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Am 26. und 27. Mai findet in Japan das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G7 statt, der sieben wichtigsten Industrieländer. Deutschland, USA, das Vereinigte Königreich, Kanada, Japan, Frankreich und Italien setzen sich dann an einen Tisch und diskutieren über das weltweite Wirtschaftswachstum, die Flüchtlingskrise, Terrorismus und verschiedene außenpolitische Fragen.
Im Vorfeld dieses G7-Gipfels haben sich Ende April in Tokyo 40 young professionals aus sieben Ländern getroffen. Neben stundenlangen Diskussionen gab es bei diesem sogenannten Y7 Summit auch gemeinsame Abendessen und japanische Tänze. Eine von insgesamt fünf EU-Delegierten war die Meranerin Alexia Lochmann. Die 26-Jährige lebt zurzeit in Paris. Nach ihrem Doktor der Philosophie an der Sorbonne in Paris bekam sie hier vor einem Jahr einen Forschungsvertrag.
Wie kam es dazu, dass du eine der Y7 geworden bist?
Drei bis vier Monate vor dem Y7 wurde er ausgeschrieben. Ich habe mich online beworben und musste gewisse Fragen zu mir und meiner Motivation beantworten. Daraufhin gab es ein Skype-Gespräch, in dem vor allem darauf geachtet wurde, wie man debattieren kann. Ich musste spontan antworten und argumentieren. Es hat mich sehr gefreut, dass das dann auch geklappt hat. Bald darauf habe ich die anderen vier young professionals über Skype kennengelernt, da wir alle aus unterschiedlichen Ländern stammen. Helen ist aus Frankreich, wohnt jetzt aber in Argentinien, Kaspar ist aus Deutschland und wohnt zurzeit in China – er spricht fließend elf Sprachen. Olga ist aus Polen und studiert zurzeit in den USA, Melanie aus England in Schweden. Einmal pro Woche haben wir uns für zwei Stunden über die Themen ausgetauscht und die Reise organisiert.
Wie aufwändig waren die Vorbereitungen?
Die Vorbereitung war sehr aufwändig. Jedes Land hat zu jedem Thema einige Gedanken zusammengeschrieben und beim Summit mit allen diskutiert. Jeder Themenbereich hatte einen eigenen Konferenzraum. Wir haben viel gearbeitet. Total schön war, dass immer wieder auch Experten dazu kamen – einmal sogar eine Astronautin. Sie erzählten uns über ihre Erfahrungen.
Die drei Themenblöcke des Y7 waren „internationale Sicherheit, Terrorismus und Flüchtlinge“, „nachhaltige Entwicklung“ und „Arbeit und Wirtschaft“. Welche waren dir besonders wichtig?
Wichtig sind alle drei. Jeder Delegierte hatte aber einen Zuständigkeitsbereich. Meiner war die internationale Sicherheit mit Schwerpunkt Flüchtlinge. Das Thema liegt mir sehr am Herzen, weil ich auch in diesem Bereich arbeite.
Welche Lösungsvorschläge habt ihr zu den einzelnen Themen konkret erarbeitet?
Wir haben uns überlegt, welche neuen Ideen wir bringen können. Wir wollten weg von Vorschlägen, die sowieso schon diskutiert werden. Beim Thema Flüchtlinge sind zwei gezielte Maßnahmen herausgekommen: Wir haben einmal ein Buddy-Programm vorgeschlagen. Junge Flüchtlinge sollten dabei mit gleichaltrigen Einheimischen zusammenkommen, um sich mit ihnen auszutauschen und sich dadurch zu integrieren. Wir möchten auch, dass es für junge Flüchtlinge einfacher ist, an eine Universität zu kommen und wollen das mit Sponsorships finanzieren. Auf meiner Universität existiert so etwas bereits, das sollte man aber auf die anderen G7-Länder ausweiten. Wir wollten den Staatschefs einfach innovative Ideen mitgeben. Ein weiteres großes Thema war die alternde Gesellschaft. Wir haben spezielle Ideen entwickelt, wie wir als junge Generation der älteren helfen können und umgekehrt und wie man gemeinsame Arbeitsmöglichkeiten und Wohngemeinschaften zwischen den Generationen schafft. Am letzten Tag haben wir unsere Ideen auf einem fünfseitigen DinA4 Dokument festgehalten. Es wurde von allen Delegierten einstimmig akzeptiert und bereits den Staatschefs überreicht. Ich bin total froh mit unseren Ergebnissen, weil sie realistisch sind.
Wie kann aus eurer Sicht das Thema Flüchtlingskrise bewältigt werden?
