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Will man erfahren, was den Charakter einer Partei wirklich ausmacht, lässt man das Wahlprogramm lieber beiseite und geht stattdessen direkt in die Parteiräume. Waren es in der Brennerstraße noch große Konferenzräume, eine Silvius-Magnago-Statue und Hemd und Krawatte, so trifft man in der Bindergasse auf bunte Kaffeetassen, Schreibtischchaos und Gemeinderäte in schmutziger Arbeitskleidung. Nach der Jungen Generation der SVP sind heute die Young Greens an der Reihe. Und als Antagonisten die Junge Süd-Tiroler Freiheit.
Vollgestopfte Bücherregale, ein paar mit Zetteln und Kaffeetassen übersäte Arbeitstische – insgesamt ein Raum, der eher an eine heimelige Stube erinnert als an ein Büro, in dem Politik betrieben wird. Es mag an dem alten Gebäude in der Bindergasse liegen, aber die gemütlichsten Parteiräumlichkeiten haben mit Abstand die Grünen. Vielleicht zu gemütlich. Die Jugendorganisation der Grünen ist ein loser Verband junger Idealisten, die sich ab und zu auf eine Sitzung treffen, sich über aktuelle Themen austauschen, viele Ideen haben, nicht so viel umsetzen.
Offiziell nennt sich das „Aufbauphase“. Die dauert inzwischen schon ungefähr ein Jahr. In diesem Zeitraum hatten die Grünen auch keinen Jugendsprecher mehr. Der Mann, mit dem ich mich über die aktuelle Situation und die Pläne für die Zukunft unterhalte, ist Tobias Planer. „Wir haben viele Wähler und Sympathisanten unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Aber es gibt wenige, die richtig aktiv werden“, stellt er fest. Planer selbst ist zwar auch nicht mehr der Jüngste, ist aber noch immer das Gesicht, das man mit der jungen Generation der Grünen verbindet. Nicht ohne Grund. Im Bereich der Jugendarbeit war Planer viele Jahre lang aktiv, ist es zum Teil immer noch. Man sieht ihn auf Festivals und Konzerten. Und auch jetzt ist er es, der versucht, neues Leben in die Young Greens zu hauchen. Aber nur als Katalysator bzw. Mentor. In der Themenwahl und den Kampagnen haben die Young Greens volle Autonomie.
Themen, die Engagement brauchen, hätte man auch genug. Während der Sitzungen der Young Greens im letzten Jahr sind diese Punkte besonders hervorgetreten:
Um diese Probleme effektiv anzugehen, braucht es allerdings kontinuierliche Mitarbeit. „Das ist schwierig, wenn jeder wegen seiner Studien im Ausland ist. Unter diesem Gesichtspunkt ist der hohe Akademikergrad bei den Grünen ein Fluch“, sagt Tobias Planer, der in Arbeitskleidung vor mir sitzt. Er ist gerade eben von seinem Job im Magazin hierhergeeilt.
Was den Young Greens zu schaffen macht, sind aber weniger die Präsenzvorlesungen, sondern der Mangel an Aktivismus. Denn nur dadurch ließen sich gute Ideen in Handlungen umsetzen. Unter den reich gefüllten Bücherregalen, die die Wände der Parteiräume zieren, würde zur allgemeinen Stimmung bei den Young Greens auch ein Band von William B. Yeats gut hineinpassen. Der schrieb: „The best lack all conviction, while the worst / Are full of passionate intensity.”
Was den Grünen fehlt, hat die Süd-Tiroler Freiheit. Die Präsenz der Partei in den sozialen Netzwerken ist schwer zu übersehen. Zu jedem Thema hört man Meinungen, es gibt Gruppen, Aufrufe, Appelle, Statements. Das ist vor allem dem Nachwuchs der Partei zu verdanken. Als Außenstehender fragt man sich: Ist das alles Teil einer greifbaren, realen Organisation? Oder sind das nur ein paar einzelne Marktschreier, für die Facebook und Twitter das Sprachrohr geworden sind, das früher das Gasthaus oder die Schützenparade waren? Doch blickt man hinter die Kulisse, so zeigt sich, dass die Präsenz online und in den Medien nicht lediglich wirksame Öffentlichkeitsarbeit ist, sondern das medial sichtbare Ergebnis eines echten Aktivismus.
Einer dieser umtriebigen Aktivisten ist Benjamin Pixner. Er ist Jugendsprecher der Süd-Tiroler Freiheit. Kontakte zu jeder einzelnen Gemeinde wie die JG hat die Junge STF zwar nicht – „Dafür fehlen uns Mittel und Leute“, räumt Pixner ein – doch vom Vinschgau bis ins Hochpustertal gebe es regelmäßigen Austausch und Kontakt. Das Rekrutieren von Mitgliedern für die Jugendorganisation der Partei fällt nicht schwer: Über 40 Prozent der Parteimitglieder sind unter 30 Jahre alt.
Doch welche speziellen Themen haben die jungen Patrioten? Dreht sich nicht alles ohnehin um die Selbstbestimmung? „Es ist eher so“, versucht Pixner zu erklären: „Wir haben viele verschiedene Themen. Aber jedes Thema führt letztendlich auf die Frage der Selbstbestimmung zurück, weil sich jedes Problem besser lösen ließe, wenn Süd-Tirol von Rom unabhängig wäre“. Auf dem Wege dahin gibt es aber doch einige Dinge, die sich schon vorher angehen lassen:
Ansonsten sind es neben tagespolitischen Themen in den Gemeinden vor allem die Kampagnen in Hinblick auf die Selbstbestimmung, die junge Mitglieder der STF beschäftigen. Doch Pixner sträubt sich dagegen, die Jugendorganisation der STF nur auf Aktivismus und Idealismus festzulegen. Der junge Vinschger, dessen Augen enthusiastisch glühen, wenn er spricht, sieht das eher so: „Wir sind eigentlich Realpolitiker. Doch während die Realpolitik der SVP bei der Autonomie schon Halt macht, geht unsere Realpolitik darüber hinaus“.
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