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Matthias Mayr
Veröffentlicht
am 11.05.2015
LeuteAuf a Glas'l mit Filmemacher Peter Ohlendorf

Undercover unter Nazis

Veröffentlicht
am 11.05.2015
Mit seinem Film „Blut muss fließen" gibt Peter Ohlendorf Einblick in die Naziszene. Der Regisseur im Gespräch über junge Nazis, Patriotismus und Freiwild.
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Der gebürtige Münchner Peter Ohlendorf, 63, ist Regisseur, Drehbuchautor und Produzent und bezeichnet sich selbst als „politischen Filmemacher“. Bekannt wurde er vor allem mit dem Film „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“, ein Film über Rechtsrock-Konzerte in Deutschland. Der Film basiert auf den mehrjährigen verdeckten Recherchen des Journalisten Thomas Kuban. Ohlendorf zeigte seinen Film im Meraner Ost-West-Club und in Schulen und diskutierte danach mit den Schülerinnen und Schülern. Beim Interview bestellt er ein Eis, das während des Gesprächs gemütlich vor sich hin schmilzt.

Sind Sie Thomas Kuban?
(lacht) Nein, bin ich nicht. Schon allein meine grauen Haare beweisen das.

Es gibt Perücken…
Oder Glatze … Trotzdem, ich hätte viel jünger sein müssen, um mich in der Naziszene zu bewegen. Jung heißt, nicht älter als 35, 40. Dann sind die meisten weg von den Rechtsrock-Konzerten. Auch viele Nazis führen irgendwann ein scheinbar normales Leben, mit Beruf, Ehe, Familie. Da schiebt man dann den Kinderwagen übers NPD-Sommerfest.

Wissen Sie, was Kuban heute macht?
Ja, er arbeitet als freier Journalist, aber nicht mehr in diesem Bereich. 15 Jahre sind ohnehin zu viel.

Wie reagieren die Menschen auf Ihren Film „Blut muss fließen“ – Undercover unter Nazis“?
Wir sind überrascht, dass der Film so positiv wahrgenommen wird, dass große Ruhe auch bei den Schulvorstellungen herrscht, dass die Diskussionen danach häufig intensiv sind. Das war auch in Meran der Fall. Die Vorführung war ja nicht „verordnet“, sondern die Teilnahme war freiwillig, und doch sind 150 Schülerinnen und Schüler gekommen. Da konnten wir vielleicht etwas bewegen.

Die jungen Menschen sind also scheinbar sensibel für das Thema. Wie erklären Sie sich, dass gerade junge Menschen in diese Szene hineinrutschen?
Es gibt nicht „die“ jungen Menschen. Aber wir merken in den Schuldiskussionen, dass viele junge Menschen sehr in Richtung Heimat und Nation orientiert sind. Da ein Stück Sicherheit suchen. Das kommt direkt aus dem Elternhaus, wenn sie endlich wieder stolz sein wollen. Man lässt die heimatliche Fahne hochleben und hält Werte für wichtig, die in einen Bereich übergehen, wo sich Rechtspopulisten und Rechtsradikale gut einschleichen können und Terrain erobern. Das sieht man in Deutschland bei Pegida. Jugendliche können das noch nicht richtig lesen. Wir müssen aufpassen, dass sie nicht von diesem Patriotismus in den Rechtsradikalismus hineinrutschen.

Wie könnte man das verhindern?
Sensibel machen für Heimat. Was ist Heimat, wie schaut Heimat aus? Reduziert sich Heimat auf meine ethnische Gruppe, oder ist sie offen, gibt es Platz für Vielfalt? Und ist es eine Heimat, in der auch Flüchtlinge Raum bekommen? Wenn Heimat das bietet, wenn Heimat und UN-Menschenrechtscharta sich verbinden, dann kann Heimat Sinn machen.

Sie hatten große Schwierigkeiten, eine Finanzierung für Ihren Film zu bekommen, und haben immer noch keinen Vertrieb.
Wir haben den Film mit großen Schulden realisiert. Und dann selber FilmFaktum gegründet, für den Vertrieb. Zu der Zeit, als der Film produziert wurde, waren Nazis so gut wie kein Thema in Deutschland. Da war die Rede vom islamistischen Terror, Nazis kamen irgendwann auf Platz zwei, und dann sofort sogenannter linker Terror. Der sei gefährlicher als Nazis, so der weit verbreitete Tenor. Aber die Statistiken geben ganz klar her, dass in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland die Nazis gemordet haben. Dass man da so vorbeischauen kann, dass man das so umdreht, ist extrem bedenklich. Wie kann es sein, dass diese Ideologie immer wieder kleingeredet wird?

Ist der Staat auf dem rechten Auge blind?
Nicht einheitlich. Aber es gibt Vertreter dieses Staates in Deutschland, die auf dem rechten Auge massive Unschärfen haben, wie ich zu sagen pflege. Dieses Phänomen hat ja sofort nach dem zweiten Weltkrieg begonnen. Schauen wir lieber nicht zu genau hin, wir wollen uns dem nicht stellen.

„Nazis raus!” ist ein beliebter Slogan. Aber wohin mit ihnen?
Die Frage ist: Wie schaffen wir es, keine Nazis mehr zu haben? Dafür braucht es Prävention, vor allem bei den Jungen. Wir dürfen Räume wie die „Heimat“ nicht den Nazis überlassen. Wir müssen Heimat anders definieren, und wir haben schon viel zu lange damit gewartet. Die Rechten gewinnen so an Boden!

Sie bezeichnen sich als politischen Filmemacher. Wie schaffen sie den Spagat, trotzdem objektiv zu berichten?
Ich bin ein politischer Mensch. Gehöre aber als Journalist und Filmemacher bewusst keiner Partei an. Denn ich habe mein Radarsystem offen zu halten, in alle Richtungen. Ich muss schauen, was in der Gesellschaft passiert, diese Grundströmungen muss ich aufnehmen. Muss beobachten, was vielleicht falsch läuft, muss beleuchten, analysieren und so meine Themen setzen.

Die Band Freiwild wird Ihnen nicht unbekannt sein. Werden ihre Lieder auf diesen Rechtsrockkonzerten gespielt?
Freiwild spielt in der Konzertszene, über die wir im Film berichten, keine Rolle. Es ist ja keine Naziband, keine rechtsradikale Band, das muss man ganz klar sagen. Aber Freiwild kann in diese Welt hineinführen. Freiwild intoniert Töne, die mit fast schon militantem Patriotismus untermalt sind, sie definieren Heimat sehr exklusiv, schotten sich ab gegen andere, die in diese Heimat kommen. Das darf nicht sein, dem müssen wir entgegentreten.

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