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Julia Tappeiner
Veröffentlicht
am 08.03.2021
LeuteInterview mit Sportlehrerin

Kampf der Kulturen?

Veröffentlicht
am 08.03.2021
Beim Thema „weiblicher Körper“ werden interkulturelle Begegnungen oft zur Herausforderung. Wie gehen muslimische Mädchen und Lehrpersonen im Sportunterricht damit um?
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Islam im Sportunterricht
Sport und Islam bilden keinen Gegensatz

Nirgends kann interkulturelle Begegnung besser beobachtet werden als in modernen Klassenzimmern europäischer Städte: Dort drücken “westlich” erzogene Kinder und Jugendliche gemeinsam mit gleichaltrigen Muslimen die Schulbank. Gerade im Sportunterricht, wo die aktive Bewegung unmittelbar das Thema des Körpers, insbesondere des weiblichen Körpers, aufwirft, können kulturelle Eigenarten in Konflikt treten, die schwer vereinbar scheinen. Die Meranerin Ainoa Lezameta stellte sich während ihres Lehramtsstudiums für Sport und Spanisch an der Universität Innsbruck die Frage, wie Lehrpersonen und muslimische Mädchen im Sportunterricht eigentlich mit den Geboten und Verboten umgehen, die ein islamisches Wertesystem mit sich bringt. In ihrer Masterarbeit befragte sie dazu Sportlehrerinnen und muslimische sowie nicht-muslimische Mädchen zwischen 11 und 13 Jahren in österreichischen Schulen. Ihre Erkenntnisse teilt sie nun mit BARFUSS.

Du hast in deiner Arbeit untersucht, wie sich muslimische Schülerinnen und Lehrpersonen im Sportunterricht fühlen. Welche Situationen sind für die Betroffenen herausfordernd?
In Österreich ist der Sportunterricht nach Geschlechtern getrennt, von daher hielten sich die Probleme in Grenzen. In Südtirol ist das sicher anders, denn hier sind Buben und Mädchen zusammen im Sportunterricht. Die meisten Herausforderungen entstehen im Schwimmunterricht, denn die Eltern einiger muslimischer Mädchen wollen nicht, dass die Körper ihrer Kinder von Männern oder Mitschülern gesehen werden. Da gab es dann die Möglichkeit eines Burkinis, doch Lehrpersonen gaben an, dass die Leistung der Mädchen dadurch eingeschränkt wird, weil der Burkini sich mit Wasser vollsaugt. Ein weiteres Thema war die Kopfbedeckung: Musliminnen befestigen ihre Hijabs mit Kopfnadeln, Lehrpersonen befürchten, dass sich die Mädchen damit beim Sport verletzten könnten. Da wurde aber eine recht gute Lösung gefunden, es gibt nämlich eine spezielle Art von Kopfbedeckung, welche auch ohne Nadeln getragen werden kann.

Ein wichtiger Teil im Leben vieler Muslime ist der Ramadan. Wie wirkt dieser sich auf den Sportunterricht aus?
Während des Fastenmonats Ramadan dürften Muslime theoretisch nichts trinken. Aus meinen Gesprächen hat sich aber ergeben, dass es ihnen von den Eltern her erlaubt ist, während des Sports zu trinken. Die Lehrpersonen erzählten von Schwierigkeiten während dieses Monates, denn sie müssen den Sportunterricht an die verminderte Leistungsfähigkeit der Mädchen anpassen. Ausdauersport oder Lauftraining sind also während des Ramadans nicht möglich. Der Koran erlaubt es aber auch, das Fasten nachzuholen. Wenn der Ramadan auf einen heißen Monat fällt, dann erlauben viele Eltern es den Kindern, ihn später aufzuholen.

