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Es gehört eine ordentliche Portion Mut dazu, mit 20 Jahren nach Afrika aufzubrechen und dort in die Slums zu gehen, um Menschen zu helfen. Wie viel Mut es braucht, dann auch noch eine eigene Hilfsorganisation tausende Kilometer fernab der Heimat zu gründen, kann wohl nur erahnt werden. Fest steht: Isabell Öttl aus St. Martin in Passeier hatte diesen Mut vor vier Jahren und ist heute noch froh darüber. Wenn sie die Jugendlichen beim Fußballspielen sehe, weiß sie, das Richtige getan zu haben, sagt die 24-Jährige heute.
Eine Frau voller Tatendrang
„Eigentlich bin ich durch Zufall nach Nairobi gekommen“, erzählt Isabell Öttl von den Anfängen im Jahr 2009. Die Ordensschwester Iwanna leitet in der Hauptstadt Kenias ein Altenheim und war gerade auf Heimaturlaub in St. Martin. Da hat Isabell beschlossen, mit ihr nach Afrika aufzubrechen. „Zuerst habe ich als Musiklehrerin in Schulen gearbeitet, dann auch Aufklärungsarbeit gemacht. Aids ist in Kenia ein ganz großes Thema.“ Schon bald hatte sie den Wunsch, eine eigene Hilfsorganisation für Jugendliche zu gründen. Die seien es nämlich, die häufig außen vor bleiben, Organisationen für Kinder gäbe es einige, so Isabell. Da die junge Pseirerin schon immer eine Frau der Taten war, zögerte sie nicht. Bereits im Jänner 2010 gründete sie mit drei kenianischen Freunden die Organisation Creative Hands Initiative, die 2012 registriert wurde und damit eine offizielle kenianische Non-Profit-Organization ist.
Creative Hands steht für die Talentförderung von jungen Menschen in den Bereichen Sport, Kunst und Musik. Derzeit gibt es eine Yoga-, zwei Artisten- und drei Fußballgruppen mit eigenen Trainern. Die Fußballer nehmen heuer sogar an den regionalen Meisterschaften teil, erzählt Isabell stolz von ihren Schützlingen. Die Creative Hands Initiative unterstützt die Gruppen da, wo sie es brauchen. Zunächst schon bei der Gruppenbildung und Platzsuche, dann mit der Bezahlung von Trainern, Materialien und was sonst noch anfällt. Wichtig ist der aufgeweckten Pseirerin bei der Entwicklungshilfe aber, dass nicht zu viel Eingreifen ihrerseits nötig ist. „Ziel ist es, dass die Gruppen selbstständig werden und irgendwann keine Hilfe mehr brauchen. Überhaupt ist es bei den meisten Problemen wichtiger, mehr zu beobachten und nicht gleich einzugreifen. Die Einheimischen selbst haben oft die besten Erklärungen für die Probleme. Wenn wir Europäer immer von oben herab mit Lösungen kommen, hilft das meist nichts.“
„Jeder hat ein Talent”
Die größten Probleme in den Armenvierteln und Slums von Nairobi seien die hohe Kriminalität und die Arbeitslosigkeit, die vor allem Jugendliche betreffe. Hier versucht die Creative Hands Initiative anzusetzen. Den Jugendlichen, die in ihrem Leben schon sehr viel Gewalt miterlebt haben, will man mit der Talentförderung eine Alternative bieten. „Jeder hat ein Talent. Das muss man dann fördern. So lernen die Jugendlichen auch mit ihren Gefühlen besser umzugehen“, erklärt die 24-Jährige das Konzept ihrer Organisation. Mittlerweile werde die sehr gut angenommen, sagt die 24-Jährige. „Zu Beginn hat man uns noch etwas skeptisch betrachtet. Aber jetzt wissen die Leute, dass wir nicht nur mal für ein Jahr da waren, sondern dass wir längerfristig hier bleiben, sie unterstützen und für die Zukunft planen.“ Als einzige Weiße in den kenianischen Slums hätte sie nie Probleme gehabt, meint Isabell. Das Wichtigste sei einfach, die Sprache zu lernen. Heute spricht sie fließend Swahili und die Jugendsprache, eine Mischung aus mehreren Stammessprachen und Englisch. Das lerne man alles im direkten Kontakt mit den Menschen.
Das große Ziel der Creative Hands Initiative hat Isabell stets vor Augen. In den kommenden Jahren arbeiten alle darauf hin, eine Schule mit eigenem Talentcenter zu bauen. So könnten auch die Chancen der Jugendlichen auf einen Job erhöht werden. Dieses Vorhaben ist aber ein Großprojekt, das über längere Zeit geplant werden muss, weiß sie. Bis jetzt kann das ganze Geld der meist privaten Spender für die Unterstützung der Sportgruppen verwendet werden. Isabell selbst verdient ihr Geld in Südtirol, derzeit mit Kellnern. Sobald Zeit und Geld wieder reichen, wird sie sich erneut für ein paar Monate in den Süden verabschieden. So ganz von der Heimat trennen, wird sie sich aber nicht können: „Ich bin sehr flexibel. Man weiß nie, was das Leben einem alles bringt. Aber ein hin und her wird es vermutlich immer sein.“
Isabell Öttl ist froh, diesen großen Schritt vor vier Jahren gewagt zu haben. Die Arbeit mit Jugendlichen erfülle sie sehr: „Da kommt einfach ganz viel zurück. Man muss nicht immer etwas bekommen, das man in Händen halten kann. Oft reicht auch schon ein Lachen und ein Funkeln in den Augen“.
Am morgigen Samstag, 31. August, sammelt Isabell im Bootshaus in Meran Spenden für ihre Initiative. Die Benefizveranstaltung mit Musik und einer Bilderversteigerung beginnt um 16 Uhr.
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