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Trudi Matzneller
Veröffentlicht
am 14.10.2024
LeutePorträt Sonja Steger

„Ich liebe die Vielfalt“

Veröffentlicht
am 14.10.2024
Wer am Meraner Kulturleben teilnimmt, kommt an Sonja Steger kaum vorbei. Die Autorin, Publizistin und Kulturarbeiterin ist auch eine Idealistin und arbeitet mit voller Überzeugung in der lokalen Kulturszene mit, sie organisiert, veranstaltet, moderiert. Zum Selber-Schreiben kommt sie dabei gerade wenig.
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Wer Sonja Steger kennenlernt, erkennt sofort, dass sie Kultur nicht nur gestaltet, sondern auch Verbindungen schafft. Ihre besondere Herangehensweise liegt in der Kombination aus künstlerischer Arbeit und der Förderung von Austausch und Netzwerken zwischen Menschen.

„Ich liebe die Vielfalt“, sagt sie gleich als Erstes und zupft ihre grüne Strickjacke mit violetter Umrandung zurecht, der ein Peace-Button als Knopf dient. Sie spricht bedächtig, sinnhaft. Und es ist schnell klar: Diese Frau lebt und atmet Kultur. Sonja Steger ist ein Tausendsassa und ihr Zuhause ein Spiegelbild ihrer selbst – voller Bücher, Erinnerungen und einem Hauch kreativen Chaos. In der gemütlichen Küche läuft leise das Radio, das sie ausmacht, bevor sie sich an den kleinen Tisch setzt. Obwohl sie sagt, dass sie aufgeregt ist, strahlt sie eine bemerkenswerte Ruhe aus. „Es ist halt ein bisschen unordentlich“, meint sie schmunzelnd, aber das stört sie nicht. Ordnung ist für Sonja nicht das Wesentliche im Leben. Wichtig sind ihr die Begegnungen mit Menschen, das Schaffen von Netzwerken, die Offenheit für Neues. „Ich bin so neugierig aufs Leben. Und ich arbeite so gern mit Menschen zusammen“, sagt sie, schenkt Kaffee ein, zündet sich eine Zigarette an und wirft noch einen Blick auf ihre Mutter, die im Wohnzimmer auf der Couch schläft.

Balanceakt zwischen zwei Welten
In ihrem Elternhaus – eine ehemalige Pension am Ortseingang von Schenna – hat sie zwar ihre eigene Wohnung, seit einiger Zeit wohnt sie aber im Dachgeschoss bei ihrer demenzkranken Mutter, die sie liebevoll betreut. Das ist die andere Seite der umtriebigen Kulturarbeiterin. Und diese Seite macht seit bald neun Jahren einen Großteil ihres Lebens aus. „Dass es so wird, hab ich mir nicht ausgesucht“, sagt sie nachdenklich. Doch es sei eine Entscheidung, die sie bewusst getroffen habe. Die Pflege der Mutter sieht Sonja im Moment als ihre Hauptaufgabe, dennoch schafft sie es, die Balance zwischen Fürsorge und kultureller Arbeit zu halten. „Ohne die Kultur könnte ich das nicht“, gibt sie zu. Sie ist ihr Ausgleich, ihre Energiequelle.

was heißt hier links / freiheit ist immer auch / die freiheit des andersdenkenden

Zitat von Sonja Steger aus „der CLUB“, erschienen in: ost west der/il CLUB est ovest. Meran/o Herausgeber: Toni Colleselli und Sonja Steger, Edizioni Alpha Beta Verlag, 2016

„Lei durchs Dummtian werd man gscheide“
Die Liebe zur Kultur begleitet Sonja Steger seit ihrer Jugend. „Früher war ich einfach nur Konsumentin“, erzählt sie, „ich bin ins Konzert gegangen, ins Theater.“ Doch mit der Zeit wurde aus der Konsumentin eine Gestalterin. Besonders prägend war für sie der ost west club est ovest, wo sie seit über 20 Jahren aktiv mitarbeitet. „Ich bin da irgendwie reingerutscht“, sagt sie. Der Club bot ihr einen Raum der Offenheit und des Respekts, in dem sie ihre kreativen Ideen frei ausprobieren konnte. Dieser Ort ermutigte sie, selbst aktiv zu werden. Besonders inspirierend war die Atmosphäre, in der es nicht um Perfektion ging, sondern um das Experimentieren – auch Unvollkommenes und Schräges hatten hier Platz. Diese Freiheit, aus Fehlern zu lernen („Lei durchs Dummtian werd man gscheide“, wie Steger es humorvoll ausdrückt), gab ihr den Mut, eigene Projekte zu verwirklichen und sich im Club als Gestalterin zu engagieren. So leitet sie etwa regelmäßig den Literaturclub, eine Plattform für Schreibende, die ihre Werke vorstellen möchten. Ob Lyrik, Romane oder noch unveröffentlichte Geschichten – im Literaturclub finden sie alle Platz. Sonja Steger sieht in ihm eine Plattform, die weit mehr bietet als nur eine Bühne für Autorinnen und Autoren. „Es geht darum, den Menschen hinter den Worten zu sehen, eine Verbindung zwischen den Schreibenden und den Lesenden zu schaffen.“

Sonja Steger ist ein bescheidener Mensch, der sich nicht gerne in den Mittelpunkt stellt, sie hält sich lieber im Hintergrund. „Wenn ich irgendwo auf der Bühne stehe, jemanden ankündige, dann bin ich in dem Moment zwar im Zentrum“, sagt sie. Sie sehe aber vor allem die Notwendigkeit darin, dass etwa bei einer Buchvorstellung in erster Linie der Autor oder die Autorin wertgeschätzt wird und einen Rahmen bekommt.

