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Hannah Tonner
Veröffentlicht
am 07.03.2025
LeuteFilmemacher Christoph Waldboth

Vom Schreiben und Alleinsein

Veröffentlicht
am 07.03.2025
Der aus Bozen stammende Filmemacher Christoph Waldboth hat seinen ersten Langfilm der Öffentlichkeit präsentiert. Was die Geschichte einer einsamen Autorin hergibt, haben wir uns angeschaut. Den Erzähler haben wir zum Interview gebeten.
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Eine junge Frau sitzt vor einer Schreibmaschine. Sie hackt etwas Koks klein, zieht es durch die Nase und blickt aus dem Fenster. Sie ist Schriftstellerin, arbeitet angestrengt und unter großem Druck an einer Auftragsarbeit. Hundert Seiten soll das Werk haben. Die junge Frau verspürt Einsamkeit. Eigens für den Prozess des Schreibens ist sie nach Wien gekommen, hat sich in der Wohnung eines Bekannten einquartiert. Kontakt zur Außenwelt hat sie mäßig, bloß ihrer Mutter schreibt sie regelmäßig Briefe. Mit ihrem Auftrag kommt sie mühsam voran, jedoch ihrer Protagonistin immer näher. In ihrer Arbeit beginnt sie unterzugehen und sich selbst fremd zu werden.

In seinem ersten Langfilm „Hundert Seiten Einsamkeit“ erzählt Christoph Waldboth die Geschichte einer jungen Schriftstellerin, der das Alleinsein zusetzt, die sich in ihrer geschriebenen Geschichte verliert. Eine Erzählung mit Tiefgang. Das Drehbuch, sagt Waldboth, habe er nicht in einem Satz geschrieben, sondern während der Dreharbeiten adjustiert. Man fühlt die Dynamik des Films, eine gewisse Beweglichkeit, die die Erzählung ausstrahlt. Es wirkt, als wäre das Gesehene nicht greifbar und doch gleichzeitig nahbar. Der Film zeigt die dunklen Seiten des Schreibens auf, die Einsamkeit, den Druck, die Frustration, wenn die eigene Erwartung nicht getroffen wird.

Verkörpert wird die junge Protagonistin von Sara Jenike. Geboren in Ungarn, wirkend in Wien, hatte sie schon vor dieser Produktion mit Waldboth gearbeitet. In Jenseits des Weges, ein Kurzfilm, der im Rahmen des Bozner Film Festivals 2023 Premiere feierte, übernahm sie an der Seite von Felix Maier die weibliche Hauptrolle. Jenike überzeugt in der Rolle der jungen Schriftstellerin. Sie schafft eine zarte, jedoch bestimmte Figur, eine, der man sich verbunden fühlt. Im mitreißenden Strudel der Geschichte formt Jenike eine beständige Protagonistin, die den roten Faden in den Händen hält und das Publikum an das Erzählte fesselt. Das Ensemble um die ungarische Schauspielerin, bestehend aus Katharina Settele, Paul Gruber, Felix Maier, Franziska Obkircher und Lukas Roner, rundet ab und fängt ein. Gemeinsam erzählen sie den Gang der Einsamkeit, machen spürbar, wie sich die junge Schriftstellerin fühlt, wie ihre Entscheidungen zustande kommen. Gemeinsam mit ihr streift das Publikum durch Wien, fühlt mit.

Wie eine rastlose Reise durch die Großstadt, lässt Waldboths Film die Zuschauer:innen aufgewühlt zurück. Man braucht ein wenig, um das Gesehene zu verarbeiten. Die Filmmusik hallt nach, genauso die Gedanken, die haften bleiben. Waldboths Herangehensweise an die Filmemacherei, seine Professionalität nicht in den Vordergrund stellende, sondern Tiefgang und Authentizität fordernde Arbeitsweise kreiert ein Gesamtbild, das unter die Haut geht. Absolut empfehlenswert.

Einige Zeit nach der Premiere nimmt sich Christoph Waldboth Zeit, um uns bei einer Melange im Wiener Café Weidinger einige Fragen zu beantworten.

BARFUSS: Wer ist Christoph Waldboth?
Christoph Waldboth: Jeden Tag jemand anderes, im besten Fall. Das funktioniert aber nicht immer und das ist dann nervig und frustrierend, wenn man gelangweilt von sich selbst ist. Wenn du die Frage morgen stellen würdest, wäre Christoph Waldboth wahrscheinlich ganz ein anderer.