Ein wichtiger Punkt ist, dass im gesamten Prozess – vom Verlassen des Krisenlandes bis zum Transit und zur Aufnahme im neuen Land – die Menschenrechte respektiert werden müssen. Man sollte solchen Menschen in Zukunft die Möglichkeit geben, auf legalem Weg ihr Land zu verlassen und einzuwandern, damit man ihnen die Strapazen der Reise erspart. Ich betreue in diesem Jahr drei Flüchtlinge aus Syrien, die an meiner Uni studieren dürfen. Sie sind hergekommen und waren einfach nur dankbar. Ich kriege immer noch Gänsehaut, wenn ich davon spreche. Sie haben alles verloren. Und nicht nur sie finden es wichtig, dass man den Menschen vor Ort sagt, welche Möglichkeiten es gibt, legal auszuwandern. Menschenhandel ist ein großes Problem. Hier sind vor allem junge Leute und Kinder die größten Opfer. Ein anderer, ganz wichtiger Punkt ist die Integration. Migranten müssen schnell und gut integriert werden. Sie sollen Sprachkurse machen und Zugang zu Schulen, Universitäten aber auch zum Arbeitsmarkt haben. Zwar können immer mehr Flüchtlinge studieren, aber es ist immer noch sehr schwierig für sie, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Welche weiteren wichtige globalen Themen gehören stärker in den Fokus?
Ein ganz großes Thema ist der Klimawandel, der auch zum Thema „nachhaltige Entwicklung“ gehört. Das stand aber nicht zur Debatte, denn uns wurden alle Themen vorgegeben. Auch am Summit selbst gab es darüber eine Debatte, weil viele der Abgeordneten sagten, sie wollen das Thema drin haben. Andererseits kann man leider auch nicht alles diskutieren. Man muss sich eben auf gewisse Themen fokussieren.
Welchen Einfluss hat überhaupt der Y7 auf den G7? Oder ist das ein reiner PR-Gag?
Wir hoffen natürlich, dass er Einfluss hat und dass es nicht nur bei Worten bleibt. In den vergangenen Jahren hatte er aber bereits Einfluss. Es wurden einige Klauseln im G7- und G20-Gipfeltreffen eins zu eins von der Jugenddeklaration übernommen. Die letzten beiden Y7 Gipfel wurden leider abgesagt. Es war schön, dass sich Japan so viel Mühe gegeben hat, das in diesem Jahr zu organisieren. Es bleibt weiterhin ein wichtiges Medium zwischen der Jugend und den Staatsoberhäuptern. Wir young professionals möchten auch zur Europäischen Kommission, um dort unsere Arbeit vom Y7 vorzustellen.
Der G7-Gipfel wird von Demonstranten und Oppositionspolitikern oft kritisiert: Viel Geld für wenig Ergebnisse. Was sagst du dazu?
Ich finde, es ist kein verschwendetes Geld, weil man die ganzen Staatschefs einmal an einen Tisch setzt, was sonst eh nie passiert. Das ist wichtig. Die andere Frage ist, ob die Themen dann auch umgesetzt werden. Die brennenden Themen müssen sicher in nächster Zeit umgesetzt werden, deswegen bin ich zuversichtlich, dass da auch etwas passiert und sich die Länder gegenseitig helfen. Einige Themen werden aber sicher hinten angestellt.
Müssten aber nicht alle Länder, also auch etwa China, Indien oder Russland dabei sein? Hat der Gipfel ohne diese Player überhaupt einen Sinn?
Wir haben auch darüber diskutiert, ob es sinnvoll ist, dass nur die sieben Länder plus die Europäische Union dabei sind. Einerseits sollte mal darüber nachgedacht werden, andererseits finde ich es auch gut so. Sieben Stimmen können besser diskutieren als zwanzig und somit ist es effizienter. Und schließlich gibt es ja auch den G20-Gipfel, wo 20 Länder beteiligt sind.
Jetzt nach dem Y7 bist du wieder zurück in Paris, wo du an einem Projekt zur schnellen Integration in Zusammenarbeit mit dem französischen Innenministerium arbeitest. Was genau beinhaltet das Projekt?
2007 hat Frankreich eine neue Integrationspolitik eingeführt. Sie beinhaltet Sprachkurse, Training zu den Werten und zum Leben in Frankreich. Jetzt möchten sie eine Auswertung des Programms. Meine Aufgabe ist aktuell, das Sprachtraining auszuwerten und zu schauen, wie sich die Migranten integriert haben. Ein weiteres Projekt wurde gestartet, das dann gezielt für Flüchtlinge sein wird.
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