BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
BARFUSS LogoSüdtiroler Onlinemagazin

Support Barfuss

Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus

BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
Lucia Baumgartner
Veröffentlicht
am 27.06.2023
LebenDirektvermarktung am Hof

(K)ein Kampf ums Überleben

Veröffentlicht
am 27.06.2023
Immer mehr Kleinbauernhöfe versuchen sich in der Direktvermarktung ihrer Produkte, darunter auch Fleisch. Kann das funktionieren? Ein junges Bauernpaar aus Klobenstein am Ritten berichtet, welche Möglichkeiten und Schwierigkeiten damit verbunden sind.
Damit BARFUSS weiterhin hinterfragen, aufklären, erzählen und berühren kann, brauchen wir DEINE Unterstützung!
Werde Teil unserer Community.
Teile unsere Story
Verena Weifner+Stefan Öhler
Verena Weifner und Stefan Öhler

Stefan Öhler hat gemeinsam mit seiner Frau Verena Weifner vor fünf Jahren beschlossen, den ursprünglich konventionellen Hof auf Bio umzustellen. Der Hof gehört zwar noch seinem Vater, aber Stefan Öhler redet bei wichtigen Entscheidungen immer mit. „Als ich die Idee hatte, auf Bio umzustellen, hatte er nichts dagegen“, so der Rittner. „Ich hatte einfach das Gefühl, dass Bio boomt. Vielen Menschen ist es wichtig zu wissen, woher das Fleisch kommt. Mir ist es wichtig, dass die Tiere gut behandelt und gehalten werden.“

Die Umstellung hätte sich das Paar allerdings leichter und unkomplizierter vorgestellt. Neue Bio-Kühe mussten gekauft, ein Raum für die Fleischverarbeitung hergerichtet, ein stabiler Kundenstock aufgebaut werden. Die größte Investition war der Umbau des Stadels: Der ursprüngliche Boxenstall musste abgerissen werden, da auf einem Bio-Bauernhof die Tiere nur in Laufställen gehalten werden dürfen.

„Alleine würde so etwas nicht gehen“
Das Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen (WIFO) hat im November 2022 eine Studie veröffentlicht, in der erstmals die bäuerliche Direktvermarktung in Südtirol unter die Lupe genommen wurde. Der Verkauf von hofeigenen Produkten bietet den Landwirt:innen die Möglichkeit, den Hof in Vollerwerb zu bewirtschaften und die betriebliche Wertschöpfung zu erhöhen. Was schön und einfach klingt, kann ungemein arbeits- und zeitintensiv sein. So kann es vorkommen, dass Kund:innen zum Beispiel oft eine Betreuung fordern, die außerhalb der üblichen Geschäftszeiten liegt. Eine ständige Kund:innenpräsenz kann so belastend sein – schließlich muss der Hof immer sauber und einladend präsentiert werden.

Stefan Öhler im umgebauten Stadel

Die Idee der Direktvermarktung vom hofeigenen Fleisch ging bei Stefan und Verena mit der Bio-Entscheidung einher: Stefan arbeitete als Metzger im Schlachthaus und entschied dann, dass er das eigene Fleisch auch zu Hause verarbeiten könnte. Seine Frau Verena übernahm den Verkauf und das gesamte Marketing: „Ich bin gelernte Verkäuferin und trete gerne mit Menschen in Kontakt. Wir teilen uns die Arbeit auf: Stefan verarbeitet das Fleisch, ich verkaufe die Fleischpakete. Wir müssen zusammenhalten, denn alleine würde so etwas nicht gehen.“

Was genau ist biologische Landwirtschaft?
Der Schrofhof am Ritten ist einer von 34 ökologisch bzw. biologisch wirtschaftenden Unternehmen in Südtirol, der sich der Verarbeitung und Vermarktung von Fleisch angenommen hat. Bei der biologischen Landwirtschaft ist jegliche Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen verboten. Auch die industrielle Tierhaltung, bei denen die Tiere ausschließlich in geschlossenen Ställen ohne Auslauf gehalten werden, ist am Bio-Hof nicht erlaubt. Zudem ist nur eine gewisse Anzahl an Tieren zugelassen, die anhand der verfügbaren Fläche ermittelt wird. „Außerdem darf ich nicht irgendein Rind kaufen. Ich brauche ein Bio-Rind, also ein Tier, das seit der Geburt biologisch ‚erzogen‘ worden ist“, erklärt Stefan. Und hier sieht der Jungbauer das große Problem, denn in Südtirol gebe es noch keinen ausgereiften Bio-Markt unter Bauern, der ein Handeln mit Tieren, wie zum Beispiel bei einer herkömmlichen Versteigerung vorsieht. „Stirbt mir eine Mutterkuh, hab‘ ich ein Problem, denn landwirtschaftliche Biobauern gibt es in Südtirol nicht viele“, so der Jungbauer.

