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Claudia Fischer steht an der Rezeption und empfängt ihre Gäste mit einem freundlichen Lächeln. Nichts Ungewöhnliches für uns Südtiroler, doch ihr Arbeitsplatz befindet sich nicht in Südtirol, sondern im fernen Malaysien und sie ist keine Angestellte, sie ist der Boss. Die 29-Jährige hat sich vor zwei Jahren einen Traum erfüllt und ihr „Soluna Guesthouse“ aufgebaut.
Claudia ist in Marling aufgewachsen und genehmigte sich nach der Matura ein Jahr working holiday in Australien. Sie arbeitete dort als Kartoffelschälerin, Pizzabäckerin, Abspülerin und trat mit Feuershows als Straßenkünstlerin auf.
Nach neuen Monaten wurde ihr Australien zu langweilig, es war Europa einfach zu ähnlich und so reiste sie nach Malaysien. Sie wusste noch nicht, dass dieser Trip ihr Leben verändern würde. Auf der Insel Langkawi, die zum Unesco Geopark gehört und als Steueroase Malaysiens bekannt ist, lernte sie rasch Einheimische kennen und verliebte sich in Edi.
Für neun Monate kam sie nach Meran zurück, dann war die Sehnsucht nach der schönen Insel und nach Edi zu groß und sie kehrte nach Langkawi zurück. Von nun an war sie im Winter in Langkawi und verdiente ihr Geld mit Feuershows oder mit dem Verkauf von Silber- und Makrameeschmuck, den sie selbst angefertigt hatte. Den Sommer über arbeitete sie in Meran im Gastgewerbe. 2009 heiratete sie ihren Edi und konvertierte zum Islam. Malaysien ist nämlich vorwiegend muslimisch und so musste sie rasch lernen, sich die Gepflogenheiten anzueignen.
Welche großen kulturellen Unterschiede gibt es?
Am Anfang musste ich schon viel lernen und habe einfach viel beobachtet. Schon alleine das Grüßen ist eine Philosophie für sich und hängt vom Alter und der hierarchischen Stellung des anderen ab. Je nach Rang grüßt man mit unterschiedlichen Gesten.
Niemals darf man jemanden die Fußsohlen zustrecken, das ist die Beleidigung schlechthin. Sich bei Tisch die Nase zu putzen, ist ungebildet, während sich zu räuspern als Kompliment für ein gutes Essen gilt. Essen sollte man mit den Händen, da das Metall des Besteckes den Geschmack des Essens verändere, so die Meinung der Malaysier, und wenn man irgendwo eingeladen wird, muss man alles essen. Das kann dann schon mal eine große Überwindung erfordern. Die Großfamilie ist für die Malaysier sehr wichtig, was für mich sehr gewöhnungsbedürftig war und oft litt die Privatsphäre darunter.
Wird man in einem islamischen Staat als Frau – und dazu noch weiße Frau –akzeptiert?
Ich hatte noch nie Probleme, dass man mich nicht akzeptiert hätte. Geschätzt wird sicher auch, dass ich die Sprache beherrsche. Außerdem erwarten die Einheimischen gar nicht, dass wir Weiße uns gleich verhalten wie sie.
Die Malaien wissen, dass unser Verhalten nicht boshaft ist, und schütteln oft nur lächelnd den Kopf. Da habe ich oft mehr Schwierigkeiten und ärgere mich, wenn ich sehe, wie unsensibel und respektlos sich die weißen Touristen verhalten. Wenn die Frauen beispielsweise im Stringtanga in der Sonne braten oder die Männer oben ohne mit der Bierdose in der Hand durch die Stadt laufen. Wir sind in einem muslimischen Land, Alkohol ist verboten und die Frauen tragen meist ein Kopftuch, sie kleiden sich zwar auch westlich, aber nie so freizügig.
Was gefällt dir an Malaysien?
In Malaysien gefällt mir der langsame Rhythmus und dass man nicht immer perfekt funktionieren muss. Ich fühle mich sehr wohl, auch weil ich die Leute sehr mag. Die Einheimischen von Langkawi sind freundliche, hilfsbereite, offenherzige, gastfreundliche, ja, oft etwas kindliche Menschen. Sie sind sehr neugierig und haben einen ganz eigenen Humor.
Wie kam es zum Entschluss, ein Guesthouse aufzubauen?
Durch die Heirat hatte ich ein Visum, das es mir erlaubte zu bleiben. Ich wollte nicht mehr weiterjobben wie bisher und kaufte mir ein Grundstück. Ich hatte genaue Vorstellungen wie mein Guesthouse auszusehen hatte und suchte einen Bauherrn, der alles nach meinen Wünschen verwirklichte. Zwei Jahre dauerte die Bauzeit, da zuerst die Erde aus dem Palmenhain ausgehoben und dann die Regenzeit abgewartet werden musste. Im Dezember 2012 eröffnete ich mein „Soluna Guesthouse“.
Das Soluna Guesthouse umfasst 12 Zimmer und einen Schlafsaal, dem dormitory, mit weiteren 10 Betten. Unter dem Vordach ihres eigenen Hauses befinden sich die Rezeption und der liebevoll eingerichtete Aufenthaltsort für die Gäste. Die einstöckige Anlage, die in L-Form gebaut ist und in dessen Mitte ein schöner Garten angelegt ist, wird von Reisfeldern, einem Palmenhain und einer Wiese, auf der Kühe weiden, begrenzt. Für Claudia arbeiten in der Hochsaison fünf Angestellte.
Wie ist das Leben als Gastwirtin?
Ich empfinde es als sehr spannend, Gäste aus der ganzen Welt und den unterschiedlichsten Kulturen zu empfangen. Ich lerne viel von ihnen, hole mir Inspirationen, oft helfen sie mir auch etwas weiterzuentwickeln. Die unmöglichsten Situationen erlebe ich im Dormitory, in dem die jungen Gäste wohnen und wo ich dann auch mal einschreiten muss.
Lustig war auch die Geschichte, als ich einmal an einem Tisch hörte, wie eine Familie aus Südtirol überlegte, wie sie jetzt am besten das Frühstück bestellen sollte; ihr Englisch war wohl nicht ausreichend. Da gab es großes Staunen, als ich sie im Dialekt begrüßte.
Was fehlt dir von Südtirol?
Von Südtirol fehlen mir die Familie, die Freunde, das gute Essen, die Spaziergänge im Wald, der Geruch von Moos und, dass man das Wasser aus dem Wasserhahn trinken kann.
Claudia schließt nicht aus, irgendwann nach Südtirol zurückzukehren, doch sie lebt im Hier und Jetzt, sie plant nichts und ist offen für alles. Von Edi ist sie mittlerweile geschieden. Auch das ist in Malaysien nichts Ungewöhnliches mehr. Für die Zukunft wünscht sie sich, wieder mehr Zeit zum Reisen zu haben und dass ihre Eltern sie einmal besuchen kommen.
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