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Die wirtschaftliche Chancen einfordern – und sie nutzen: Kathrin Pichler ist davon überzeugt, dass eine neue Bewegung der Frauenpower, besonders in den ökonomischen Bereichen, spürbar ist. Die Leiterin der Abteilung Innovation und Neue Märkte im lvh.apa, selbstständige Unternehmerin, angehende Mentaltrainerin sowie Präsidentin des Vereins wnet – networking women teilt mit BARFUSS ihre Erfahrungen, Tipps und Tricks und Gedanken zur Stellung der Frau in Südtirols Wirtschaft.
BARFUSS: Es scheint, es gibt aktuell viel Bewegung in Südtirol, was Female Empowerment, Feminismus und vor allem auch die berufliche Weiterentwicklung betrifft. Wie siehst du das?
Kathrin Pichler: Ja, es tut sich momentan sehr sehr viel. Ich habe den Eindruck, dass sich Frauen vermehrt über die immer noch vorherrschenden Ungerechtigkeiten bewusst werden und nun selbst aktiv werden – auch dank der neuen Medien. Instagram, YouTube und Podcasts sind aktuell beliebte Mittel, um auf einer Seite Frauenthemen in den Fokus zu rücken und zu sensibilisieren, auf der anderen Seite um sich selbst auszuprobieren und die eigenen Möglichkeiten, Talente und Interessen auszutesten. Es zeichnet sich immer wieder ab: Die Probleme einer einzelnen Frau sind meistens die Probleme vieler, umso mehr freut es mich zu sehen, dass sich so viele Frauen unterschiedlichen Alters engagieren. Sie erheben ihre Stimme.
Liebe Frauen, lasst euch nicht kleinreden! Von niemandem.
Du hast in deinen unterschiedlichen Tätigkeiten tagtäglich mit Frauen zu tun, die sich beruflich und persönlich verändern möchten. Warum glaubst du, ist aktuell ein so großer Drang da, ein eigenes Business aufzubauen?
Seit ich mit meinem Unternehmen selbstständig geworden und doch sehr viel in Kontakt mit anderen bin, merke ich, wie viele Frauen eigentlich daran interessiert und sehr wohl auch schon gut informiert sind. Mittlerweile gibt es viel mehr Möglichkeiten und Geschäftsmodelle, die auch steuerlich attraktiv sind. Das Regime forfettario ist so ein Steuersystem, das es einem etwas einfacher macht, in die Selbstständigkeit einzusteigen – gerade was den Dienstleistungssektor betrifft. Die Kompetenzen sind vorhanden und Frauen nutzen sie.
Es sieht schon mal gar nicht so übel aus: Die Zahlen weiblicher Unternehmen steigen! Ende 2022 waren rund 11.114 Frauenunternehmen im Handelsregister der Handelskammer Bozen eingetragen, das sind 18,2 % der Südtiroler Unternehmen und 177 Betriebe mehr als noch im Vorjahr. Die meisten mehrheitlich von Frauen geführten Unternehmen finden sich dabei im Gastgewerbe (26,4 %), im Dienstleistungssektor (25,7 %) sowie in der Landwirtschaft (25 %).
Aber: Bei wichtigen Entscheidungspositionen ist noch Luft nach oben … Hier sind Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert. Das hängt auch mit dem Phänomen der „gläsernen Decke“ zusammen, das nicht sichtbare Barrieren meint, die Frauen am beruflichen Aufstieg hindern. Das WIFI organisiert daher jährlich zusammen mit der Frauenakademie des Landesbeirates für Chancengleichheit der Provinz Bozen einen Lehrgang für angehende Verwaltungsrätinnen, in dem Frauen auf die Aufgaben in einem Vorstand oder einem Verwaltungsrat vorbereitet werden.
Wie werden Frauen beruflich hierzulande sonst noch gefördert?
Hier ist es wichtig, zu unterscheiden, von welcher Art der Förderung wir sprechen.
Bei der finanziellen Förderung wird in der Regel nicht zwischen Mann und Frau unterschieden. Als förderfähig gelten übrigens jene Unternehmen, die in der Handelskammer eingetragen sind. Hier sind durchaus interessante Förderungen abzuholen. Der Voucher „Digitalisierung für Kleinstunternehmen“ ist ein Beispiel dafür. Weitere Förderungen vergibt das Amt für Innovation. Diese sind interessant, wenn frau neue Produkte entwickelt.
Dann gibt es natürlich die Förderung über bereits genannte Netzwerke, z. B. Mentoring-Programme für Jungunternehmerinnen und angehende Selbstständige seitens der Handelskammer sowie die Förderung durch Informationsweitergabe. Ich empfehle allen Frauen, sich an die Verbände und die Handelskammer zu wenden.
Wenn man sich als Frau für jede Arbeitsstunde rechtfertigen oder sie immer wieder einfordern muss, dann ist das unglaublich mühsam und demotivierend.
Was brauchen Frauen deines Erachtens sonst noch, um sich beruflich entfalten zu können?
Frauen benötigen vor allem ein unterstützendes Umfeld, sprich einen Partner, eine Familie und auch Arbeitgeber, die ihnen den Rücken stärken. Wenn man sich als Frau für jede Arbeitsstunde rechtfertigen oder sie immer wieder einfordern muss, dann ist das unglaublich mühsam und demotivierend. Ein unterstützendes Umfeld braucht es aber auch außerhalb, in Netzwerken – und somit im Austausch mit anderen. Ehrliches Geben und Nehmen ist gerade für Frauen ungeheuer wichtig, nicht nur aufs Berufliche bezogen.