Du schreibst auch, ein prägnanter Fokus scheint jedoch auf der Filmemacherei zu liegen. So wirkt es nach außen.
Dazu muss ich sagen, dass das eine interessante Wahrnehmung ist, die viele haben. Meine eigene ist, dass ich beides im selben Maße tu, wobei es natürlich Phasen gibt. Ich würde sagen, dass das Schreiben trotzdem jene Form ist, in der ich mich sicherer fühle. Vor ein paar Jahren habe ich mir noch gedacht, dass ich jene Dinge schreibe, die ich nicht verfilmen kann, weil mir die Mittel fehlen. Das würde ich mittlerweile nicht mehr sagen. Die Geschichte diktiert die Form. Der Film ist ein Überwältigungsmedium, würde ich sagen. Mit Film kann man mehr Reize ansprechen als mit Text. Da kommt viel mehr zusammen. Film ist ein Mischmasch aus mehreren Formen: Text, Bild, Sound, Musik, Schauspiel und noch vielem mehr. Jede Form hat ihre Vorzüge. Film ist schwieriger zu machen als Text, für mich. Er birgt viel mehr Risiken.

Von dir gibt es bereits mehrere Kurzfilme. Wie war es für dich nun, einen Langfilm zu drehen?
Befreiend. Ich hatte bei Kurzfilmen öfters das Problem, dass ich zu viel erzählen wollte in zu kurzer Zeit. Bei langen Filmen kann ich der Geschichte, den Figuren noch Zeit zum Atmen, ihnen mehr Raum geben. Herausfordernd ist natürlich, dass man viel mehr im Blick haben muss, die Organisation an sich ist viel komplexer. Wichtig ist die Arbeitsweise. Einen Langfilm zu machen, ohne wirklich Geld zu haben, ist auf eine herkömmliche Art und Weise nicht möglich.

„Hundert Seiten Einsamkeit“ thematisiert unter anderem die Schattenseiten des Kunstschaffens. Erlebst du diese selbst? Inwiefern sind sie eine Belastung?
Was zum Beispiel Schreibblockaden anbelangt, gibt es die natürlich. Im Film zeige ich, wie es einem damit ergeht und wie man vielleicht auch wieder herauskommt, wie aber auch Erwartungsdruck, den anderen vielleicht haben nichts dazu beiträgt. Das Schreiben ist eine sehr einsame Arbeit, gleichzeitig aber auch ein Fluchtort, einer, der oft besser ist als die echte Welt. Im Film treffen die zwei Kunstformen, die ich betreibe, aufeinander – ich nutze den Film, um vom Schreiben zu erzählen.

Christoph, du bist in Bozen aufgewachsen, hast in München gelebt und nun auch einige Jahre in Wien. Jetzt geht es weiter. Künstlerisch auch? Und wohin denn überhaupt?
Ja, hoffentlich geht’s weiter (lacht). Ach, es geht auf jeden Fall weiter. Ich bin nicht sicher, ob der Ortswechsel eine Entwicklung mit sich bringt, jedenfalls geschieht er nicht, um eine Entwicklung zu erzielen. Aktuell möchte ich weitermachen, wie bisher: Filme drehen, Romane schreiben und schauen, ob und wo sich ein Publikum dafür findet. Meistens ist das nicht dort, wo man als erstes danach sucht.

Wie ist die Szene in Südtirol? Etwa im Vergleich zu München, wo du dein Handwerk erlernt hast und zu Wien, wo du nun einige Zeit ganz bewusst gelebt hast?
Ich muss dazu sagen, dass ich in keiner Szene sehr gut vernetzt bin. Das liegt an meiner Persönlichkeit und einer gewissen Phobie vor Austausch (lacht). Die Filmemacherei ist – wie vieles in Südtirol – sehr zentriert auf den Ort, die Menschen und die Geschichte. Ich sehe wenig, das aus Südtirol kommt, das sich nicht damit beschäftigt und davon handelt. Das finde ich sehr schade. Das Publikum, so finde ich, wird unterschätzt, ihm wird zu wenig zugemutet. Man bettet es auf Samtpolstern. Nichts soll stören oder irritieren. Das spiegelt sich wider, in dem, was erscheint, was man sieht und hört und liest. Es ist alles etwas naiv. So ist meine Wahrnehmung.

Möchtest du mit deiner Kunst Veränderung bewirken? Soll deine Arbeit stimulieren?
Ich bin nicht jemand, der missionieren will. Man soll fühlen. Ich empfinde es als generelles Problem der Kunst, dass vieles verstanden werden will und dadurch zerdacht wird. Das größte Problem der Kunst ist der akademische Zugang. Die Kunst akademisiert sich oft selbst, wird unzugänglich.

Was ist dein langfristiges Ziel?
Vielleicht klingt das etwas langweilig, aber ich wünsche mir, an einem Punkt zu sein, an dem ich schreiben und filmen kann, was ich möchte und dass ausreichend Geld da ist, um davon zu leben. Mehr möchte ich eigentlich gar nicht. Vielleicht wäre es auch cool, irgendwo am Meer zu sitzen.

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