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Ariane Benedikter
Veröffentlicht
am 16.03.2020
LeuteInterview zum Wasserstoff

Unterwegs im Wasserstoffbus

Veröffentlicht
am 16.03.2020
Südtirol setzt auf Wasserstoff. Die Wasserstoffbusse, die seit einiger Zeit in Bozen fahren, sollen nur der Anfang sein.
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In Bozen verkehren Busse, die durch Wasserstoff angetrieben werden. Das Projekt der EU nennt sich „Clean Hydrogen in European Cities“ – kurz CHIC. Die Landeshauptstadt zählt mit Oslo, London, Aargau und Mailand zu den fünf europäischen Städten, in denen diese Wasserstoffbusse unterwegs sind. In Bozen verkehren die Busse der Linien 8 und 10 seit Ende 2013. Der Chemiker Walter Huber aus Sankt Lorenzen war für das Projekt mitverantwortlich. Er ist Gründer des Instituts für innovative Technologien (IIT), welches auch das Wasserstoffzentrum Südtirol aufgebaut hat.

Wie werden die Busse in Bozen durch den Wasserstoff angetrieben?
Diese Wasserstoffbusse sind Brennstoffzellenbusse, das heißt der Antrieb ist rein elektrisch. Eine Brennstoffzelle ist wie eine Batterie, die Strom liefert. Sie liefert aber eben nur dann Strom, wenn Wasserstoff dazu kommt. Dann setzt ein elektrochemischer Prozess ein, bei dem das Energiepotenzial im Wasserstoff in Strom umgewandelt wird. Der Motor dieser Busse ist also kein Verbrennungsmotor, weshalb der Umwandlungsverlust der Energie wesentlich geringer ist. Hier erzeugt man keine Wärme, die dann in mechanische Energie umgewandelt wird, sondern es wird direkt elektrische Energie erzeugt. Diese sorgt für einen unmittelbaren Antrieb. Der Wasserstoff erzeugt in der Brennstoffzelle den Strom, der die Räder über Elektromotoren in Bewegung setzt.

Wie lange sind die Busse schon in Betrieb?
Die Busse laufen mittlerweile schon im siebten Jahr in Bozen. Anfangs rechnete man mit 4.000 Betriebsstunden, in der Zwischenzeit sind die Busse schon etwa 20.000 Stunden in Betrieb. Bisher gab es noch keine Probleme.

Viele sprechen davon, dass die Energiewende nur ein Zwischenschritt ist und die Zukunft langfristig dem Wasserstoff gehört. Andere meinen, künftig werde es eher Zusammenschlüsse zwischen Wasserstoff und anderen Energieformen geben. Was ist wahrscheinlich?
Es wird auch weiterhin Verbrennungsmotoren geben, da es Anwendungen gibt, wo der Verbrennungsmotor unschlagbar ist. Es wird reine Batterieantriebe und es wird Wasserstoffantriebe geben – immer über die Brennstoffzelle, weil das so gut funktioniert wie ein Dieselantrieb. Tatsächlich ist Wasserstoff aber der effizienteste, umweltsauberste und umfassendste dieser Antriebe.

Walter Huber mit Autorin Ariane Benedikter

Seit Kurzem werden sogar Luxusjachten auf Wasserstoffbasis gebaut, etwa das Konzeptschiff „Aqua“, für das sich Bill Gates interessieren soll. Abseits vom Bereich Mobilität – in welchen anderen Bereichen wird Wasserstoff wichtig werden?
Als Stromspeicher wird Wasserstoff künftig noch eine zentrale Aufgabe haben. Wasserstoff wird aus dem Strom hergestellt, der in den Stromleitungen zur Verfügung steht, aber gerade nicht genutzt wird: Haben wir untertags viel Photovoltaik-Strom und die Netze sind überlastet, geht der Strom in großen Mengen verloren, kommt also nicht beim Verbraucher an. Nimmt man diesen Strom aber aus den Leitungen heraus, dann stabilisiert man die Stromleitung und gewinnt einen Rohstoff. Hier bewährt sich Wasserstoff also als Stromspeicher. Im Gegensatz zu den heutigen Pumpspeicherwerken, die nur in großen Anlagen funktionieren, können wir den Wasserstoff in allen Größenordnungen direkt am Ort der Entstehung anwenden. Wasserstoff ist der effizienteste Stromspeicher den wir kennen.

Welche Rolle spielt Südtirol bei dieser Wende – für den Alpenraum, Italien, Europa?
Ich glaube wir können mit Stolz sagen, sehr weit vorne dran zu sein. Wir gehören schon zu den Vorreitern. Nicht unbedingt in den letzten technischen Feinheiten, aber im Gesamtkonzept. Wir sind heute europaweit die einzigen, die die Frage des Wasserstoffs als Gesamtheit betrachten. Wir produzieren eigenen Wasserstoff aus Südtiroler Wasserkraft und betreiben eigene Fahrzeuge – Busse und PkWs, in Zukunft auch LkWs. Wir informieren und beraten, erarbeiten Konzepte für Politiker und Gemeinden. Es war uns von Anfang an ein Anliegen, auch die Bevölkerung darüber aufzuklären, was Wasserstoff ist, was er kann und was er uns bietet.

