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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 01.12.2014
LeuteDas Leben als Klosterfrau

Im Dienste des Herrn

Veröffentlicht
am 01.12.2014
Gebete und Verzicht – so stellt man sich ein Leben im Kloster vor. Die 27-jährige Schwester Anna Elisabeth Rifeser räumt mit den Vorurteilen auf.
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Die Klingel hallt hinter der schweren Holztür in den Eingangsbereich des Tertiarklosters in Brixen. Es dauert nicht lange und eine junge Frau öffnet strahlend die Tür. Sie streckt ihre Hand entgegen und stellt sich mit einem festen Händedruck vor: „Ich bin Schwester Anna Elisabeth.“ Dann führt sie in ein Besucherzimmer, setzt sich an den Tisch und schenkt zwei Gläser Mineralwasser ein. Sr. Anna Elisabeth Rifeser erzählt von ihren Hobbies. Sie liest gerne, geht oft spazieren und trifft sich mit ihren Freunden. Das Geigenspiel ist ihre große Leidenschaft. „Die Geige ist mein Ventil“, sagt die gebürtige Welsbergerin und lacht. Sie ist eine ganz normale junge Frau.
Etwas unterscheidet die 27-Jährige aber seit vier Jahren von Gleichaltrigen: Nach ihrem Fachtheologie-Studium in Graz ist sie ins Kloster eingetreten, hat 2012 das Noviziat begonnen und vor einem Jahr die Erste Profess abgelegt. Jetzt ist sie Jungschwester und gehört zu den Tertiarschwestern. Ihre Pullover und Hosen hat sie gegen einen schwarzen Habit und einen schwarzen Schleier getauscht. Zurzeit macht sie ihr Doktorat in Innsbruck und unterrichtet Religion im Maria-Hueber-Gymnasium in Bozen. Die restliche Zeit verbringt sie hier. Dass sie die jüngste Ordensfrau der Gemeinschaft ist, mache ihr nichts aus, sagt sie.

Was bewegt eine junge Frau dazu, ins Kloster einzutreten?
Genau kann ich das nicht sagen. Ich war mit 18 auf dem Weltjugendtag in Köln und habe dort einige junge Schwestern gesehen, die mich sehr fasziniert haben. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mich für das Kloster interessiert, aber noch nicht daran gedacht, selbst einzutreten. Ich habe mein Studium begonnen, weil mich der Glaube interessiert hat. Ich wollte ihn aber auch hinterfragen. Ich war immer schon kritisch und wollte verstehen, was hinter dem Glauben und der Religion steckt. In meiner Studienzeit hatte ich auch eine Beziehung, die Gedanken ans Kloster waren aber immer noch da.
Irgendwann musste ich mich entscheiden. Was ausschlaggebend für den Eintritt war, weiß ich nicht. Es war eine Sehnsucht nach spiritueller Vertiefung und nach Gemeinschaft.

„Alle Leute, einschließlich ich damals, hatten ein Klischeebild: Wenn man ins Kloster geht, ist man eingesperrt, muss den ganzen Tag beten und auf alles verzichten.”

Wie haben deine Eltern und Freunde auf deine Entscheidung reagiert?
Sie waren am Anfang ziemlich entsetzt, weil sie und alle Leute, einschließlich ich damals, ein Klischeebild hatten: Wenn man ins Kloster geht, ist man eingesperrt, muss den ganzen Tag beten und auf alles verzichten. Ich habe das Klosterleben als Horizonterweiterung und Selbstverwirklichung erlebt. Die Ausbildung hat mich menschlich und spirituell gefördert. Meine Eltern und Freunde haben erkannt, dass ich immer noch ich selbst bin. Man muss dazu sagen, dass unser Kloster eine aktive Gemeinschaft ist. Wir leben zwar im Kloster, gehen aber einem ganz normalen Beruf nach und haben viele Bekannte außerhalb des Klosters.

Wie tritt man ins Kloster ein?
Zu Beginn gibt es Kennlerngespräche, bei denen herausgefunden wird, was die Frau sucht und ob sie mit beiden Beinen im Leben steht. Das Kloster darf kein Rückzugsort oder eine Flucht vor der Welt sein. Danach schnuppert man ein halbes Jahr ins Klosterleben. In dieser Zeit trägt man noch normale Kleidung. Erst danach wird man eingekleidet und macht zwei Jahre Noviziat. In dieser Ausbildungszeit trägt man einen weißen Schleier. Dann legt man die Erste Profess ab, man bekommt den schwarzen Schleier und verpflichtet sich für ein Jahr. Bei der fünften Erneuerung legt man die Ewige Profess ab und bindet sich endgültig an die Gemeinschaft. In siebeneinhalb Jahren kann man sich also entscheiden, ob das der richtige Weg ist oder nicht.

Und ist es der richtige Weg für dich?
Ich habe das Gefühl, es ist der richtige Weg. In den vergangenen Jahren habe ich viel mehr zu mir selbst gefunden. Das Klischee, dass man sich aufgeben oder verleugnen muss, stimmt überhaupt nicht. Natürlich stelle ich mir auch mal die Frage, ob es für ewig hält, aber ich habe nie bereut eingetreten zu sein.

