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Matthias Mayr
Veröffentlicht
am 09.11.2015
LeuteAuf a Glas'l mit Jakob Baldur Brugger

„Junge Politik zulassen“

Veröffentlicht
am 09.11.2015
Jakob Brugger will Bozens Stadtpolitik aufmischen. Für den jungen Bozner ist die SVP eine Beamten- und Pensionistenpartei, die frischen Wind in ihren Reihen braucht.
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Jakob Baldur Brugger (30) entstammt einer renommierten Famile. Sein Vater ist der ehemalige SVP-Obmann und Senator Siegfried Brugger, seine Tante die langjährige Rom-Korrespondentin der Rai Oktavia Brugger, sein Großvater ist das SVP-Urgestein Peter Brugger, der sich mit Silvius Magnago die legendäre Paket-Schlacht lieferte. Nach dem Studium in Rom, Berlin und Frankfurt stieg Jakob in die Anwaltskanzlei seines Vaters in Bozen ein und meldete sich zuletzt immer wieder mit Kommentaren zur Bozner Stadtpolitk zu Wort – wie auch sein Vater.
Wir treffen uns in der Bar Monaco am Bozner Dominikanerplatz, gleich neben Bruggers Büro. Er bestellt ein Bier und erzählt von seinen Stationen in Deutschland und seinen Erfahrungen in Frankfurt: Wie dort Reichenviertel und soziale Brennpunkte nebeneinander existieren, und es ein Konzept gibt, wie die Stadt mit der Situation umgeht. Das lenkt den Fokus sofort auf Bozen.

Jakob Brugger, war es die Frankfurter Erfahrung, zu sehen, wie Stadtpolitik gemacht werden kann, die den Ausschlag gab, sich auch in die Bozner Stadtpolitik einzumischen?
Der konkrete Anlass waren eigentlich die vergangenen Wahlen. Eine Freundin von mir wollte kandidieren, wurde aber nicht gelassen. Es kann nicht sein, dass eine komplette Generation aus dem politischen Leben ausgeschlossen wird. Es entscheiden Leute, die zwanzig, dreißig Jahre älter sind als wir und von den Problemen der jungen Menschen in Bozen nichts wissen. Ich rede jetzt nicht vom Ausgehen, ich rede von Arbeit, Kita, Preisentwicklung. Wir sind die Krisengeneration: seit ich 2009 von der Uni weg bin, höre ich immer nur Krise. Wer heute 60 Jahre alt ist, ist in einer anderen Welt aufgewachsen als wir es sind.

„Ob ein Kaufhaus kommt oder nicht, ist nicht der Punkt. Aber wo bringe ich mein Kind unter, wenn ich arbeiten gehe?“

Was braucht Bozen?
Auf Gemeindeebene geht es nicht um große Visionen, sondern um die täglichen Probleme der Menschen. Lassen wir das Ethnische und machen wir eine effiziente Verwaltung. Die Dienste müssen funktionieren, die Sicherheit muss gewährleistet sein. Einen Zettel in der Gemeinde abzuholen darf nicht einen kompletten Vormittag dauern. Das sind kleine Dinge, die in Summe den Unterschied machen. Ob ein Kaufhaus kommt oder nicht, ist nicht der Punkt. Aber wo bringe ich mein Kind unter, wenn ich arbeiten gehe? Aber auch: Warum gibt es kein echtes Nachtleben in der Stadt? Wieso kann ich in Innsbruck und Verona hunderttausend Sachen machen, und in Bozen geht nichts weiter. In Bozen fehlt es an Infrastrukturen. Lana oder Meran, Brixen oder Klausen sind funktionierende Orte mit besser funktionierender Verwaltung.
Links-rechts gibt es überall, aber in Bozen ist die ethnische Spaltung präsenter, das macht es noch komplizierter. Wie soll man da einen Konsens finden? Das geht nur, indem man sich zusammentut und Probleme pragmatisch angeht und nicht nach ethnischen Logiken austrägt. Die Bozner Politik soll auf Bozen schauen, und nicht ins Landhaus oder nach Rom.

Die SVP ist vermutlich nicht die erste Anlaufstation für junge Menschen, sie ist aber deine erste Wahl. Warum?
Es ist eine tolle Marke, und die SVP hat immer wieder bewiesen, dass sie sich neu erfinden kann. In den 90er-Jahren ist die SVP eine gute Verwaltungspartei geworden, dieser „Spirit“ ist jetzt etwas verloren gegangen, jetzt ist es nur mehr die Partei, die „weiterwurstelt“. Aber das muss es ja nicht gewesen sein. Ich kann mich erinnern, als ich 16, 17 war und Thomas Widmann frischen Wind in die Partei brachte, da war sie auch für junge Menschen attraktiv. Heute ist es gefühlt die Beamten- und Pensionistenpartei, die noch einige Lobbys protegiert.

Wie sollte sich die SVP in Bozen personell verändern?
Ich will nicht sagen, wer kommen und wer gehen soll, aber die SVP muss sich verjüngen. Das Konzept mit Ortsausschuss, Koordinierungsausschuss und so weiter distanziert die Partei außerdem von der Bevölkerung. Da bestimmen einige Ausschüsse, wer in anderen Ausschüssen sitzt. Die Menschen werden nicht mehr gehört.

