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Veröffentlicht
am 03.06.2021
LeuteJunge Stimmen zur Pandemie

„Verdammt, hört das denn nie mehr auf?”

Veröffentlicht
am 03.06.2021
Wut, Hilflosigkeit oder Freude: Südtiroler Oberschülerinnen haben ihre Gedanken, Erfahrungen und Gefühle zur Pandemie in Texte verpackt. BARFUSS bringt einige Passagen daraus.
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In den letzten Monaten haben sich Schülerinnen einer vierten Oberschulklasse der FOS “Marie Curie” in Meran in Texten mit der Coronazeit beschäftigt. Darin schildern sie ihre Erfahrungen, Einschätzungen, Ängste, Wut, Freuden oder greifen Themen auf, die nicht nur diese junge Generation betrifft und bewegt. BARFUSS bringt an dieser Stelle einige Passagen aus diesen Texten.

Im Moment sind es sehr viel kleinere, simplere Dinge, welche mich glücklich machen. Gute Musik, welche mich lächeln und wie verrückt durchs Zimmer tanzen lässt; atemberaubendes Essen, auf welches ich mich schon den ganzen Tag gefreut habe; lange Spaziergänge an der frischen Luft, bei welcher ich die wunderschöne Natur und ihre Kreationen bestaune oder aber mich mit bedeutenden Freunden über Gott und die Welt unterhalte; stille Momente nur für mich und meine Seele; Augenblicke, in denen die sanften Sonnenstrahlen meine Haut umarmen und mich breit lächeln lassen; Gespräche mit meinen Liebsten, in denen wir uns austauschen und uns gegenseitig die aktuellen, glücklichen Kleinigkeiten mitteilen, aber auch in Nostalgie schwimmen – an alte Tage denken. Die guten alten Zeiten – wir alle vermissen sie schmerzlich.

***

Ich bin jung, ich werde vielleicht nicht am Virus sterben, aber ich habe andere gesundheitliche Beschwerden. Mir ist selbst aufgefallen, dass ich Sucht-Erscheinungen im Bereich Internet bekommen habe, weil ich den ganzen Tag vor dem Laptop und Handy sitze. Meine Bildschirmzeit beträgt ca. 5-6 Stunden am Tag. Zudem leide ich an Schlafstörungen. Meine Konzentration ist sehr zurückgegangen. Ich hatte schon vor dieser Pandemie eine Sehschwäche, welche sich sehr stark verschlimmert hat. Ich habe bemerkt, dass ich sehr unsportlich geworden bin und mir es seelisch und körperlich nicht gut geht und das alles, obwohl ich nie vom Corona-Virus infiziert war.

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Ich musste auch lernen Abschied zu nehmen. Und ich meine so richtig Abschied zu nehmen, einen Abschied für immer. Durch Corona habe ich meine geliebte Oma verloren, eine Frau, welche mein Leben sehr geprägt hat und immer für mich da war. Es fühlte sich so an, als hätte mir jemand mein Herz herausgerissen. Ich konnte die Nachricht kaum ertragen und habe mich gefragt wie ungerecht das Leben eigentlich sein kann.

Ja, manchmal ist das Leben ungerecht und man kann rein gar nichts dagegen tun. Sie war ein gesunder Mensch, doch das Virus hat leider ihr Herz angegriffen. Ich war wütend, wütend auf die Menschen, welche sich nicht an die Regeln hielten und wütend auf das Virus im Allgemeinen. Es hat mir nämlich nicht nur meine Freiheit und Leichtigkeit genommen, sondern nun auch eine der wichtigsten Menschen in meinem Leben.

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Über Social Media sind wir alle miteinander verknüpft. (…) Immer wieder höre ich Aussagen, die ich so einfach nicht verstehen kann. Aussagen die für mich von so weit herkommen, dass ich zweifle selbst dazu fähig zu sein, diese absurden Thesen aufzustellen. Das Absurdeste daran war aber, dass ich diese nicht im Internet von einer mir unbekannten Person zu hören bekam. Nein, von Leuten, die ich gerne in meiner Nähe hatte, von Leuten, die sich mir ganz von einer neuen Seite zeigten. Eine Seite, die ich so noch nicht kannte, nicht kennenlernen wollte.

Ich hörte mir gerne einige Aussagen von Personen mit komplett anderen Denkweisen an. Ich hörte, dachte mir meinen Teil und erzählte meine Sicht der Welt. Aber hörte und dachte sich die Person gegenüber auch ihren Teil zu meiner Meinung? Nein! Sie wurde ausfallend und beleidigend. Sie wurde besserwisserisch und versuchte mit allen Mitteln, die ihr zustanden, mich zu überzeugen. Warum denke ich mir. Steht zu eurer Meinung, alles gut, das stört mich nicht. Aber hört auf allen, die anders denken belehren zu müssen.

