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Rosmarie Mangger ist das, was man im Volksmund eine „Kräuterfrau“ nennt. Sie kennt die Eigenschaften und Wirkstoffe unzähliger Pflanzen und weiß, wie sie für die menschliche Gesundheit zu nutzen sind. In ihrem Garten und Schaugarten im Passeiertal kann man auf rund 500 Quadratmetern bis zu 200 verschiedene Kräuter bewundern. Hier wachsen Minze, Lavendel, Thymian, Beinwell, Arnika und Bibernell, um nur einige zu nennen.
Dass traditionelle Naturheilmittel die klassische Schulmedizin ersetzen können, kommt für Mangger nicht infrage. Aber auch allein auf pharmazeutische Arzneimittel zu setzen, findet die Kräuterexpertin abwegig. Mit einer gewissen Nostalgie blickt sie auf Zeiten zurück, als sich beide Wissenswelten noch gegenseitig ergänzten, anstatt gegeneinander ausgespielt zu werden. Die Impfdebatte verschärft die Gräben zusätzlich.
Frau Mangger, ich bin schon seit über einem Monat erkältet und es geht einfach nicht weg. Selbst Antibiotika haben nicht angeschlagen. Haben Sie dafür das passende Kraut?
Ich rate in solchen Fällen zum reichlichen Trinken und Inhalieren von Thymiantee. Das führt zur Beruhigung der Schleimhäute. Thymian hat eine leichte antiseptische und antibiotische Wirkung, schont im Gegensatz zu herkömmlichen Antibiotika aber zugleich die Darmflora.
Auf Ihrer Webseite steht: „Alles, was du brauchst, wächst um dein Haus herum in ziemlich großen Mengen.“ Der Besuch bei der Apotheke hat sich für Sie also erledigt?
Ich habe große Achtung vor der Schulmedizin, weil ich mir bewusst bin, dass die Kompetenzen der Naturheilkunde nicht immer ausreichen, um bestimmte Krankheiten zu behandeln. Deshalb gibt es Situationen, wo ich in die Apotheke oder zum Arzt gehe. Das mache ich aber selten, weil ich sehr, sehr stark auf Prävention setze. Bevor die Erkältungszeit kommt, unternehme ich alles, um von vorneherein ein starkes Immunsystem zu haben. In der Regel reicht das aus, um einen viralen Infekt gut zu meistern.
Wann mussten Sie dennoch zum herkömmlichen Arzneimittel greifen?
Auch wenn das bei jedem Menschen unterschiedlich ist, würde ich bei einer Mittelohrentzündung schon ein Antibiotikum einsetzen. Unbehandelt kann eine starke Mittelohrentzündung zu einer gefährlichen Hirnhautentzündung führen. Generell ist es schwierig, bakteriellen Infektionen allein mit Naturheilmitteln beizukommen.
Normalerweise werden Naturheilkunde und klassische Schulmedizin als Gegensätze gegenübergestellt. Was ist falsch an dieser Sichtweise?
Die Kräuterheilkunde und die Schulmedizin würden sich perfekt ergänzen. Genauso wie die Kräuter nicht gegen jede Krankheit etwas ausrichten können, sind auch die Arzneimittel noch längst nicht in der Lage, jede Krankheit zu heilen. Besonders in der Prävention und der Symptomlinderung können Kräuter sehr viel bewirken.
Woher kommt die Auffassung – oder das Missverständnis – dass Naturheilkunde und Medizin unvereinbare Alternativen sind?
Diese Trennung war lange Zeit gar kein Thema. Noch meine Großmutter hat regelmäßig den Dorfarzt beraten. Damals war die Zusammenarbeit der Ärzte und Apotheker mit kräuterkundigen Bäuerinnen ganz normal. Beide Wissenswelten haben sich gegenseitig bereichert. Geändert hat sich das erst in der Nachkriegszeit mit der aufblühenden Pharmaindustrie, die die Volksheilkunde zunehmend als unliebsame Konkurrenz sah und begann, sie gezielt ins Lächerliche zu ziehen. Auch in der Ausbildung erfahren Ärzte kaum noch etwas über Pflanzen und ihre Wirkstoffe, ein Wissen, das früher viel stärker auch an den medizinischen Fakultäten vermittelt wurde.
Rosmarie Manggers Leidenschaft für die Kräuterwelt entsprang einer persönlichen Krankengeschichte. Vor zehn Jahren hat sie sich mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert. Diese chronische Viruserkrankung tritt mit unterschiedlichen Symptomen auf, die von Gedächtnisverlusten über Herz-Panikattacken bis hin zu Nebennierenentzündungen reichen und Ärzte oft ratlos machen. Bei Mangger schlug keines der üblichen Medikamente an – wie bei so vielen Patienten, die diesem Virus begegnen.
Ihr Glück: Sie war bei einem Arzt mit Kenntnissen der Kräuterheilkunde, der auch verschiedene Kräuter zu ihrer Behandlung einsetzte. Innerhalb kurzer Zeit erwies sich diese Therapie als erfolgreich, heute gilt Mangger als geheilt und hat keine Beschwerden mehr.
