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Seit Anfang des Jahres betreibt Arnold Achmüller zusammen mit seiner Frau Astrid das Blog krautundwurzel. Das Wissen um heilende Kräuter beschäftigt den Pharmazeuten aber schon länger. Noch vor dem Blog hat der gebürtige Brunecker zwei Bücher geschrieben, in denen er sich damit beschäftigt, wie man aus Kräutern und Wurzeln Salben, Tees und Tinkturen macht. Achmüller gibt in seinen Publikationen nicht nur das Wissen aus alter Volksmedizin wieder, sondern beschäftigt sich auch mit den Mythen, die diese Heilmethoden seit Jahrhunderten umranken.
Der 34-Jährige lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern in Wien. BARFUSS hat ihn dort im traditionsreichen Café Dommayer getroffen. Kräuterhexen trinken nur Kräutertee? Falsch gedacht: Arnold Achmüller bestellt an diesem wolkenverhangenem Februarnachmittag einen Café Latte. Koffeinfrei.
Wieso Kaffee und nicht Kräutertee?
Ich war eh hin- und hergerissen. Kräutertee muss nicht dauernd sein. Es passt, wenn man am Abend einen trinkt. Untertags habe ich lieber Kaffee.
Wie wird man vom Apotheker zur Kräuterhexe?
Mein Interesse dafür war schon vor meinem Studium da. Ich habe das ein bisschen von meinen Großeltern mitbekommen, die haben sehr oft Kräuter eingesetzt. Mir hat es einfach Freude gemacht, selbst Kräuterschnäpse zu machen und irgendwann dann auch Salben. Daran bin ich dann hängen geblieben. Ich habe auch meine Diplomarbeit über keltisch-germanische Heilpflanzen in der Südtiroler Volksmedizin geschrieben. Das war der ausschlaggebende Punkt, dass ich tiefer in die Materie hineingegangen bin, weil ich gesehen habe, wie viel unerforschtes Wissen es da gibt.
Das heißt, du hast die Wirkung der Heilpflanzen auch nachgewiesen?
Anhand von jahrhundertelangen Anwendungen kann man schon darauf schließen, dass gewisse Sachen sehr wohl einen effektiven Nutzen haben.
Wissenschaftlich bewiesen ist es aber nicht?
Vieles nicht. Aber das hat nicht damit zu tun, dass die Pflanzen nicht wirken, sondern dass die Forschung dazu fehlt.
Wie entscheidest du, welche Kräuter du im Blog weitergibst?
Die Idee hinter dem Blog war es auch, das ein bisschen wissenschaftlicher zu gestalten. Für gewisse Pflanzen gibt es sehr wohl Studien. Wenn etwas aus der Volksmedizin kommt und wissenschaftlich überhaupt nicht bewiesen ist, dann kennzeichne ich das auch als solches.
Wie wichtig ist der Placebo-Effekt?
Das ist ein extrem interessanter Effekt. Dafür alleine würde sich schon ein Buch lohnen. Bei gewissen Erkrankungen, wie zum Beispiel Schmerzen oder auch Infektionskrankheiten, ist in Studien nachgewiesen worden, dass bis zu 30 Prozent der Wirkung auf den Placebo-Effekt zurückzuführen sind. Das gilt auch für Medikamente.
Was gehört zu den urbanen Legenden?
Da gibt’s zum Beispiel das Knabenkraut. Das wird seit Jahrhunderten als Potenzmittel verwendet. Hier wird wahrscheinlich vom Aussehen der Pflanze auf ihre Wirkung geschlossen: Die Wurzel vom Knabenkraut ist hodenförmig und das ist wahrscheinlich der Grund, weshalb es als Potenzmittel angewendet wird.
Kann so was auch gefährlich sein?
Ja. Zum Beispiel die Nachtschattengewächse sind extrem gefährlich. Früher hat man so etwas als Schmerzmittel natürlich verwenden müssen, weil man nichts anderes zur Verfügung hatte. So etwas heutzutage noch zu verwenden, ist Unfug. Da ist das Risiko viel größer als der Nutzen.
Hast du auch schon mal nach natürlichen Rauschmitteln gesucht?
Ich habe darüber geschrieben. Diese Nachtschattengewächse waren nicht nur Schmerzmittel, sondern immer auch Rauschmittel. Ein berühmtes Beispiel ist die Hexensalbe. Davon bekommt man Flugträume, man hat das Gefühl, zu schweben. Dass der Mythos vom fliegenden Hexenbesen daher kommt, ist auch nachvollziehbar. Da gibt’s die Theorie, dass der Besenstiel mit dieser Salbe eingeschmiert wurde, dann hat man sich auf diesen Besen gesetzt und ist dann praktisch auf dem Besen geritten. Das ist eine mögliche Erklärung für Hexen auf fliegenden Besen.
Es geht also auch viel um Mythen und Geschichten?
Genau, das hat mich auch interessiert. Viele Wirkungen lassen sich eben so herleiten.
Wenn ich zum Beispiel krank bin, dann möchte ich etwas, das schnell wirkt.
So denkt die Mehrheit. Man delegiert das Ganze recht schnell, das ist ja auch bequem. Früher hat man das nicht so aus der Hand gegeben. Man hatte keine andere Möglichkeit, Ärzte gab es ja kaum. Deshalb hat man versucht, sich so gut wie möglich selbst zu helfen. Ich finde es schade, dass man das heute komplett aus der Hand gibt. Man macht sich dadurch extrem abhängig.
Ab wann greifst du zu Medikamenten?
Ich bin nicht so der Fundamentalist, der sagt „nur Kräuter“. Es muss eine Synergie da sein. Wenn ich Kopfweh habe, nehme ich auch eine Schmerztablette. Da gibt’s einen Spruch: „Früher ging man zum Arzt, wenn die Hausmittel nicht mehr halfen. Heute verwendet man Hausmittel, wenn der Arzt nicht mehr weiter weiß.“ Ein Umkehrschluss also: Bei leichteren oder mittleren Beschwerden sollten am Anfang immer Heilmittel stehen – Schüsslersalze, Homöopathie oder Kräuter. Aber bei Krebs zuerst an Heilkräuter zu denken, finde ich falsch.
Wie habt ihr die aktuelle Grippewelle bekämpft?
Das war jetzt eine typische Grippe. Die Kinder haben dann schon ein Fiebermittel bekommen, aber nur in Grenzen. Gegen den Husten haben sie Thymiansaft und Efeusaft bekommen.
Wo findet man in Wien die Zutaten dafür?
Am Stadtrand. Die Lindenblüten für den Tee habe ich jetzt im Wienerwald gesammelt. Aber man findet natürlich nicht alles.
Was für Leute fragen solche Sachen bei dir nach?
Auffallend ist, dass es vor allem Frauen sind, auch bei meinen Lesungen. Es wirkt schon so, als ob die germanische Kultur noch nachwirkt, in der die Frau für so etwas zuständig war. Das ist echt ein Phänomen.
Sind viele der alternativen Heilmittel nicht auch Modeerscheinungen?
Vieles kommt und geht. Eine Zeit lang war Korallenpulver ein Highlight, also Kalzium aus Korallen. Das wurde als besonders wirksam angeboten. Dann waren eine Zeit lang die Gojibeeren als Antikrebsmittel recht begehrt. Aber alles, was als Wundermittel daherkommt, hält sein Versprechen meist nicht.
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