Soll die SVP einen eigenen Bürgermeisterkandidaten aufstellen, und wen? Soll man das Bündnis mit dem PD erneuern oder allein marschieren?
Ein eigener Bürgermeisterkandidat? Wieso nicht. So viel Selbstständigkeit und Selbstvertrauen sollte die Bozner SVP schon haben. Wer das aber sein soll – keine Ahnung. 2005, als Elena Artioli für die SVP angetreten ist, bekam die Partei 11.000 Stimmen, im Mai waren es 6.000. Die ethnische Öffnung war damals offensichtlich ein großer Vorteil.

Du bist SVP-Mitglied? Seit Geburt, wie es einst üblich war?
Ich habe meinen Mitgliedsbeitrag heuer nicht gezahlt, weil niemand kassieren kam. Laut Statut wäre ich ausgeschlossen, aber ich bin wohl noch dabei. Mein Vater hat mich in den 1990er-Jahren eingeschrieben und ich hatte nie Grund, auszutreten. Jetzt langsam denke ich darüber nach, aber die SVP wird sich auch diesmal neu erfinden.

Du drohst recht unverhohlen mit einer Bürgerliste …
Das schreiben die Medien gern, ich habe das nie so gesagt. Aber wenn man die Kritik an der SVP zu Ende denkt, was sind dann die Optionen? Entweder man tut nichts, oder man tut etwas anderes, wenn man in der SVP nicht jene Entwicklung sieht, die man sich wünscht. Wenn sich die SVP weiter darauf beschränkt, Partikularinteressen zu bedienen, wird sie weiter Wähler verlieren.

Möchtest du kandidieren?
Ich bin mit meinem Job sehr zufrieden, ich sehe meine Zukunft nicht in der Politik. Aber ich lasse mich nicht lumpen, wenn ich damit andere junge Leute dafür interessieren kann, sich politisch zu engagieren.

„Wenn die SVP die Jugend will, muss sie die Jugend auch unterstützen, auch wenn die Alteingesessenen Stimmen verlieren.“

Woran ist die Kandidatur der Jungen bei den Gemeinderatswahlen im Mai gescheitert?
Es ist versandet. Niemandem wurde die Kandidatur verboten, aber es wurde uns zu verstehen gegeben, dass wir bestenfalls geduldet gewesen wären. Ohne eine gewisse Begeisterung gibt man sich nicht für einen Wahlkampf her. Und diese Begeisterung haben die damals Verantwortlichen recht schnell abgewürgt.

Werdet ihr diesmal mehr Erfolg haben? Wieso wird euch die SVP diesmal einbeziehen?
Welche Figur will die SVP machen? Wenn die SVP die Jugend will, muss sie die Jugend auch unterstützen, auch wenn die Alteingesessenen Stimmen verlieren. Und junge Politik zulassen.

Du warst Pressesprecher der Erlebnishaus-GmbH und bist im Streit gegangen. Was ist passiert?
Ich habe nicht mehr verstanden, nach welcher Logik diese Gesellschaft funktioniert, und war nicht mehr bereit, meinen Kopf dafür hinzuhalten. Manchmal ist die Trennung die beste Lösung.

Wie soll es mit dem Busbahnhofsareal weitergehen?
Man muss die Sache entmythifizieren. Es gibt zwei Projektvorschläge, die 2014 vom Stadtrat genehmigt worden sind, das folgende Verfahren ist leider sehr schlecht durchgezogen worden. Was sind jetzt die Optionen? Man schließt das Verfahren ab – die einzige vernünftige Lösung, so wie ich das sehe. Und wenn die Signa als Sieger daraus hervorgeht, gut, wenn jemand anderes bauen darf, auch gut. Das ist ein verwaltungstechnischer Vorgang, der zu Ende gebracht werden muss. Die Gemeindeverwaltung war mit dem Vorgang völlig überfordert, sie sollte sich Unterstützung von außen holen. Dass da ein Kaufhaus hin soll, ist ja offenbar Konsens, und über die Details wird man sich wohl einigen können.

„Jetzt wollen Leute, die nicht viel jünger sind als mein Vater, die Hände in den Honigtopf bekommen. Die halten mich für einen Agenten der alten Politikergeneration.“

Was wäre, wenn bei den kommenden Wahlen die Rechten gewinnen? Wäre das so schlimm?
Da werden Teufel an die Wand gemalt: Wird man uns die deutsche Schule verbieten? Wir sind als deutsche Minderheit so gut geschützt, dass uns so was keine Angst machen sollte. Siehe Leifers.

Wie hilfreich ist es, ein Brugger zu sein?
Nicht besonders. Das Dynastiekonzept gefällt den Medien. In der SVP ist es ein Makel, weil mein Vater zur alten Generation gehört, die man beiseite schaffen will. Jetzt wollen Leute, die nicht viel jünger sind als mein Vater, die Hände in den Honigtopf bekommen. Die halten mich für einen Agenten der alten Politikergeneration. Die Befürchtung ist allerdings unberechtigt. Vielleicht sind Menschen, die mit Politikern aufwachsen, eher bereit selbst aktiv zu werden, weil sie sehen, es ist keine Hexerei.

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