Es war genau diese Zeit, als sie begann, sich intensiv mit der Kräuterheilkunde zu beschäftigen. Als gelernte Botanikerin hatte sie schon immer ein ausgeprägtes Interesse für Pflanzen und ihre Wirkstoffe. Doch erst die Krankheit lieferte den ausschlaggebenden Anlass, das Erbe ihrer Großmutter, einer kräuterkundigen „Bauerndoktorin“, die ihre eigene Lungentuberkulose mit Kräutern kuriert hatte, weiterzuführen.
Das Wissen um die Kräuter und ihre Wirkstoffe ist vor allem in der alpinen Kultur und Tradition tief verankert – so war das auch in Ihrer Familie. Die New York Times erklärte mit diesem Naturvertrauen kürzlich auch die hohen Corona-Fallzahlen in den Alpenrepubliken und vor allem in Südtirol.
Das ist genau die Art von Schwarzweißdenken, die wir nicht brauchen. Ehrlich gesagt, kenne ich den Bericht nicht. Ich habe mich aus den sozialen Medien und dem Nachrichtenkonsum immer mehr ausgeklinkt, weil die Debatte um Corona ziemlich gehässig geworden ist und mir das unheimlich auf die Nerven geht.
Leider kommen wir auch jetzt nicht drum herum. Haben Kunden Sie auch schon um heilende Kräuter gegen Corona gebeten?
Es gibt volksheilkundliche Mittel, die seit Jahrtausenden in diversen Kulturen eingesetzt werden und die auch gegen eine Covid-Infektion wirksam sein können. Zum Beispiel Artemisia annua, das weltweit gegen Malaria-Erreger eingesetzt wird. Wir hatten bei uns im Haus auch schon Corona und haben uns mit pflanzlichen Mitteln behandelt. Kritisch wird es im Falle von Vorerkrankungen und schweren Verläufen. Auch dann können pflanzliche Heilmittel ergänzend, aber nicht ausschließlich eingesetzt werden.
Verzeihen Sie das Klischee, aber: Bei einer Kräuterheilkundlerin kann ich mir gut vorstellen, dass sich auch einige Impfgegner an Sie wenden…
Natürlich werde ich oft gefragt, ob die Impfung eine gute Sache ist oder ob man lieber die Finger davon lassen soll.
Was sagen Sie dann?
Dass es eine persönliche Entscheidung ist, die jeder für sich selbst treffen soll. Auch Ängste sind zu respektieren. Viele meiner Kunden sind keine Impfgegner, sie sind einfach unsicher, verwirrt, und wünschen sich Aufklärung. Der Alpenmensch ist grundsätzlich gegenüber allem Neuen skeptisch, das ist bei der Impfung nicht anders. Von extremen Impfgegnern habe ich bislang – zumindest unter meiner Kundschaft – noch nie etwas mitbekommen.
An wem liegt es, diese Aufklärung zu bieten? Die Informationen dazu sind nunmal – auch wegen der vielen Falschmeldungen – widersprüchlich.
Ich glaube, das Problem ist vor allem, dass diese Widersprüche und die Unsicherheit gar nicht mehr zugelassen werden. Als ob es nur die eine Wahrheit gibt. Weder die Schulmedizin noch die Naturheilkunde sind diese eine Wahrheit. Und wenn selbst die Impfhersteller nicht für eventuelle Folgeschäden haften wollen, sondern die Verantwortung gänzlich auf die Vertragsstaaten abschieben, dann verunsichert das die Menschen natürlich noch mehr.
Die Naturheilkunde, wie die „Kräuterfrau“ Rosmarie Mangger betont, ist ein weites Feld: Phytotherapie bzw. Kräuterheilkunde, Kneipp-Therapie, Bachblütentherapie, Homöopathie, Hydrotherapie. Jedes Feld erfordert, analog zur Schulmedizin, eine Spezialisierung, Mangger kennt sich neben Kräutern auch mit Wassertherapie aus.
Sie bemühen sich darum, dass Naturheilkundler und Mediziner wieder enger zusammenarbeiten. Wo liegen da die Hindernisse?
Wie meine Großmutter auch schon gesagt hat: Wenn der Grind nicht will… (lacht)
Bei wem will denn der Grind nicht?
Da gibt es auf beiden Seiten Widerstände. Einige Naturheilkundler meinen, dass jede Medizin nur böse Pharmaerzeugnisse sind. Umgekehrt gibt es Ärzte, die jegliche Naturheilkunde als Humbug ablehnen. Wir vergessen aber oft, dass gerade die medizinischen Wirkstoffe, die die Pharmaindustrie heute auf chemische weise gewinnt, letztlich von pflanzlichen Mitteln abgeleitet sind. Ein Beispiel ist die Acetylsalicylsäure, der Wirkstoff im Aspirin, der natürlich in der Weidenrinde vorkommt und schon in frühen Hochkulturen gegen hohes Fieber eingesetzt wurde.
Glauben Sie, dass dieses Wissen auch in Zukunft noch weitergetragen wird?
Resistente Keime und ernüchternde Forschungsergebnisse führen immer öfter dazu, dass auch Ärzten bei gewissen Krankheiten die Hände gebunden sind. Wenn die klassischen Arzneimittel fehlschlagen, dann sind die Kräuterheilmittel immer einen Versuch wert. Ich arbeite bereits mit einigen Ärzten in der Umgebung zusammen und wünsche mir, dass diese Zusammenarbeit zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde noch intensiver wird. Es hat schon einmal sehr gut funktioniert.
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