„Ich schlachtete sofort ein Rind“
Stefan arbeitet immer noch einmal in der Woche als Metzger im Schlachthaus. Wenn er an den Start der Direktvermarktung am eigenen Hof vor fünf Jahren denkt, kann er heute darüber schmunzeln. Verena erzählt: „Am Anfang waren wir zu eifrig. Nachdem wir eine kleine Werbung ins Gemeindeblatt inseriert hatten, schlachtete Stefan sofort ein Rind. Wir waren uns ziemlich sicher, dass sich sogleich viele melden würden.“ Die Nachfrage blieb aber vorerst aus. Das Fleisch musste die Familie dann selbst essen. Erst mit der Zeit konnte sich das Paar einen Kundenstock aufbauen. „Wir haben mittlerweile 80 Stammkunden, wobei diese Zahl natürlich immer stark variiert“, so die beiden. „Manche Kunden kaufen regelmäßig viel Fleisch, andere sporadisch und weniger. Manche Familien kommen jeden Monat vorbei und nehmen da die Fleischpakete mit. Ein älteres Ehepaar beliefern wir nur zwei Mal im Jahr.“

Qualität, Tierwohl, Nachhaltigkeit
Laut dem Landesinstitut für Statistik (ASTAT) essen 97 Prozent der Südtiroler*innen Fleisch. 47 Prozent mehrmals in der Woche, 13 Prozent täglich. Bei einem Vegetarismus-Trend würden die Zahlen wahrscheinlich anders aussehen. Dass sich Käufer*innen aber zunehmend über die Herkunft der Lebensmittel informieren, bestätigt die Studie des WIFO. Die Produktqualität, die Berücksichtigung des Tierwohls und die ökologische Nachhaltigkeit in der Produktion spielen dabei eine ausgesprochen wichtige Rolle. Die Studie zeigt, dass sich qualitativ hochwertige und transparent hergestellte Fleischprodukte gut auf dem Markt etablieren können, auch wenn Fleisch nicht gerade im globalen Ernährungstrend liegt.

Stefan Öhler arbeitet nach wie vor ein Mal die Woche als Metzger

Eigenes Rind, eigenes Fleisch: und die Metzger?
Ein wichtiger Punkt in der Fleischverarbeitung ist die Schlachtung. Diese muss häufig ausgelagert werden und kann nicht direkt am Hof erfolgen, da eine EU-Zulassung notwendig ist, welche bestimmte Richtlinien enthält. Die Einholung eines solchen Zertifikats lohnt sich finanziell nur in den wenigsten Fällen. Aus diesem Grund konzentriert sich der Großteil der Direktvermarkter auf die Grob- und Feinzerlegung der Tiere. Stefan kann seine Rinder nach der Schlachtung direkt mit nach Hause nehmen, da er eine Metzgerausbildung absolviert hat. Das Fleisch wird dann in einem eigenen Raum verarbeitet und in eine Kühlzelle gegeben. Verena, die das Fleisch vakuumiert und beschriftet, liefert es dann an die Kund:innen aus. Um dies zu bewerkstelligen, braucht es aber eigene Vorrichtungen: einen Fleisch-Verarbeitungsraum, ein Vakuumiergerät und verschiedenste Vorrichtungen, um das Fleisch normgerecht zu verarbeiten. Eine Kontrolle kommt zwei Mal im Jahr am Hof vorbei. Einmal angekündigt, einmal nicht. Stefan muss immer über die Zettelarbeit staunen: „Für alles was ich mache, brauche ich eine eigene Genehmigung oder ein eigenes Formular. Sogar wenn ich meine Rinder im Sommer auf die Alm gebe. Meine sind ja Bio.“     

In einer WhatsApp-Gruppe kündigt Verena einmal im Monat die anstehende Schlachtung an, dann erfolgen die Bestellungen. Frischfleisch zu vermarkten, ist eine große Herausforderung. Während veredelte Produkte wie zum Beispiel Speck eine längere Haltbarkeit haben, muss Frischfleisch sofort geliefert werden. Auch die Planbarkeit, die Lieferung und die erforderliche Kühlkette muss beachtet werden. Bevor Stefan und Verena das Fleisch am Hof verkauft haben, lieferten sie es an den lokalen Metzger. „Zwar haben wir da weniger verdient, aber da hatten wir nicht die Arbeit, alles selbst zu vermarkten“, so die beiden.

In Zukunft will das Bauernpaar durch eine eigene Internetseite und gezieltes Marketing in der Gemeinde weitere Kund*innen für sich gewinnen. „Wir überlegen, uns mit anderen Bauern zusammenzuschließen, damit der Verkauf von hofeigenen Produkten weiter steigt.“

Dienste

  • News
  • Wetter
  • Verkehrsbericht

BARFUSS


Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support

© 2023 SuTi GmbH
© 2023 SuTi GmbH . Rennstallweg 8 . 39012 Meran . MwSt: 02797340219
DatenschutzCookiesImpressum