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15 Jahre ist Gustav Hofer bereits liiert. Trotzdem kann er diese Liebe nicht mit dem Bund der Ehe besiegeln. Denn sein Partner ist ein Mann. Wäre er jetzt Ire, würde die Situation anders aussehen. Seit Kurzem ist Irland nämlich das erste Land weltweit, das per Volksentscheid die Homo-Ehe der traditionellen Ehe zwischen Mann und Frau gleichgestellt hat. 62 % der Iren haben mit ihrem Ja für dieses Gesetz gestimmt.
Was vor 22 Jahren, als Homosexualität in Irland noch als Delikt galt, undenkbar war, ist nun Realität und verändert die gesamte Welt. „Es ist nicht nur eine Volksabstimmung, es ist eine soziale Revolution“, sagt der irische Gesundheitsminister Leo Varadkar. Auch Ministerpräsident Matteo Renzi will, beeinflusst von den Iren, die italienische Gesetzgebung in Bezug auf die gleichgeschlechtliche Ehe nun so schnell wie möglich überarbeiten.
Was diese Revolution für den gebürtigen Sarner Hofer und seinen Freund Luca Ragazzi bedeutet, erzählt er BARFUSS.
Gustav, was bedeutet die Entscheidung in Irland für dich als Homosexuellen?
Es ist natürlich jedes Mal eine Errungenschaft für die Bürgerrechte, wenn so ein Gesetz durchgesetzt wird. Gleichzeitig bin ich aber immer auch skeptisch, ob Bürgerrechte überhaupt einem Referendum unterstellt werden sollen. Wenn es, wie in diesem Fall, positiv für die Minderheit ausgeht, dann ist es natürlich immer etwas Schönes. Wenn die Mehrheit jedoch auf Kosten einer Minderheit gegen diese Minderheit stimmt, dann sieht die Sache schon anders aus. Ich finde Fragen, die die Rechte einer Minderheit betreffen, einem Massenentscheid zu unterwerfen, ist sehr gefährlich.
Deshalb bin ich auch skeptisch, wenn jetzt in Italien über ein Referendum diesbezüglich nachgedacht wird. Es gibt einfach Dinge, die verfassungsrechtlich verankert sein müssen. Wenn es darum geht, eine Minderheit zu schützen oder dieser Rechte zu geben, die die Mehrheit sowieso schon hat, dann sollte das der Gesetzgeber ohne ein Referendum einfach durchsetzen. Die Signalwirkung derzeit ist natürlich die, dass ein so katholisches Land wie Irland einen so großen Schritt nach vorne gemacht hat. Das gibt natürlich Hoffnung, vor allem den Menschen, die in einem Land wie Italien leben.
Eine
Im Februar dieses Jahres entschied der Oberste Gerichtshof, dass ein Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung in Italien nicht aus der Verfassung abgeleitet werden kann. Renzi hat jetzt erneut verkündet, dass sich auch in Italien etwas verändern soll. Es ist aber nicht die gleichgeschlechtliche Ehe, die er einführen will, sondern eine unione civile.
Genau. Renzi hat nach dem Referendum in Irland erneut versprochen, eingetragene Lebenspartnerschaften endlich zu legalisieren, aber er verspricht das schon so lange. Im Senat soll schon seit Monaten darüber abgestimmt werden, aber bisher ist noch nichts Konkretes passiert. Ich finde es generell aber absurd, nun die unioni civili einzuführen, während die anderen Länder die Homo-Ehe einführen. Weiterhin den Unterschied zu machen, ist heutzutage etwas rückständig. Das Absurde in Italien ist zudem, dass diese unioni civili nur für homosexuelle Paare gelten. Das heißt, dass Heterosexuelle entweder heiraten müssen oder gar nichts. Das finde ich auch komisch. Ich fände es einfach richtig, die Ehe für alle einzuführen.
Um in Rom zu bleiben. Wie ist die Abstimmung in Irland beim Papst angekommen? Kardinal-Staatssekretär Parolin aus dem Vatikan nennt das irische „Ja“ zur Homo-Ehe schließlich eine „Niederlage für die Menschheit“.
