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Veröffentlicht
am 14.08.2020
LeuteCorona in Thailand

Untergang eines Urlaubsparadieses

Veröffentlicht
am 14.08.2020
Die Bewohner der Insel Ko Samui leben vom Tourismus. Doch die thailändischen Grenzen sind seit Monaten dicht. Ein Expat erzählt, wie Corona sein Leben verändert hat. Ein Gastbeitrag.
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Mein Name ist Daniel Djukic, 38 Jahre alt. Nach dem Studium der Kommunikationswissenschaften in Salzburg bin ich 2009 ausgewandert. Das Bedürfnis nach Veränderung und die Lust auf etwas Exotisches haben mich nach Ko Samui in Thailand geführt. Mit dem Beruf des Tauchlehrers habe ich einen erfüllenden Job gefunden, der mir all die Jahre ein angenehmes Leben ermöglichte. 2012 habe ich meine Ehefrau Ying kennengelernt. Sie ist auf Ko Samui geboren, arbeitete als deutschsprachige Reiseleiterin und betreibt seit 2013 einen Kochkurs für thailändische Küche – eine unter Urlaubern beliebte Beschäftigung. Wie so viele andere hier leben wir also vom Tourismus.

Ende 2019 haben wir uns entschlossen, mit unserem Ersparten ein Grundstück auf der Insel zu kaufen und ein Häuschen zu bauen. Es liegt ruhig und abgelegen inmitten tropischen Dschungelidylls. Hier wollten wir leben und den Kochkurs weiterführen. Mit der Coronakrise kam alles anders.

Inmitten von Geisterstädten

Einen Monat nach Baubeginn unseres Hauses im Februar hat auch Thailand nach längerem Zögern die Grenzen komplett „dicht gemacht“. Es folgten ein teilweiser Lockdown mit Einschränkungen für viele Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche. Ko Samui war für Wochen vom Festland abgeschnitten. Hotels, Restaurants, Tourbetreiber und viele andere mussten schließen. Seitdem gleichen die wichtigsten Touristenzentren der Insel Geisterstädten. Die Bartische und „Rental-Scooter“ haben längst Staub angesetzt. Wo sich an den Abenden tausende Urlauber dicht an dicht drängten, herrscht auch jetzt im August immer noch gespenstische Stille.

Thailand gilt international als Musterschüler im Umgang mit dem Coronavirus: Vergleichsweise wenige positiv Getestete und Verstorbene (3.345 bzw. 58 mit Stand 8. August) bestärken das strikte Vorgehen der Regierung. Die Verantwortlichen rühmen sich dessen, dass es seit über zwei Monaten keine Ansteckungen mehr gab. Dass vergleichsweise erschreckend wenig getestet wird (siehe Grafik unten) und es eine signifikante Dunkelziffer geben könnte, wird öffentlich nicht thematisiert.

Das strenge Vorgehen der Regierung ist besonders kritisch zu sehen, wenn man Thailands Probleme abseits von Corona kennt: Das Land weist eine desaströse Bilanz bei der Zahl der Verkehrstoten aus. Bei etwa 70 Millionen Einwohnern gibt es an die 17.000 Verkehrstote pro Jahr. 58 Menschen – also die Anzahl der in Thailand bisher an oder mit Corona Verstorbenen – sterben hier an Spitzentagen allein im Straßenverkehr. Viele, die hier leben, würden sich wünschen, dass die Behörden gegen Raserei und Alkohol am Steuer ebenso strikt vorgehen, wie gegen eine Pandemie die – zumindest in Thailand – als solche nicht stattgefunden hat.

Mittlerweile haben die Behörden Restriktionen gelockert, in vielen Bereichen geht das Leben auf den ersten Blick normal weiter. Jene Bereiche, die vom internationalen Handel und vom Tourismus abhängig sind, steuern allerdings auf eine wirtschaftliche Bruchlandung zu: Fast 22 Prozent des thailändischen BIPs entfallen direkt oder indirekt auf den Tourismus. Dieser Sektor liegt, da die Grenzen für Reisende nach wie vor geschlossen sind, seit Ende März brach. Besonders Inseln wie Ko Samui, Phuket oder Ko Chang sind stark betroffen.

Die Pleiten werden mehr

Auf Ko Samui standen laut lokalem Tourismussprecher schon im Juni über hundert Hotels zum Verkauf. Die Pleiten werden von Tag zu Tag mehr. Viele Angestellte im Tourismus haben ihre Jobs verloren und die Insel verlassen. Unternehmen haben keinen Cash-Flow, Kredite können nicht beglichen, Mieten nicht bezahlt werden. Staatliche Unterstützung gibt es kaum. Die Banken wurden „ersucht“ billige Kredite zu vergeben. Reale Zuschüsse oder Hilfen gibt es nicht.

