen und abwechslungsreichen Beruf ausüben. Filme können eine magische Atmosphäre erzeugen und neue Welten und Realitäten erschaffen – das fand ich faszinierend! Nach der Matura in Bozen habe ich meine sieben Sachen gepackt und bin nach München gezogen. Anschließend habe ich mich ohne Erfahrung an der Hochschule für Fernsehen und Film München beworben und wurde dort glücklicherweise aufgenommen. Erst danach habe ich durch das intensive Studium mit erfahrenen Dozent*innen und Filmemacher*innen einen Eindruck gewinnen können, was dieser Beruf wirklich bedeutet. Ich bin auch unglaublich dankbar für die Mitstreiter*innen, die ich dort gefunden habe. Es braucht nämlich Menschen mit einer gesunden Portion Verrücktheit! Du musst es mit aller Leidenschaft wollen. Filmemachen bedeutet, einen langen Atem zu haben, aus Niederlagen zu lernen und trotzdem immer weiter zu machen. Neugierig zu bleiben und jeden Tag zu lernen. Das ist nicht immer einfach.
Inwiefern spielt Südtirol in deiner Arbeit eine Rolle?
Südtirol ist mein Ruhepol. Meine Familie und guten Freunde leben hier und durch ihr gutes Zusprechen habe ich nie den Mut aufgegeben. Südtirol ist mit einer unglaublich schönen Natur, mit interessanten Menschen und einer unvergleichlichen Geschichte gesegnet. Unser kleines Landl ist eine große Inspirationsquelle für mich und bietet visuell wie geschichtlich unglaublich viel.
Denkst du schon über ein nächstes Projekt nach?
Immer! ,,Windstill” ist mein Abschlussfilm an der Hochschule. Mein Debütfilm steht noch an. Zurzeit arbeite ich daran – diesmal soll es ein Thriller werden. Parallel arbeite ich auch an einer Serie, die wir hoffentlich auch in den nächsten Jahren realisieren können. Es bleibt spannend!
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