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Dutzende Häkelkäppis liegen aneinandergereiht in den Regalen. Dazwischen stehen gehäkelte Taschen. Im hinteren Teil des kleinen „Got Ya“ Ladens befindet sich das Herzstück: die Nähmaschine. Mit ihr näht Samuel (Sam) Steiner wann immer er Zeit hat das Logo auf die vielen Mützen. Erst wenn „Morgenrot“ draufsteht, werden die gehäkelten Käppis verkauft. Nur eine Stunde brauchen er und seine Freundin Nadia Micheli um eine Mütze zu vollenden. Die verschiedenen Techniken wie Fadenschlinge, Luftmasche und Anschlagreihen haben sie aus Häkelbüchern gelernt.
Garantiert kratzfrei
Jede freie Minute verbringen die Kalterer an der Häkelnadel. Nadia arbeitet den halben Tag bei einem Steuerberater. Zuhause kümmert sie sich um ihre zwei Jahre alte Tochter Emma, der Nachmittag ist für die Kleine reserviert. Erst abends bleibt Zeit für ihr Hobby. Da stellt sich die Frage, ob das Häkeln nicht manchmal nervt? Im Gegenteil. Für Nadia sei Häkeln schon fast zur Sucht geworden. „Ich könnte nicht einen Tag zuhause sitzen und Zeitung lesen ohne zu Häkeln“, sagt die 26-Jährige.
Die Inspiration für die kunterbunten Kopfbedeckungen holt sich Nadia in der Natur und vielfach auch auf der Straße. An Turnschuhen oder Kleidung entdeckt sie Farbkombinationen, die ihr Ideen für neue Mützen bescheren. Das Grundmodell ist schlicht und in verschiedenen Farben erhältlich. Später kamen wegen der großen Nachfrage die trendigen Longbeanies dazu. Mittlerweile sind auch Handwärmer, Schals, Stirnbänder und Taschen im Morgenrot-Sortiment. Sie verwenden eine spezielle peruanische Hochlandwolle. Das beste daran ist, sie kratzt nicht, fühlt sich sehr weich an und ist ohne Schwermetalle, Formaldehyd oder Acryl.
Vom einfachen und beliebtesten Modell „Classic“ oder „Alps“, das sich an die traditionellen Häkelmuster anlehnt, bis zum Modell "Rotkäpppchen“ ist so ziemlich alles dabei was der kalte Winterkopf begehrt. Neben den klassischen Mützen in vielen verschiedenen Varianten, gibt es auch die Südtirol-Edition. Die Käppis mit rustikalem Look sind aus Villnösser Brillenschafwolle. Sie ist zwar rauer als die Peru-Wolle, durch eine spezielle Waschung wird aber der Tragekomfort gesteigert.
Für Luxusliebhaber gibt es sogar eine Mütze aus Baby-Alpaka. Zu Beginn waren die beiden vorsichtig mit diesen speziellen Mützen, denn wer gibt schon mehr als hundert Euro für eine Mütze aus? „Aber wir verkaufen auch diese“, sagt Nadia.
Gleich neben den Häkelmützen hängt der graue Alpin- Schal mit aufgenähtem Webpelz. Aber keine Sorge, es musste kein Tier dafür sterben. „Das ist uns ganz wichtig und wir legen großen Wert darauf“, so Nadia. Der Pelz besteht nämlich aus abgeschnittenen Haaren und falls an einem Schal Fellbommel hängen, dann garantiert aus Kunstfell.
Häkeln für den guten Zweck
Die neuste Kreation hat das Paar mit einer größeren Häkelnadel gemacht. Dadurch sind weitläufigere Maschen entstanden. „Diese Käppis gefallen mir besonders gut. Ich bin schon gespannt wie sie ankommen“, sagt Nadia. Verkauft werden sie auf dem kleinen Christkindlmarkt in Kaltern. Dabei spenden sie fünf Euro pro verkaufte Kindermütze an die Kinderkrebshilfe Südtirol. Auf die Idee kam Nadia durch ihre kleine Tochter. Emma habe in einem Geschäft einen Flyer der Organisation in ihre Tasche gesteckt. Die junge Frau dachte sofort, dass das kein Zufall sein kann. „Ich bin froh, dass wir das jetzt machen“, sagt sie.
Seit kurzem starten sie auch mit ihrem Onlineshop so langsam durch. „Wir werden immer größer, das ist schon cool“, sagt Nadia, obwohl die wachsende Bürokratie immer anstrengender werde. Wider erwarten verkaufen sie die gehäkelten Mützen nicht nur im Winter, sondern auch in den heißen Monaten ziemlich gut. Viele Touristen nehmen ein Südtiroler Käppi als Urlaubssouvenir mit.
An die Häkelnadel, fertig, los
Dieses Jahr feiert Morgenrot die dritte Wintersaison. Die Eingebung für die tollen Käppis kam den beiden an einem gemütlichen Fernsehabend. Sie haben eine Reportage über das Häkeln gesehen und Sam habe seine Freundin sofort ermutigt, ihm eine solche Mütze zu häkeln. Das letzte Mal habe Nadia zehn Jahre zuvor eine Häkelnadel in den Händen gehalten. Kein Wunder, dass die erste Mütze eher einem riesigen Tellerwärmer glich. „Dann ist es aber immer besser gelungen“, so Nadia. Und schon nach zwei bis drei Tagen sei ein schönes Ergebnis rausgekommen. Freunde und Bekannte wollten schließlich auch ein Käppi haben und bald flogen immer mehr Bestellungen ins Haus. Von da an hieß auch für Sam: Ran an die Häkelnadel. Er hatte bald den Dreh raus, weil er handwerklich begabt sei, so seine Freundin. Heute häkelt er sogar im eigenen Geschäft, wenn gerade keine Kunden da sind.
Die Idee für den Namen kam Sam beim morgendlichen Spaziergang mit dem Hund. Die Sonne hat an dem besagten Tag über den Bergen geleuchtet und fest stand der Titel für das Unternehmen Morgenrot. Mittlerweile denken Sam und Nadia auch über Helfer nach: „Wir müssen schon so langsam Leute anstellen, die für uns Häkeln“, sagt Nadia. Denn das Duo will auch weiterhin alles in Handarbeit machen.
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