Ein Sprecher der Hoteliervereinigung auf Phuket rechnet mit dem Konkurs von 60 Prozent aller Hotels bis Jahresende. Die Regierung setzt auf lokalen Tourismus und bewirbt Urlaub für Einheimische in Thailand. Wir auf Ko Samui merken davon nichts. Obwohl sie schon seit Ende Mai öffnen dürften, bleiben die meisten Hotels nach wie vor geschlossen. Zu hoch wären die Kosten für Gäste, die nur in der Vorstellung der Regierung kommen. Der thailändische Tourismus ist nun mal von ausländischen Urlaubern abhängig. 2019 kamen 38,5 Millionen. 2020 werden es etwa 6 Millionen werden. Die meisten davon waren in den ersten drei Monaten des Jahres hier.

Anfang Juli hatte die Regierung eine sanfte Öffnung für ausgewählte „sichere“ Länder ab September angedacht. Dabei hätte man – unter strengen Maßnahmen wie einer 14-tägigen Quarantäne – an die tausend Touristen pro Tag ins Land gelassen. Doch nach dem jüngsten Anstieg der Ansteckungen in diesen sicheren Ländern (Taiwan, Singapur, Japan, Vietnam standen etwa zur Debatte) verwarf man auch diese Pläne. Aktuell diskutiert man nicht einmal mehr über eine Öffnung der Grenzen für den Tourismus. „Zu den Akten gelegt“, hieß es diese Woche in einer Aussendung des Ministeriums für Tourismus. Der thailändische Chef-Virologe und Berater des Gesundheitsministeriums, Thira Woratanarat von der Chulalongkorn University, rät selbst von einer vorsichtigen Öffnung für Touristen in den nächsten sechs bis 18 Monaten ab. Zu groß sei die Gefahr eines Ausbruchs.

In Sachen Corona sind die Thailänder sehr diszipliniert. Viele tragen Masken, auch wenn Thailand seit etwa zwei Monaten offiziell frei von Corona-Fällen ist und im Freien keine Maskenpflicht besteht. Die meisten unterstützen die Regierung in ihrer Handhabe des Problems. Zu groß ist die Angst, dass das Virus aus dem Ausland eingeschleppt werden könnte. Laut einer im Juli von der Regierung in Auftrag gegebenen Studie sind angeblich 95 Prozent (!) aller Thais für eine weitere Schließung der Grenzen. Es wäre interessant zu erfahren, wie viele sich für strengere Verkehrskontrollen und höhere Bußgelder aussprechen würden.

Für meine Frau Ying und mich und die Einheimischen auf Ko Samui ist das alles eine große Belastung. Direkt oder indirekt ist jeder vom Tourismus abhängig. Selbst der Kokosbauer hat keine Abnehmer, weil die Hotels zu sind. Die Curry-Verkäuferin am Straßenrand setzt nur mehr ein Drittel um, weil ihr ihre Stammkundschaft, zu der etwa Hotelangestellte zählen, abhanden gekommen sind.

Ko Samui fühlt sich leer an. Ich schätze, dass vielleicht die Hälfte der einstigen Bewohner die Insel verlassen hat. Die andere Hälfte kämpft mit Arbeitslosigkeit, geringem Einkommen, fehlender staatlicher Unterstützung und großer Sorge um die Zukunft. Am härtesten trifft es wie immer die, die schon vorher wenig hatten. Gäbe es nicht regelmäßige Spendenaktionen von buddhistischen Tempeln und Initiativen einiger Expats, müssten viele Hunger leiden. Besonders prekär ist die Lage burmesischer Wanderarbeiter. Normalerweise arbeiten sie für Hungerlöhne auf den Baustellen von Luxus-Villen. Nun bleibt ihnen nicht einmal mehr das. In ihren stickig-heißen Wellblech-Behausungen stehen ganze Familien am Abgrund.

Wir selbst haben das Glück, dass uns meine Familie in Österreich finanziell unterstützt. Nachdem wir unser Erspartes in unser neues Heim gesteckt haben, wären wir ansonsten seit etwa zwei Monaten mittellos. Derzeit versuchen wir mit Gartenarbeit und unseren drei Katzen die positiven Seiten dieser unerwartet ruhigen Lebensphase zu sehen. Da wir aber auf lange Sicht kein Licht am Ende des Corona-Tunnels sehen, ist unser tropisches Dschungelidyll zusehends von Sorge und Ungewissheit um unsere Zukunft geprägt.

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