Von Herzenssachen und Herausforderungen
Ihr Engagement im ost west club est ovest ist nicht nur eine Herzensangelegenheit, sondern auch eine Herausforderung. Die bürokratischen Hürden, die mit der Umstrukturierung des Vereins einhergehen, zehren an ihren Kräften. „Es ist oft frustrierend“, gesteht sie, und doch gibt sie nicht auf. Denn der Club ist ein einzigartiger Ort, an dem Menschen unterschiedlichster Hintergründe und Generationen zusammenkommen, um gemeinsam Kultur zu erleben und zu gestalten. „Es sind die kleinen Dinge, die einen im eigenen Tun bestärken“, sagt Sonja Steger, wenn sie von den Begegnungen im Club erzählt.

Und es gibt noch andere prägende Kultur-Momente, die sie weitermachen lassen – spannende Projekte, die sie bestärken, wie das Literaturfestival „Festi-Wahl“ im Hotel Gartner in Dorf Tirol, das sie im April 2024 auf Einladung von Florian Gartner moderieren durfte, mit niemand Geringerem als dem renommierten deutschen Schriftsteller Daniel Kehlmann als einem der Gäste.

Sonja Steger hat auch die Kunst- und Kulturzeitschrift „vissidarte“, die von 2005 bis 2019 erschien, mitbegründet. Zudem ist sie Mitherausgeberin der Buchreihe „Meran/o“ sowie eines Buches mit Porträts von 34 Frauen aus Meran, die in verschiedenen Bereichen und in unterschiedlichen Funktionen zur kulturellen und sozialen Vielfalt der Stadt beigetragen haben. Seit 2011 ist sie außerdem für die Organisation und Konzeption des Literaturfestivals „Sprachspiele / Linguaggi in gioco“ verantwortlich, das Kunst, Literatur und Musik vereint.

Lesen: Welterkenntnis und Weltflucht zugleich
Was macht jemand wie Sonja Steger eigentlich in der wenigen Zeit, die ihr neben der Kulturarbeit und der Pflege ihrer Mutter bleibt? Podcasts hört sie jedenfalls nicht, „mein Leben ist schon voll genug“, sagt sie lachend. Für Sport oder Ähnliches bleibt ebenfalls keine Zeit. „Über Hobbys denke ich gar nicht mehr nach. Es ist eine Illusion zu glauben, dass ich sie jetzt ausüben könnte. Und wenn ich etwas nicht umsetzen kann, dann brauche ich mir keine Gedanken darüber zu machen“, stellt sie klar. Aber sie liest, wann immer sie kann. Romane, auch Krimis aus aller Welt, vieles, was Freunde ihr empfehlen. „Lesen ist für mich eine Möglichkeit, die Welt zu entdecken und gleichzeitig aus ihr zu fliehen“, sagt sie. Sie liebe es auch, Gedichte zu lesen, aber sie pflege es gerade nicht, gibt sie zu. In einem Gedicht könne die ganze Welt enthalten sein, die man aber erschaffen muss. Man müsse es auf sich wirken lassen können. „Dafür bin ich im Moment vielleicht zu unruhig“, gesteht sie.

mir ist der himmel / in einer pfütze erschienen / und im grau kreisen raptoren / das nichts hat von mir besitz ergriffen doch bald / bald hol ich mir meinen körper zurück

„Raptoren“, Sonja Steger. Erschienen in: Literatur sichten. Südtirol | Alto Adige | „alto fragile“. Eine Anthologie.Folio Verlag/Literaturhaus Lichtenstein, 2021

Neugier als Quelle der Lebendigkeit und Kreativität
Sonja Steger wünscht sich für ihr Leben, dass sie nie ihre Neugier verliert. Dass sie lebendig und kreativ bleiben kann und darf. Und einfach so wie bisher weitermachen kann. Es ist ein bescheidener Wunsch, der in seiner Einfachheit die Vielfalt des Lebens in sich trägt. Denn für Sonja bedeutet das Leben Freiheit – die Freiheit, Pläne zu haben, aber auch den Mut, sie durchbrechen zu können. Diese kreative Anarchie ist ihr Antrieb, ihre Philosophie. In dieser Balance zwischen Struktur und freiem Fluss findet sie ihre Energie, um weiterhin das zu tun, was sie liebt: Kultur zu leben und zu gestalten.

Auch in diesem Jahr organisiert Sonja Steger wieder das kunstspartenübergreifende Literaturfestival „Sprachspiele / Linguaggi in gioco 2024“. Vom 27. September bis zum 13. Dezember 2024 findet die 13. Ausgabe in Meran, Lana, Dorf Tirol und in Schenna/Verdins statt. Im Zentrum steht die Literatur, ergänzt durch Musik, Performances, Kunst.

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