Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus
Feiner weißer Staub wirbelt auf, wenn sich Sara Bachmann an die Arbeit macht. Trotz dickem, grauen Abzugsschlauch ist auch der Boden mit einer dünnen Staubschicht bedeckt. Es ist laut. Mit dunkelblauem Ohrenschutz und Schutzbrille auf der Nase steht sie vor dem halbrunden Marmorblock, den Druckluft-Meißel in der rechten Hand. Mit der linken führt die Berufsschülerin die Maschine. Die Arbeit sieht einfach aus. Der Meißel frisst sich scheinbar mühelos durch den Stein. Dabei ist es gar nicht so leicht, handwerkliche Begabung wird vorausgesetzt. Dann komme laut Sara mit der Zeit das Gefühl gleichmäßigen Druck auszuüben und damit den Marmor zu bearbeiten. Laaser Marmor, um genau zu sein – damit arbeitet die 19-Jährige wegen dessen Härte nämlich am liebsten. Spalten, behauen, schleifen und polieren gehören später zu ihren täglichen Aufgaben als Steinmetzin.
Im oberen Stock der Berufsfachschule für Steinbearbeitung modellieren die Schüler der vierten Klasse konzentriert ihre Steinblöcke. „Durchbruch“ ist das vorgegebene Thema, zu dem sich alle einen Stein aussuchen und ihrer kreativen Ader freien Lauf lassen können. Heute haben sie damit angefangen und lassen ihre Druckluft-Meißel im Takt rattern.
Grabmale und Gedenksteine, Restaurierungen, Fassaden oder Arbeitsplatten: Alles was mit Naturstein zu tun hat, fällt in den Aufgabenbereich eines Steinmetzes und Steinbildhauers. Die Schule im Marmorort Laas bietet für den Handwerksberuf eine Vollzeit-Fachausbildung.
Sara wusste nach der Mittelschule nicht, dass es überhaupt eine Schule für Steinbearbeitung gibt. Erst durch eine Freundin erfuhr sie davon und wechselte nach zwei Jahren Hauswirtschaftsschule in Kortsch auf die Berufsschule. Besonders ihre Familie überraschte diese Entscheidung. Dabei ist Steinmetz keineswegs ein reiner Männerberuf, obwohl sich Sara sicher ist: „Als Mädchen ist es schwierig eine Arbeit als Steinmetz zu finden.“ Sie seien vor allem für Feinheiten wie Schriften zuständig. Auf einem Bau könnte man kräftemäßig nicht viel mit ihnen anfangen, sagt sie, als sie mir in einem Raum voller Büsten und Skulpturen aus Marmor eines ihrer Werke zeigt: eine geometrische Skulptur für den Garten. Rund, eckig und viel zu schwer zum einfachen Hochheben.
Beim Bearbeiten des Steins ist der Latscherin ein Stück abgebrochen. Das passiere am Anfang oft. „Aber dafür gibt es Spezialkleber“, sagt sie und lacht. Oder man müsse improvisieren und die Skulptur anders machen. Bei der aktuellen Arbeit passiert ihr dieses Missgeschick hoffentlich nicht – trotz Zeitdruck. Für die Bearbeitung des Marmorblocks hat die Schülerin bei acht Stunden Praxis pro Woche nur bis Ende September Zeit.
Sara nimmt ihren Ohrenschutz ab, dreht den Marmorblock und erklärt ihre Arbeitsschritte: „Zuerst wird das Grobe gemacht, erst dann wird auf die Details eingegangen. Zum Schluss folgen die Feinheiten.“ „Das Grobe“, wie sie sagt, wird vor allem mit druckluftbetriebenen Hämmern und Meißeln ausgeführt. Bei größeren Arbeiten kommt auch mal ein Winkelschleifer oder eine Brückensäge zum Einsatz. Am Ende einer jeden Arbeit folgen die Schleifsteine.
Vom zweiten bis zum vierten Oktober finden in der Messe Bozen die „Worldskills Italy 2014“ statt – die Landesmeisterschaft des Berufe des Handwerks und der Gastronomie. Sara hat sich angemeldet und erhofft sich ein gutes Resultat und am besten auch noch eine Qualifikation für die Weltmeisterschaft nächstes Jahr in Sao Paolo. Dort treten die Siegermannschaften der nationalen Ausscheidung gegen 64 andere Nationen in den verschieden Berufen an. „Das möchte ich schon gerne“, sagt Sara und lächelt. Man spürt, dass sie mit Begeisterung an die Meisterschaft herangeht und ihren Traum mit harter Arbeit erreichen möchte. Um bestmöglich vorbereitet zu sein, werden an der Schule Simulationen durchgeführt. Neben Sara nehmen noch zwei weitere Schüler der Berufsfachschule für Steinbearbeitung in Laas an den Worldskills teil.
Auch in ihrer Freizeit macht die Vinschgerin zu Hause gerne Steinmetzarbeiten. Im Winter ist sie viel unterwegs. Naturbahnrodeln gehört neben der Steinbearbeitung zu ihrer großen Leidenschaft. Bisher erzielte sie mehrere Podestplätze, darunter einen dritten Platz der Juniorenweltmeisterschaften und einen fünften Platz bei den Junioreneuropameisterschaften. 2011 konnte sie sich für die Weltmeisterschaft in Österreich qualifizieren, wo sie als jüngste Starterin den sechsten Platz im Einsitzer der Damen erreichte. Ihr bisher größter Erfolg: der erste Platz der Junioreneuropameisterschaft in Russland 2013. Auch einer sportlichen Karriere von Sara stünde nichts im Wege. Zuerst liegt aber noch ein Schuljahr vor der Schülerin, in dem sie sich als Steinbildhauerin weiterbildet. Was sie nach dem Abschluss macht, weiß sie noch nicht. „Ich habe noch nicht wirklich ein Ziel, ich lasse mir einfach alles offen“, sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht. Der Marmorblock, den sie gerade bearbeitet, wird aber sicher nicht der letzte sein, dem sie Leben einhauchen wird.
Weitere Informationen zur Landesmeisterschaft der Berufe und Worldskills gibt es hier.
Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support