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33 Kilo trotten über die Wiese. Die schwarze Mischlingsdame steckt ihre feuchte Nase ins warme Gras und schnüffelt unbekümmert an den Halmen, läuft über die Wiese, zwischen Apfelbäumen hindurch und bleibt hie und da wieder mal stehen, um zu schnüffeln. Sie scheint alles um sich herum auszublenden, bis zwei kurze Pfiffe ertönen. Der schwarze Kopf blickt auf, lauscht und stürmt los. Frauchen Lisa Holzner steht am Wegrand und empfängt ihre Hündin Leyla mit einem langgezogenen, freudigen „Suuuper“.
Dass sie so gut gehorcht, war nicht immer so. Noch vor gut zwei Jahren wäre eine so prompte Reaktion auf ein Kommando undenkbar gewesen. Und genau das war auch der Grund, warum sich Holzner immer mehr mit dem Thema Hundeerziehung beschäftigte und schließlich eine Ausbildung zur Hundetrainerin absolvierte. Seit Anfang des Jahres hilft die Lananerin auch anderen Hundebesitzern bei Problemen mit ihren Hunden.
Vor vier Jahren zog Holzner von zu Hause aus und holte sich ein zehn Wochen altes schwarzes Fellknäuel. „Ganz blauäugig von irgendeinem Bauernhof, wo sie nichts kennengelernt hat“, sagt sie heute. Mittlerweile weiß sie, dass die Entwicklung eines Hundes vor allem dadurch beeinflusst wird, wie er aufwächst und die ersten Wochen und Monate verbringt. „Leyla war total überfordert und ich habe am Anfang viel falsch gemacht“, weiß Holzner nun. Sie habe es zu gut gemeint damals, sagt sie. Die frisch gebackene Hundebesitzerin ging so lange spazieren, bis ihr Welpe nicht mehr weitergehen wollte, besuchte Welpenspielgruppen, die jedes mal in einem kleinen Chaos endeten, und nahm Leyla überall hin mit. „Ich habe sie einfach überfordert“, sagt sie. Ein Fehler, der den meisten Ersthundebesitzern passiert, denn weniger ist mehr.
Die Faustregel für einen Hund, der noch nicht ausgewachsen ist, lautet: Nur so lange spazieren gehen, wie alt er ist. Mit einem 16 Wochen alten Hund heißt das am Stück nur 16 Minuten – eine eventuelle Autofahrt mitgerechnet. Für den Hund ist alles neu und er muss Zeit haben, alles zu verarbeiten. „Natürlich muss man dann öfters am Tag raus“, so Holzner. Macht man aber zu viel, überdreht der Hund schnell. Das merkt Holzner auch heute noch bei ihrer Hündin. Manche Situationen stressen Leyla. Aber damit kann ihre Besitzerin jetzt umgehen und auch anderen dabei helfen.
„Sehr viele meiner Kunden haben Probleme bei Hundebegegnungen“, sagt Holzner, während sie mit ihrer Hündin ein paar Tricks vorführt. Entweder fixieren Hunde ihre Artgenossen, bellen oder haben Angst. Viele zeigen das Problem nur an der Leine. „Schuld ist der Mensch. Wenn er nervös wird, die Leine spannt oder den Hund zu sich zieht, sendet er Signale an den Hund, dass etwas nicht in Ordnung ist.“
Hundebesitzer kontaktieren Hundetrainer wegen vielseitiger Erziehungsfragen, aber immer öfter auch, um Verhaltensstörungen wie Angst, Aggression oder Hyperaktivität zu behandeln. Vor einigen Wochen wird die Hundetrainerin zu einem besonders schwierigen Fall gerufen. Ein großer Schäferhund, der schon mehrmals gebissen hat – die Besitzer wissen sich nicht mehr zu helfen. „Die Hauptursache war, dass der Hund bisher falsch erzogen wurde. Mit Zwang, Druck und Gewalt“, so Holzner, die jede Form von Gewalt und Schreckreizen ablehnt. „Stachel-, Würge- und Sprühhalsbänder sind nun seit zwei Jahren offiziell verboten. Leider halten sich einige nicht an dieses Gesetz und setzen solche Grausamkeiten noch immer als Erziehungsmaßnahme im Training ein“, sagt Holzner. Und genau dadurch mache man sich die Bindung und das Vertrauen vom Hund kaputt, was neben Konsequenz und Liebe eine der wichtigsten Grundsteine in der Hundeerziehung sei.
Zu der falschen Erziehung des Schäferhundes kam noch hinzu, dass er nicht alleine bleiben konnte und falsch beschäftigt wurde – man hat ihm vor allem Stöcke und Bälle geworfen, wodurch er noch gestresster wurde. „Das sind alles Faktoren, die zusammenspielen. Irgendwann ist der Hund dann explodiert.“ Jetzt haben die Besitzer Angst, dass es wieder passiert und sich professionelle Hilfe gesucht. Eine Entscheidung, die sie bereits früher hätten treffen sollen, denn wenn ein Hund schon mal gebissen hat, hat er bereits eine tiefsitzende, schlechte Erfahrung gemacht.