Welche Communities und Netzwerke und Frauen würdest du in Bezug auf Female Empowerment empfehlen?
Mittlerweile gibt es doch einige Communities: die SUSIS zum Beispiel, den feministischen Podcast Ätsch Bätsch oder die relativ neue THRIVE-Community, ein Verein für nachhaltiges Female Empowerment und Personal Growth. Zonta, Frauen im Handwerk, der Beirat fürs weibliche Unternehmertum der Handelskammer Bozen und der BPW-Club in Tirol sind weitere nennenswerte Netzwerke rund um Frauenthemen. Zwar kein Netzwerk, aber was ich auch noch gut und sinnvoll finde, ist der Gleichstellungsaktionsplan (Anm. d. Red.: Das Ziel des Gleichstellungsaktionsplans ist es, den Gleichstellungsgedanken für das Land Südtirol in den wesentlichen Handlungsfeldern deutlicher zu verankern, bereits laufende Bestrebungen besser zu koordinieren und gute Ansätze zu verstärken.)
Es gibt hierzulande einige Frauen mit Visionen und Biss, die anderen Frauen schon in der Vergangenheit den Weg geebnet haben und sich immer wieder aufs Neue für die Gleichstellung der Frau einsetzen.
Und welche Frauen inspirieren dich?
Es gibt hierzulande einige Frauen mit Visionen und Biss, die anderen Frauen schon in der Vergangenheit den Weg geebnet haben und sich immer wieder aufs Neue für die Gleichstellung der Frau einsetzen. Christa Ladurner fällt mir da auf jeden Fall als Erstes ein. Zur Zeit bin ich außerdem ein großer Fan von Nora Dejaco, der Initiatorin der Thrive-Community. Es ist unglaublich, was sie in den letzten Monaten alles aus dem Boden gestampft hat, mit wie vielen Leuten sie das persönliche Gespräch gesucht hat, um das Thrive-Festival, das im Oktober stattfinden wird, ins Leben zu rufen.
Welche Hilfestellungen bietet wnet konkret an?
wnet ist ein ehrenamtlicher Verein, der im Laufe des Jahres verschiedene Aktivitäten umsetzt. Das sind zum einen Unterstützungsmaßnahmen, die Frauen in erster Linie helfen sollen, sich gegenseitig zu vernetzen. Vernetzung ist unser Kernthema. Frauen unterschiedlichen Alters und aus verschiedensten Berufen kommen dabei zusammen und tauschen sich aus. Wir sind als Verein auch mit anderen Frauennetzwerken in Kontakt.
Weiters werfen wir Themen auf, denen frau in der Berufswelt begegnet und organisieren sogenannte Expertinnentreffs – damit möchten wir Vorbilder sichtbar machen sowie Optionen und neue berufliche Perspektiven aufzeigen. Alle paar Jahre organisieren wir außerdem ein kostenloses Mentoringprogramm zwischen zwei Frauen – wenn es um eine Art Begleitung geht und darum, mehrere Fragen zu beantworten, ist das eine tolle Möglichkeit. Und: Wir sind als wnet auch politisch sehr gut vernetzt und bringen uns als Institution ein. Wir waren erst kürzlich bei Achammer, um mit ihm über neue Förderungen für Selbstständige zu sprechen, einen Blick auf die Richtlinien zu werfen und Rückmeldung zu geben.
Persönlich kann ich außerdem Folgendes sagen: Ich bin selbst schon seit 10 Jahren Mitglied bei wnet und hatte immer eine Ansprechpartnerin, wenn ich Hilfe brauchte oder Fragen hatte. Hier hat immer jemand ein offenes Ohr. Das war und ist auch für mich immer sehr inspirierend und hilfreich.
Was plant wnet in naher Zukunft?
Wir werden sicherlich die eben genannten Punkte weiterhin bestmöglich umsetzen. Im Herbst findet dann eine große Impulstagung unter dem Thema „Generationen“ statt, es geht um gleichberechtigte Lebens- und Arbeitsmodelle. Zudem sind weitere Expertinnentreffs geplant, die meisten davon im Herbst. Ein Treffen wird bereits im August stattfinden, hinzu kommt noch das eine oder andere Webinar.
Welche Tipps hast du für Frauen, die sich selbstständig machen möchten?
Ich lade alle Frauen dazu ein, sich mit der Vielzahl an Möglichkeiten auseinanderzusetzen, sich in den verschiedenen Einrichtungen und bei Verbänden zu informieren und alle Inputs mitzunehmen, die es nur gibt. Zugegeben: Viele Informationen sind sehr fragmentiert, aber es gibt tatsächlich sehr viele Anlaufstellen. Auf der Provinzseite sind die meisten Informationen zur Unternehmensgründung aufgelistet. Empfehlen möchte zudem ich die Seiten https://frauverhandelt.de/ und https://madamemoneypenny.de/, bei denen es um Finanzen, Gehaltsverhandlungen und um finanzielle Unabhängigkeit geht, das sind – wie ich finde – extrem wichtige Themen für uns Frauen.
Und was möchtest du ihnen sonst noch auf den Weg geben?
Liebe Frauen, lasst euch nicht kleinreden! Von niemandem.
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