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Es ist Freitagabend, du sitzt im Wohnzimmer. Wo auch sonst sollst du sein? Im Fernsehen werden neuen Pläne und Strategien kundgegeben, doch weder die Oberschulen noch die Jugend werden thematisiert. Du begreifst es nicht, wieso sehen sie dich nicht? Wo bleibt ihre Empathie? Dein Blick schweift in die rechte Ecke des Bildschirmes und da erblickst du ihn, den #jetztAlle, noch nie war er so provokant wie in diesem Moment.

Dieses „Alle“ fühlt sich einfach nur spöttisch an. Sie haben die Ziellinie erneut verschoben, dieses Mal um vier Wochen. Überrascht hat es niemanden, trotzdem beunruhigt dich deine Reaktion, du bist so ruhig, zu ruhig. Seit Neuestem ordnest du deinen Gefühlszustand unter „traurig“ ein, doch es fühlt sich falsch an. Du bist zu verzweifelt, um dir das Gute vor Augen zu halten, zu unruhig, um nachts zu schlafen.

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Ich hasse es zu hören, dass wir Jugendlichen nur feiern wollen. Natürlich wollen wir das! Aber wir wollen generell einfach wieder leben. Und jede erwachsene Person sollte darüber nachdenken, wie es für sie gewesen wäre, in ihrer Jugend am Wochenende nur zu Hause rumzusitzen. Ich höre immer wieder die tollen Geschichten, wie früher alles anders war und sie viel tollere Dinge erlebt haben.

Ich freue mich schon meinen Kindern zu erzählen, dass ich ein Jahr lang nur zu Hause verbracht habe und gezeichnet oder gelesen habe. Ich möchte ihnen erzählen, wie ich mit meiner besten Freundin getanzt habe, zu diesen einen Song, der uns verbindet. Oder wenn ich eine Reise mit meiner gesamten Freundesgruppe gestartet habe. Solche Dinge möchte ich erzählen und ich hoffe, dass ich die Dinge dafür noch erleben kann.

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Freitag, der 27. November 2020

Wir befinden uns seit fast einem Monat wieder im Fernunterricht und befinden uns wieder im Lockdown. Verdammt, hört das denn nie mehr auf? Wie lange soll das noch so weiter gehen? Der Virus ist wieder da, stärker als zuvor. Viele haben zwar harmlose Symptome und erholen sich nach zwei Wochen wieder, aber einige erwischt es auch schwer und es sterben weiterhin Menschen auf der ganzen Welt.

Die Geschäfte sollen in der Vorweihnachtszeit öffnen können, so wurde es uns allen wenigstens versprochen.

Dieses Mal sind die Lehrer besser vorbereitet, um den Unterricht online abzuhalten, was es für uns Schülerinnen aber um einiges anstrengender macht. Wie nervtötend! Wäre es doch wieder März.

Ich frage mich, wie Weihnachten heuer ablaufen wird. Werde ich meine Verwandten sehen können? Irgendwie wäre es aber auch schön, ein Weihnachten mal nur im engsten Familienkreis verbringen zu können. Ich würde die Weihnachtsdekoration am liebsten jetzt schon aufhängen.

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Ein fiktives Chatgespräch

Rebecca: Hey Leute, fahren wir heute wieder mit dem Zug um 18:00 zum Training?

Victoria: Ja, das wäre für mich in Ordnung.

Emelie: Girls, ich habe es euch noch gar nichts davon berichtet, aber ich werde heute und die nächsten Wochen nicht am Training dabei sein.

Victoria: Wieso? Weshalb? Warum?

Emelie: Es ist Lockdown, alle Schulen und öffentlichen Treffpunkte sind geschlossen und wir durften kaum die Gemeinde verlassen, deshalb finde ich es respekt- und verantwortungslos gegenüber unseren Mitmenschen, die zu Hause hocken und Däumchen drehen, in der Halle, ohne Maske und ohne negativen Test, sowie auf engem Raum zu trainieren. Ich hoffe ihr könnt meine Entscheidung nachvollziehen und seid mir nicht böse.

Chiara: Hä, das kann ich gar nicht verstehen. Wenn wir schon die Gelegenheit haben, ein Stück unseres früheren Alltags zurückzubekommen, sollten wir diese auch nutzen.

Victoria: Ich bin derselben Meinung wie Chiara. Allmählich will ich mein altes Leben zurück. Emelie, deine Verweigerung bringt jetzt auch nichts mehr. Ich will nicht, dass die Trainerin wegen dir noch auf die Idee kommt, das Training ganz abzusagen. Sei nicht so egoistisch und denk auch einmal an uns!

Chiara: Du lässt unser Team im Stich!

