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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 17.11.2015
LeutePorträt über einen kreativen Handwerker

Kunst vom Berg

Veröffentlicht
am 17.11.2015
Der Rittner Manuel Egger sammelt auf seinen Bergtouren Holz, Wurzeln und Rinden, die er in seiner Werkstatt zu Möbeln und Skulpturen verarbeitet.
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Die Musik laut aufgedreht, glühende Feuerspäne in der Luft und mittendrin Manuel Egger, der lauthals zu den Beats mitgrölt. Vor ihm steht ein Stamm so hoch wie die Decke seiner Werkstatt, darin stecken Elemente aus Eisen. In der Hand hält der junge Rittner eine Flex, mit der er gerade an einer geschwungenen Halterung für Jacken feilt. Das Stück Holz, das er dafür bearbeitet, hat er vor einigen Wochen von einer Bergtour aus dem Grödnertal mit nach Hause gebracht. Wie zu jedem seiner Unikate hat der Naturbursche auch zu diesem hier die passende Geschichte parat.

https://api.soundcloud.com/tracks/233279252

Dass Manuel Egger heute in seiner eigenen Werkstatt steht und Möbel-, und Kunststücke aus Naturmaterialien fertigt, hätte sich der 28-jährige Rittner vor einem Jahr nicht vorstellen können. Damals feierte sein bester Kumpel, ein Sommelier, seinen dreißigsten Geburtstag und Manuel suchte nach einem passenden aber unkonventionellen Geschenk. Als Gag schenkte er ihm einen selbstgebauten Weinständer aus altem Holz. Bei Freunden und Bekannten kam er gut an, einige fragten Manuel, warum er das nicht beruflich mache. „Damals habe ich diese Frage noch belächelt. Das ist jetzt genau ein Jahr her“, erzählt er und sein Blick wandert über die verschiedenen Kreationen, die er in einem provisorischen Austellungsraum im Parterre seines Elternhauses auf dem Ritten aufgebaut hat.

Aus dem einen Weinständer sind immer mehr unterschiedliche Unikate entstanden. Weil die Nachfrage danach stieg, machte sich Manuel drei Monate später mit seiner eigenen Firma selbständig. So wurde aus Manna, wie er von Familie und Freunden genannt wird, MannART. „So wie es momentan läuft, könnte ich bereits davon leben“, sagt er heute.
Angst vor der Selbständigkeit hatte er keine, der Staat unterstütze Jungunternehmer wie ihn. „Außerdem hatte ich null Risiko“, meint Manuel. Weil er im Hauptberuf immer noch in der Baufirma seines Vaters arbeitet, ist er finanziell nicht von seinen Skulpturen abhängig. Doch für die Zukunft arbeitet er darauf hin, MannART zu seiner einzigen Einkommensquelle zu machen. „Dann kann ich in der Werkstatt arbeiten, wenn das Wetter schlecht ist, und wenn es gut ist in den Bergen neues Material suchen“, träumt der 28-Jährige. Sein Ziel ist es, sich dadurch irgendwann mehr Freizeit leisten zu können.

„Das wichtigste ist die Authentizität, und die will ich in jedes Stück miteinfließen lassen und durch meine persönlichen Geschichten vermitteln.“

Momentan hält ihn seine Leidenschaft auch nach einem zehnstündigen Arbeitstag oft bis tief in die Nacht in der kleinen Werkstatt fest, die Manuel sich eingerichtet hat. Sie liegt im alten Stadel neben dem Haus. Vor dem Eingang stapelt sich allerlei Gehölz. Von geschwungenen Stöcken über riesige Wurzelstämme bis hin zu Rindenstücken. Jedes Stück hat er höchstpersönlich bis hierher getragen.

Manuels Lager


„Besonders werden Stücke erst, wenn man eine Geschichte dazu erzählen kann. Nur das macht sie authentisch“, meint er. Steht er in seiner Werkstatt oder im improvisierten Showroom, ist Manuel in seiner Welt. Wild mit den rauen Händen gestikulierend, geht der Handwerker von einer Skulptur zur nächsten, von einem Möbel zum anderen. „Dieses Stück Holz hat bestimmt über hundert Kilogramm gewogen. Da war der Weg bis zum Auto echt weit“, erzählt er von seinem verrücktesten Fund und lässt dabei immer noch erschöpft die Schultern hängen. Zwei Wochen Rückenschmerzen war Manuel das Stück Holz wert, das nun zusammen mit zwei Steinen zum Unikat „zwoa Bochstoan“ geworden ist: Ein niedriger Sessel, der in den nächsten Tagen nach Österreich exportiert wird.

„Man muss auch verstehen, was ich mitmache, bevor ich überhaupt anfangen kann, an einem Stück zu arbeiten.“

Jede freie Minute verbringt Manuel in den Bergen. Ob zum Klettern, zum Downhillen, zum Skitourengehen oder doch zum Fallschirmspringen ist ihm egal. „Hauptsache, ich kann in der Natur sein“, sagt er. In die Berge treibt den Rittner aber auch der Wille, neue Stücke für seine Kreationen zu finden. Wird er auf seinen Touren fündig, bringt er auch einmal zwanzig Kilogramm Wurzeln aus 3.000 Höhenmetern ins Tal, oder birgt sein Rohmaterial aus nassen Flussbetten und sogar aus Kletterwänden.

Zuhause angekommen befreit er seine Fundstücke dann erst einmal von kleinen Wurzeln, Erde und Schmutz. Er hofft, dass sich darunter ein schönes Holz verbirgt, an dem er seine Ideen umsetzen kann. „Wenn man die Wurzeln findet, schauen sie katastrophal aus. Wie ein nasser, toter Hund“, vergleicht Manuel. So war das auch bei seiner Lieblingsskulptur, der Elegance. Als er deren Roh-Holz fertig geputzt hatte, konnte Manuel erst gar nicht glauben, welche Schönheit sich unter dem ganzen Schmutz befand und musste erst einmal laut für sich jubeln. Als sein Blick jetzt auf die fertige Skulptur fällt, wird er etwas wehmütig – heute wurde sie verkauft.

Manuels Liebling: Elegance

Noch vor einem Jahr hatte Manuel mit Kunst nichts am Hut. „Ich hatte einfach immer schon einen Sinn für Ästhetik. Das einzige Künstlerische, das ich von klein auf gemacht habe, sind meine Frisuren“, lacht er frech. Als Künstler solle man ihn daher auch nicht bezeichnen. „Ich bin kreativer Handwerker“, erklärt Manuel, der sich als Autodidakt die Verarbeitungstechniken selbst beibrachte. „Ich stelle nur die Schönheit zur Schau, die die Natur bereits geschaffen hat“, sagt er. Die Botschaft, die er durch seine Stücke vermitteln will, ist die Verbundenheit zur Natur. „Leider ist die Natur durch Menschenhand total eingeengt und verändert worden“, meint der Bergliebhaber. Am besten drücke diese Kritik die Skulptur „Gfongen“ aus, ein Stück Holz in Gold, mit Ketten umwickelt. „Die Natur kann sich bei uns hier nicht mehr ausdehnen, das ist furchtbar. Wenn ich irgendwo bin und einen Steinadler sehe, ist das für mich das höchste der Gefühle. Vor hundert Jahren wäre das normal gewesen“, sagt Manuel.

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