Die Stimme des Kardinal-Staatssekretärs ist sozusagen die des Papstes. Wer gedacht hat, dass sich mit dem neuen Papst zu diesem Thema etwas ändern würde, der liegt völlig falsch. Ich glaube, dass Franziskus das softer verpackt, aber was die Positionen angeht, besteht kein großer Unterschied zu denen vorher. Die katholische Kirche sagt zwar, dass man Homosexuelle aufnehmen und akzeptieren muss, aber nur solange sie keine homosexuellen Akte vollziehen. Solange sie in der castitá leben, ist es also ok diese sündigen Schäflein in der Kirche aufzunehmen.
Es ist aber völlig normal, dass die Kirche diese Position hat, immerhin gibt es auch Bischöfe und Kardinäle aus anderen Ländern, die mit solchen Gesetzen viel mehr Schwierigkeiten haben. Ich denke da an Kardinäle aus afrikanischen Ländern oder aus asiatischen. Dadurch ist es quasi unmöglich, dass sich die Kirche in nächster Zeit verändert. Damit habe ich auch kein Problem. Das Problem sehe ich nur darin, dass unsere Verfassung von einer Trennung von Kirche und Staat spricht, aber de facto dem Vatikan und der katholischen Kirche folgt. Dass wir ein säkulares Land sind und der italienische Staat nach wie vor für seine Bürger nicht die Rechte garantiert, die die meisten EU-Länder ihren homosexuellen Mitbürgern mittlerweile garantieren.
Nicht nur bei der Kirche ist die Entscheidung in Irland schlecht angekommen. Auch konservative Parteien und katholische Organisationen wehren sich hierzulande vehement gegen dieses Gesetz und verlangen von der Regierung, sich lieber für die stabile Familie und fundamentale Werte – sprich Ehe zwischen Mann und Frau – einzusetzen.
Diese Minderheit vertritt die Positionen der Kirche so lautstark und versucht diese dermaßen stark zu verteidigen, dass sich die Mehrheit mehr oder weniger dieser Linie anpasst, um den Konflikt zu vermeiden. Wobei ich die Argumentation von vorneherein schon absurd finde. Wieso sollte die Homo-Ehe denn keine stabile Familie ermöglichen? Man muss nicht heterosexuell sein, um eine gute Beziehung zu haben.
Du bist ja schon 15 Jahre mit deinem Freund zusammen. Drei Filme habt ihr miteinander gedreht. 2008 einen über das Schwulsein in Italien. Was hat sich denn seitdem verändert?
Im Film geht es um die Jahre 2007 und 2008 als die damalige Regierung Prodi versucht hat, die DICOs einzuführen. Die Mehrheit der Italiener war damals dafür, diese einzuführen. Die katholische Kirche hat daraufhin eine derart aggressive Medienkampagne durchgeführt, dass diese Mehrheit für ein „Ja“ geschrumpft und zu einer Minderheit geworden ist. Vor allem in Italien ist der Vorschlag, dieses Thema per Referendum zu entscheiden, daher sehr gefährlich, denke ich. Weil sich hier vor allem von der rechtlichen Seite seitdem nichts verändert. Ich glaube aber, dass sich kulturell dafür schon etwas verändert hat. Als wir den Film gemacht haben, waren wir das einzige Paar, das sich öffentlich als Paar gezeigt hat. Über Jahre hinweg war es dann so, dass jedes Mal, wenn man für einen Zeitungsartikel oder eine Meinungsäußerung zum Thema ein Paar gesucht hat, wir kontaktiert wurden. Mittlerweile hat sich die Visibilität von schwulen und lesbischen Paaren jedoch sehr verstärkt.
Und wie sieht die Lage derzeit in Italien aus? Welche Rechte haben Schwule?