Ainoa Lazameta

Das Thema des weiblichen Körpers führt in Debatten um Integration oft zu Kontroversen, man denke an die Diskussion zum Hijab-Verbot. Welche Einstellungen und Vorurteile prägen diese Debatte?
Man glaubt immer, Islam und Sport seien ein Gegensatz. Aber das stimmt überhaupt nicht. Im Koran steht sogar, Sport sei gesund für den Körper, auch für Frauen, und dass selbst der Prophet Mohammed Sport betrieb. Dass Mädchen ihren ganzen Körper bedecken sollen, steht ebenso nirgends im Koran, sondern nur, dass sie ihre Scham bedecken sollen. Das ist dann Auslegungssache, aber die Bedeckung sollte Mädchen nicht vom Sport abhalten. Manche strengreligiösen Eltern sind gegen das Tanzen, denn es herrscht der Glaube, beim Tanzen könne das Jungfernhäutchen reißen, und eine gute Muslima muss eben Jungfrau sein.

Findest du, Lehrpersonen werden angemessen auf einen modernen, multikulturellen Klassenalltag vorbereitet?
Während meines Lehramtsstudiums war das eigentlich überhaupt kein Thema. Auch in der Schule werden Lehrpersonen wenig darauf vorbereitet. An österreichischen Schulen bekommt man zwar zu Anfang des Schuljahrs einen Zettel mit den wichtigsten Informationen zu den Geboten des Islams und worauf im Unterricht mit muslimischen Schülerinnen und Schülern zu achten sei. In Südtirol ist das, soweit ich weiß, nicht der Fall.

Wie können Lehrerinnen und Lehrer sich am besten auf multikulturelle Klassenzimmer vorbereiten?
Am wichtigsten ist es, mit den muslimischen Mädchen selbst zu reden. Auch das Gespräch mit den Eltern sollte aufgesucht werden, denn jede Familie legt den Islam anders aus. Nicht alle muslimischen Eltern verlangen von ihren Töchtern, sich zu bedecken oder zu fasten. Daher ist es wichtig, zu verstehen, wie der Islam in den Familien gelegt wird.

Es lassen sich also nicht alle muslimischen Mädchen über einen Kamm scheren?
Genau, es gibt sehr unterschiedliche Strömungen im Islam. Sunniten, Schiiten, Kurden. Und es gibt sehr unterschiedliche Interpretationen des Korans. Nicht nur die Eltern legen ihn unterschiedlich aus, auch jeder Imam, also Glaubensführer der Muslime, predigt eine unterschiedliche muslimische Lebensweise.

Jede muslimische Familie legt den Islam anders aus.

Kommen wir zu den Ergebnissen deiner Forschung: Wie begegnen junge Musliminnen dem Sportunterricht?
Das war das Interessante: Alle muslimischen Mädchen, die ich befragt habe, gaben an, überhaupt keine Probleme im Sportunterricht zu haben. Alle treiben gerne Sport, sowohl in der Schule, als auch außerhalb. Die Lehrpersonen bestätigten das, sie gaben an, dass die Mädchen sich alle sehr wohl beim Sport fühlen. Wenn also Kontroversen auftauchen, dann geht das meist von den Eltern aus, die mit bestimmten Aktivitäten nicht einverstanden sind.

Wie begegnen Lehrpersonen den Bedürfnissen muslimischer Schülerinnen und ihrer Eltern?
Hier scheiden sich die Geister: Jene Lehrerinnen, die sich schon vorher mit dem Islam auseinandergesetzt haben, für die war es ein geringeres Problem. Natürlich standen sie manchmal vor Herausforderungen, zum Beispiel beim Ramadan, weil sie den Unterricht anders planen mussten. Auch die Gespräche mit den Eltern wurden oft als unangenehm wahrgenommen.

Deine Arbeit hat ergeben: Je positiver die Einstellung der Lehrperson gegenüber dem Islam, desto besser auch die Zusammenarbeit im Unterricht.
Ja, genau. Ich habe zum Beispiel eine Lehrerin befragt, die gemeint hat, sie sieht Multikulturalität als Chance und nicht als Herausforderung. So organisierte sie einmal eine Tanzstunde, bei der Schülerinnen aus Ägypten, aus Österreich und Argentinien die jeweiligen Volkstänze ihrer Nationen aufführen sollten. In dieser Stunde wurde festgestellt: Alle Volkstänze ähneln sich in großem Maße! Das fand ich ein schönes Beispiel, denn zu solchen Erkenntnissen kommt es nur, wenn Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Kulturen vertreten sind.

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