Zunächst muss der Rüde in bestimmten Situationen von den Besitzern durch einen Maulkorb und eine Leine gesichert werden. Dann kommt der nächste Schritt: die Trennungsangst in den Griff bekommen, damit der Hund vom Stress runterkommt, den er tagtäglich hat. Ballspiele sind tabu – stattdessen gibt es Suchspiele und Nasenarbeit. Jetzt muss der Hund langsam lernen, dass er nicht beißen muss, sondern auch anders kommunizieren kann. „Jeder Hund sendet Signale. Beißen ist die letzte Stufe der Kommunikation“, so Holzner. Verbietet man seinem Hund gewaltsam, Drohsignale zu geben, wie Zähne zeigen oder knurren, dann lernt er, dass dieses nichts bringt und beißt ohne Vorwarnung zu. „Trotz intensivem Training bleibt aber immer ein Restrisiko. Bei keinem Hund kann man sagen, der beißt nie.“ Es sei wichtig zu akzeptieren, dass man mit seinem Hund auch an Grenzen kommt, erklärt Holzner. Nicht jeder Hund kann gleich perfekt funktionieren, denn jeder Hund ist anders.
Um einige Probleme von vorn herein zu vermeiden, ist es wichtig, schon bei der Anschaffung einiges zu beachten. Jeder Mensch hat andere Lebensumstände, in die ein Hund passen muss. „Wenn ich jeden Tag joggen gehe und mein Hund mich begleiten soll, dann werde ich mir eine sportliche Rasse anschaffen und keinen Bernhardiner“, sagt Holzner und lacht. Als Familienhund sind beispielsweise Retriever-Rassen geeignet, nicht aber ein Bordercollie oder Schäferhund aus der Arbeitslinie. Sie sind zum Arbeiten gezüchtet und brauchen artgerechte Beschäftigung, was nicht heißen soll, dass ein reiner Familienhund keine mentale Beschäftigung braucht. „Ein Hund muss aber auch Hund sein dürfen“, sagt Holzner und blickt zu ihrer Hündin, die gerade dabei ist, ein Loch in den Wiesenboden zu graben. Die hebt ihre erdige Schnauze, als wolle sie ihrem Frauchen zustimmen.
Das Aus-Signal
Der Hund soll einen Gegenstand oder Futter, das er nicht fressen soll, loslassen.
Schritt 1: Zu Beginn der Übung bekommt der Hund für eine Zeitlang ein Spielzeug, was er gerne mag, zum Beispiel einen Ball.
Schritt 2: Hat der Hund den Ball im Maul, hält man ihm ein Leckerli hin, was er bekommt, sobald er den Ball fallen lässt. Diesen Schritt wiederholt man einige Male.
Schritt 3: Jetzt hält man dem Hund die leere Hand vor und belohnt ihn mit einem Leckerli, wenn er den Ball auslässt.
Schritt 4: Nun kommt ein Wort dazu – am besten eines was der Hund nicht kennt, wie „meins“. Man sagt „meins“, hält die Hand hin, die nun als Sichtzeichen dient, lobt und belohnt, sobald der Hund den Ball losgelassen hat.
Tipp: Eine Belohnung kann auch ein kurzes Spiel sein.
Wichtig: Bei den ersten Trainingseinheiten dem Hund nie den Gegenstand wegnehmen, denn sonst passiert es, dass er ihn wegbringen möchte.
Abbruchsignal
Der Hund soll das, was er gerade macht, unterbrechen, egal was es ist.
Schritt 1: Man wählt ein Wort, was einem nicht so schnell über die Lippen kommt, damit man es nicht unbewusst einsetzt, zum Beispiel: „lass es“. Man hält ein Leckerli in der Hand, lässt den Hund ein paar mal fressen und sagt dabei immer „nimm es“.
Schritt 2: Man hält das Leckerli in der Hand, so dass der Hund nicht ran kommt, und sagt „lass es“. Das wiederholt man so lange, bis der Hund nicht rangehen will. Wichtig: Der Hund darf das Leckerli nicht kriegen, wenn man „lass es“ sagt.
Schritt 3: Versucht der Hund das Leckerli nicht mehr zu stehlen, lobt man ihn und sagt „nimms“. Wichtig: Erst danach kriegt der Hund die Belohnung.
Leinenführigkeit
Eine Übung die hilft das Ziehen an der Leine zu unterlassen.
Schritt 1: Man legt einen Napf mit Futter aus und nimmt den Hund an die lockere Leine. Der Hund soll das Futter sehen.
Schritt 2: Man geht mit dem Hund Richtung Napf. Wenn er zieht, bleibt man so lange stehen, bis sich die Leine lockert.
Schritt 3: Lockert der Hund die Leine von selbst, darf er zum Napf hin und fressen.
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