Wie sieht dein Alltag aus?
Es ist ein Rhythmus zwischen Gebet und Arbeit. Wir haben um sechs Uhr in der Früh ein gemeinsames Gebet, eine Messe und danach gibt es Frühstück. Bis zwölf Uhr wird meistens gearbeitet und dann gemeinsam Mittag gegessen. Nach Feierabend ist von halb sechs bis halb sieben Uhr wieder gemeinsame Gebetszeit mit anschließendem Abendessen. Weil ich in Innsbruck studiere und in Bozen unterrichte, ist es bei mir zurzeit ein Hin und Her. Ich übernachte manchmal auch in unserer Gemeinschaft in Hall.

Schwester Anna Elisabeth Rifeser im Garten des Tertiarklosters.

Darfst du auch mal Party machen?
Die Party haben wir oft auch im Kloster, indem wir zusammensitzen, ein Glas Wein trinken und a Hetz hobn. In die Disco gehen würde ich so nicht (fasst sich an ihr Gewand und grinst). Ich war aber auch nie der Typ, der gerne ausgegangen ist. Deswegen war es für mich nie ein großes Thema. Ich gehe am Abend gerne einmal mit meinen Freunden etwas trinken, eine Pizza essen oder ins Kino.

Hast du einen Lieblingsfilm?
The Hours. Ist zwar schon ein paar Jahre alt, aber er gefällt mir sehr gut.

Was sollte sich deiner Meinung nach in der Kirche ändern?
Ich würde mich als liberale Theologin bezeichnen. (lächelt) Ich bin dafür, dass sich einige Sachen ändern. Was, das behalte ich für mich, sonst werde ich als Schwester abgestempelt, die das und das ändern will. (lacht) Änderungen der Kirche sind Reizthemen. Meine Haltung zur Kirche ist aber nicht davon abhängig, dass sich schnell etwas ändert oder nicht.

„Wir leben in einer Null-Bock-Generation. Das Lebensziel und die Energie, etwas anzupacken, fehlen oft.”

Siehst du Unterschiede zwischen Religion und Kirche?
An sich auf jeden Fall. Ich glaube aber auch, dass es wichtig ist, die Kirche nicht auf das Lehramt zu reduzieren. Wir sind alle ein Teil der Kirche. Ich bin aber auch nicht dafür, Religion individuell zu leben, weil dann das Korrektiv fehlt. Es braucht die Anbindung an die Kirche. Ich habe eine loyale aber auch kritische Haltung, aber letztendlich findet mein Glaube in der Kirche Heimat.

Was finden Menschen im Glauben?
Ich denke, wir sind alle auf der Suche nach Liebe, Glück und Erfüllung. Der Glaube kann einem eine immense Freiheit fürs Leben geben, weil man es mit dem Wissen gestalten kann, dass jemand da ist. Egal was passiert, jemand fängt einen auf. Der Glaube bietet Rückhalt und hilft dabei, Neues auszuprobieren und mutig durch die Welt zu gehen. Er gibt einem eine Lebensperspektive. Wir leben in einer Null-Bock-Generation. Das Lebensziel und die Energie, etwas anzupacken, fehlen oft. Ich denke, der Glaube kann einem sagen: „Das schaffst du. Gott ist hinter dir. Mach etwas aus deinem Leben.“

Was gibt dir dein Glaube?
Eine Beziehung zu Gott. Obwohl das nicht so klar ist, man bekommt ja keine E-Mail vom Himmel. Der Glaube führt mich in eine Tiefe und zwar nicht nur in eine religiöse, sondern auch menschliche. Ich spüre immer mehr, wer ich bin und kann die Fundamente des Lebens auf eine andere Weise ergründen.

Viele wenden sich von Religion, Kirche und Glauben ab. Was könnte man tun, um junge Menschen wieder für den Glauben zu begeistern?
Als Religionslehrerin will ich jungen Leuten den Glauben nicht anerziehen oder sie dafür begeistern. Sie müssen ihren eigenen Weg gehen. Wenn sie sich dafür interessieren oder das Gefühl haben, dass ihnen der Glaube hilft, super. Wenn es nicht so ist, möchte ich sie einfach auf ihrem Weg unterstützen und begleiten.

Was möchtest du als junge Klosterfrau bewirken?
Ich bin zwar Idealistin, aber ich weiß auch, dass ich die Welt als Schwester nicht revolutionieren kann. Ich habe zwar den Weg gewählt, aber es wäre anmaßend zu sagen, dass ich weiß, was Gottes Wille ist und wie die Welt auszuschauen hat. Ich bin froh, wenn ich mein Leben meistere (lacht). Man kann ganz normal leben und trotzdem an Gott glauben und ein spirituelles Leben führen. Ich glaube, wir Schwestern haben auch die Aufgabe, das zu zeigen. Ich lebe ein ganz normales Leben, es unterscheidet sich nicht so sehr vom Leben außerhalb des Klosters. Die Leute sollten verstehen, dass es nicht immer nur um Leistung und Arbeit geht. Es gibt mehr als nur die Werte, die die Gesellschaft uns vorgibt.

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