Rebecca: Leute, beruhigt euch mal. Wenn hier jemand egoistisch ist, seid ihr beide es. Ich finde die Entscheidung von Emelie sehr rücksichtsvoll und nachvollziehbar. Wenn ich so nachdenke, würde ich durch eine Infizierung das Leben meine geliebten Großeltern aufs Spiel setzen.

Victoria: Ich habe die Schnauze von diesem Coronavirus wirklich voll. Ein ganzes Jahr sind wir jetzt schon eingesperrt und dürfen nichts machen. Jegliche Normalität wurde uns genommen und durch zahlreiche Vorschriften zur Inschachhaltung der Gesellschaft verwendet. Ich halte das nicht länger aus. Jetzt würden wir endlich wieder trainieren können und ihr kommt mit sowas. Das ist einfach nur lächerlich.

(…)

***

Nicht nur den Erwachsenen wurde ein sorgenloses Leben genommen, auch die Kinder leiden sehr. Als Corona anfing sich in Südtirol auszubreiten, fing meine kleine Schwester gerade an zu reden. Durch die lange Ausgangssperre verlor sie jeglichen Kontakt zu anderen Menschen. Sie hörte auf mit anderen Menschen, als ihrer Familie, zu sprechen und fürchtete sie. Bis heute fällte es ihr schwer mit anderen Menschen zu kommunizieren.

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Und dann hat auch das alles mit Onlineunterricht so richtig begonnen und ehrlich gesagt mochte ich das schon früher nie so wirklich, das ganze Digitale. Mein Laptop hat in meinem „Vor-Pandemie-Leben“ nie eine große Rolle gespielt, aber dann, mit einem Mal wurde er mein einziger Bezugspunkt zur Schule. Alles Schulische spielte sich nur noch in diesem viereckigen Ding ab. War anfangs schon komisch. Und irgendwie habe ich bis heute noch nicht so wirklich Freundschaft mit dem Onlineunterricht geschlossen, aber wahrscheinlich muss es einfach so sein.

(…)

Dieses Jahr hat mich zum Denken angeregt, aber teilweise auch ein bisschen verwirrt. Ich hatte manchmal so Gefühle und Gedanken und wusste nicht wirklich, wie ich damit umgehen soll. Habe mich gefragt, ob man sich überhaupt so etwas wie komisch oder schlecht fühlen darf, weil es einem selbst im Vergleich zu so vielen anderen ja richtig gut geht.

In dieser Zeit ist mir aber auch aufgefallen, dass mehr Menschen angefangen haben, sich mehr mit sich selbst zu beschäftigen, ihre Gefühle zu teilen, darüber zu reden, wie es ihnen wirklich geht. Das hat auf einer komischen Art geholfen. Einfach zu sehen, dass es gerade vielen nicht so gut geht und dass die Situation für niemanden so wirklich einfach ist.

***

Überforderung und Hilflosigkeit
Wir sind überfordert und fühlen uns im Stich gelassen. Generell ist die Schule nicht mehr so, wie sie mal war. Mittlerweile gehe ich aufgrund der Belastung und Einschränkungen überhaupt nicht mehr gern zur Schule.

Unsicherheit und Ausgeliefertsein
Wie wird es weitergehen? Was wird sich ändern? Wie lange sitzen wir noch zu Hause? Wann hat das ein Ende?

Stimmungsschwankungen
Wir sind leichter gereizt und emotionaler. Durch den engen Raum bin ich mit meiner Familie öfters in Streiten geraten, meistens wegen unwichtigen Kleinigkeiten.

***

Einer der Schüler aus der Schule einer Nachbarin stand unter Verdacht, sich am Coronavirus infiziert zu haben, da er Fieber hatte und es ihm nicht gut ging. Ich fragte mich zum ersten Mal, ob ich nicht auch vielleicht schon infiziert war. Eine Angst entwickelte sich in meinem Inneren, die bis jetzt nie ganz verschwand: Was passiert mit mir, wenn ich angesteckt werde? Vielleicht bekomme ich keine Symptome, vielleicht lande ich aber auch auf der Intensivstation. Und was passiert mit meiner Familie? Vor allem mit meiner Mutter, die zur Risikogruppe gehört. Könnte sie am Virus sterben?

(…)

Als heuer die Schule wieder losging, war ich darüber gar nicht glücklich. Ich hatte Angst, mich irgendwo anzustecken und zum anderen wollte ich auch gar nicht mehr in die Schule. Ich liebe es zu Hause und ich hatte mich so an den Fernunterricht gewöhnt, warum also zur Schule gehen? Als dann die Sprachreise abgesagt wurde, war ich sehr traurig. Dafür hätten wir zwar mehrere Ganztags-Ausflüge machen dürfen, aber ich dachte mir schon, dass daraus nichts wird. Und so ist es auch gekommen.

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