Viele haben noch immer Angst, dass Wasserstoff unsicher sei, dass Fahrzeuge explodieren könnten. Wie berechtigt sind diese Sorgen?
Diese Sorgen sind nicht berechtigt. Viele assoziieren Wasserstoff mit der Wasserstoffbombe. Das hat damit aber absolut nichts zu tun. Andere denken an den Unfall, der 1937 mit dem Zeppelin Hindenburg passiert ist. Dieser ist aber nicht explodiert, sondern abgebrannt. Von den 90 Personen, die im Luftschiff saßen, sind 60 davongerannt. Das wäre nicht möglich gewesen, wäre das Ganze explodiert. Wasserstoff ist ein neuer Stoff, mit dem wir umgehen lernen müssen, so wie mit jeder neuen Substanz. Wasserstoff ist sicher, auch bei Unfällen. Er ist nämlich vierzehn Mal leichter als Luft. Wasserstoff kann zwar, so wie jedes Gas, explodieren, wenn es in einen kleinen Raum eingesperrt wird. Dabei kann bei einem Gasaustritt eine kritische Grenze erreicht werden, genauso wie bei Methan oder Propan. Aber im freien Raum kann Wasserstoff nicht explodieren, da er nie eine kritische Konzentration erreicht. Aufgrund seiner Leichtigkeit steigt er sofort in die Luft auf und verflüchtigt sich. Er ist zudem absolut ungiftig. Es gibt sogar medizinische Forschungen, die Wasserstoff als interessantes Heilmittel entdecken. Alle biologischen Prozesse, die in Mensch, Tier und Pflanze ablaufen sind nämlich immer mit Wasserstoff verbunden.

Kritiker sagen, Wasserstoff sei nicht sehr nachhaltig, da es Wasserstoff so auf der Erde nicht gibt, sondern in einem Prozess gewonnen, der sich Elektrolyse nennt. Für diesen Vorgang werden oft fossile Rohstoffe verwendet. Zudem ist das teuer und energieaufwendig. Was würden Sie solchen Kritikern sagen?
Wasserstoff wird primär aus Strom gewonnen, der von erneuerbaren Energiequellen stammt. Das wird auch in Zukunft die häufigste Methode sein. Dazu wird Strom verwendet, der andernfalls nicht genutzt würde und verloren ginge. Natürlich lässt sich Wasserstoff auch aus Erdgas herstellen, was derzeit für Großanwendungen in der Industrie die häufigste Methode ist. Das bedeutet aber nicht, dass sich Wasserstoff nicht auch effizient herstellen lässt. In Südtirol produzieren wir den Wasserstoff durch Energie, die durch Wasserkraft entstanden ist. Dieser Wasserstoff ist tatsächlich nachhaltig, vor allem auch deswegen, da bei der Umsetzung von Wasserstoff in Bewegungsenergie als Nebenprodukt nur hochreines Wasser anfällt. Es gibt sonst technisch keinen anderen Prozess, bei dem man der Natur hochreines Wasser zurückgibt. 2017 hat man in Deutschland berechnet, dass etwa 42 Prozent des erzeugbaren Windstroms nicht verwendet werden konnten, weil dieser Strom zur falschen Zeit produziert wurde. Wir sehen bei Windparks oft, dass sogar ein Großteil der Windräder steht, weil in dem Moment der Strom nicht gebraucht wird. Könnte man den nicht gebrauchten Strom für das Erzeugen von Wasserstoff verwenden, wäre der Strom effizient genutzt. Und weil immer wieder kritisiert wird, man müsse Wasserstoff erst erzeugen – auch Benzin und Diesel kommen nicht einfach so aus der Erde. Erdöl wird mit viel Energie aus der Erde herausgepumpt, raffiniert und über weite Strecken transportiert. Die Effizienz dieses Treibstoffs ist weit geringer als jene des Wasserstoffs, wenn man die gesamte Strecke betrachtet.

Geht in puncto Wasserstoff auch international etwas weiter?
Die stärksten Treiber und Förderer dieser Prozesse kommen aus dem fernen Osten – aus Südkorea, Japan und immer stärker auch aus China. In den USA sind es vor allem Kalifornien, Georgia, South Carolina und Connecticut, die stark einsteigen. In Europa sind es die skandinavischen Länder. Die europäische Autoindustrie hingegen verschläft den Fortschritt und blockiert sogar die Weiterentwicklung. Wenn wir so weitermachen, dann werden die fernöstlichen Länder mit ihren Autos die Vorreiter sein.

Wie wird es in Südtirol weitergehen?
Wir produzieren über ein Jahr hinweg in mehr als tausend Wasserkraftwerken fast doppelt so viel Strom wie wir selber verbrauchen. Allerdings müssen wir im Winter Strom zukaufen, weil die Flüsse dann weniger Wasser führen und die Niederschläge als Schnee in der Höhe liegen bleiben. Dafür haben wir aber die große Menge an Stromproduktion im Frühjahr und Sommer. Wenn man künftig Wasserstoff in größeren Mengen produzieren, ihn bis zum Winter speichern und dann bereitstellen könnte, was technisch durchaus möglich ist, dann wäre das ein enormer Vorteil für Südtirol. Wir wären dann unabhängiger im ganzen Stromgeschehen. Derzeit arbeiten wir aber auch daran, Wasserstofftankstellen entlang der Autobahn zu errichten. Die Strecke München-Verona-Modena ist in Brüssel als der grüne Korridor durch die Alpen bekannt. Es wird daher eine politische Grundsatzentscheidung sein, ob wir mit Wasserstoff ein neues System der Energie aufbauen und eine nachhaltige Mobilität in Südtirol und im Brennerkorridor vorantreiben. Wir sollten dabei nicht vergessen, dass wir den Treibstoff Wasserstoff selbst nachhaltig produzieren, das Geld im Land behalten und Wertschöpfung generieren, anstatt es in politisch instabilen Erdölländern zum Ankauf fossiler Treibstoffe zu verwenden.

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