Es gibt eigentlich keine spezifischen Rechte. Im Gegenteil, es gibt nicht einmal ein Antidiskriminierungsgesetz. Also, dass homophob basierte Gewalt zusätzlich bestraft wird. Sogar das ist im Parlament gescheitert. Eine Änderung muss aber wie gesagt vom Parlament ausgehen. Es geht einfach darum, dass sich Italien entscheiden muss: Will man Richtung Irland, Richtung Menschenrechte und Öffnung gehen oder will man sich verschließen und ein fundamentalistisches Land werden, in dem solche Rechte einfach ignoriert werden. Es ist einfach so, dass bei uns mit Homophobie, genauso wie mit Rassismus, immer noch Stimmenfang betrieben wird.
Kommt dir aber vor, dass Italien homophob ist?
In meinem Alltag bestimmt nicht. Aber zu wissen, dass du in einem Land lebst, in dem deine Rechte nicht anerkannt sind, gibt dir schon das Gefühl, ein Bürger zweiter Klasse zu sein. Vor allem auch, wenn man sieht, dass ein katholisches Land wie Spanien bereits vor zehn Jahren die homosexuelle Ehe inklusive Adoptionsrecht eingeführt hat.
Du bist unter anderem in Sarnthein aufgewachsen. Wie schwierig war es denn in einem Südtiroler Tal als Homosexueller?
Damals als ich mich geoutet habe, war das noch ganz anders. Da war das noch ein totales Tabu und es gab auch noch keine Referenzmodelle. Heutzutage ist das meiner Meinung nach einfacher, weil Homosexualität präsenter ist und nicht mehr als Absonderlichkeit oder Krankheit, sondern als normale Alternative anerkannt wird. Früher war es versteckt und man hat mit dem Finger drauf gezeigt. Heute haben junge Leute eher nicht mehr so das Gefühl alleine zu sein oder sich verstecken zu müssen, denke ich.
Ist Südtirol deiner Meinung nach heute noch homophob?
Nein, ich glaube auch in Südtirol ist das Thema mittlerweile durch. Auch meine schwulen Freunde daheim finden es nicht schwierig, dort als Schwule zu leben.
Wie wichtig ist es dir denn, dass du und dein Partner heiraten könnt?
Die Frage ist: Warum soll ich meine Beziehung nicht auch vor der Gemeinschaft offiziell machen, so wie es meine heterosexuellen Schwestern auch können? Es geht einfach darum, dem Partner eine Sicherheit zu geben und sich gegenseitig auch vor dem Staat sagen zu können, dass man das Projekt Beziehung gemeinsam weitermachen will. Mir persönlich ist es auch wichtig, damit ich nicht ständig das Gefühl haben muss, ein Bürger zweiter Klasse zu sein.
Willst du jemals Kinder adoptieren?
Nein. Also ich habe fünf Neffen und Nichten und das reicht vollkommen (lacht). Aber ich denke sehr wohl, dass schwule Eltern, gute Eltern sein können. Um als homosexuelles Paar ein Kind zu haben, muss das wirklich gut überlegt und gewollt sein. Deshalb glaube ich, dass Kinder homosexueller Eltern generell mit viel Liebe aufwachsen. Ich denke es reicht nicht aus, in einer heterosexuellen Beziehung zu sein, um gute Eltern zu sein. Wir müssen einfach lernen, dass wir alle gleich sind. Es geht im Prinzip nur darum, ein Nest zu bauen, in dem sich das Kind wohl fühlt. Ich kenne genug schwule Familien, in denen das gut funktioniert. Da geht es auch darum, das Umfeld mit zu erziehen. In dem Moment, wo ein Kind mit schwulen Eltern in der Schule sitzt, erzieht es die ganze Gemeinschaft mit.
Du denkst also, dass sich die Situation in Italien und den anderen Ländern noch bessert?
Ob sie sich bessert, weiß ich nicht. Sie wird aber auf alle Fälle präsenter werden. Dann hängt es auch davon ab, welche Zeichen die Politik setzt und genau deshalb ist es so wichtig, dass die Politik auf die Realität, die vorliegt, endlich gesetzlich antwortet. Momentan verhält sich die Politik noch so, als würde es die Situation nicht geben. Die Tatsache ignorierend, löst man die Situation aber nicht. Man muss anti-diskriminierende Regeln für die Menschen finden, die sich in dieser Situation befinden, um künftiges Leid und Probleme zu vermeiden.
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