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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 24.08.2015
LeuteAuf a Glas'l mit Alpinkletterer Simon Gietl

„Ich hatte Todesangst“

Veröffentlicht
am 24.08.2015
Simon Gietl lebt fürs Klettern. Der Alpinist im Interview über Respekt vor dem Berg, Erstbegehungen und seine Familie, die ihn immer wieder auf den Boden zurückholt.
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Seine Handrücken sind übersät mit kleinen Abschürfungen. Simon Gietl lacht nur, als ich ihn darauf anspreche. Das sei völlig normal. Gietl ist Alpinist und Bergführer, immer mit einem Lachen im Gesicht und einem Witz im Gepäck. Erst im Alter von 18 Jahren ist er zum Bergsteigen gekommen. Dann hat er seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und die Tischlerwerkstatt gegen die Berge dieser Welt getauscht. Die Liste seiner Erstbegehungen, Touren und Expeditionen ist ebenso lang wie beeindruckend. „Ich kann mir keinen schöneren Beruf vorstellen“, sagt er mit seinem charmanten Ahrntaler Dialekt. Der 30-Jährige sitzt in der Bar Sportalm in Luttach, unweit von seinem Haus entfernt, bei einem Kaffee. Es ist Glück, dass er heute Zeit für ein Interview hat, denn er ist ständig unterwegs. Jetzt ist er für einige Tage zu Hause, dann geht es weiter zur Eiger Nordwand in die Schweiz. Wenn er wieder da ist, dann gehört seine Zeit Partnerin Sandra und dem zweijährigen Sohn Iano.

Welche Gedanken gehen dir durch den Kopf, wenn du beim Klettern in luftiger Höhe in den Seilen hängst?
Ich muss sagen, wenn ich da oben hänge, dann fühle ich mich einfach am richtigen Ort. (strahlt)

Du hast mal gesagt, du gibst dem Berg die Chance, dich abzuwerfen. Wie ist das gemeint?
Ich verwende in den Dolomiten keine Bohrhaken, sondern traditionell Friends, Keile und Normalhaken. So steht vor jeder Erstbegehung ein großes Fragezeichen, ob sie so überhaupt realisierbar ist. Oft kommt man an einen Punkt, an dem man sich nicht mehr gut absichern kann. Dann geht es auf die Moral, ob man sich traut oder nicht. Oft entscheidet die Vernunft und man beendet das Projekt. Wenn man eine Bohrmaschine mit dabei hätte, was heutzutage gang und gäbe ist, und die Absicherungen zu 100 Prozent sicher sind, kommt man sicher rauf. Wir versuchen aber immer so wenig wie möglich zu bohren.

Hast du noch Angst an der Wand?
Angst zu haben, ist nicht so negativ, wie es zunächst klingt. Eine gewisse Angst oder großen Respekt zu haben, finde ich sogar richtig. Und wer sagt, er hat bei einer Erstbegehung noch nie Angst gehabt, der ist noch nie bis ans Limit gegangen. Der nächste Punkt ist dann allerdings Panik – und die ist nicht gut.

Du kamst einmal in Patagonien in eine brenzlige Situation, die sehr gefährlich wurde, aber zum Glück nochmal gut ausgegangen ist. Was hast du da gefühlt?
Da war die Panik fast auch schon übertreten (lacht). Da hatte ich abgerechnet, ganz einfach. So etwas möchte ich nicht mehr erleben. Wir hingen mitten in der Wand, mitten in einem Gewitter. All unsere Sachen haben angefangen zu funken. Auf dem Helm war ein Verschluss mit einem Metallstück. Alle drei Sekunden haben wir dort einen Stromschlag bekommen. Ich hatte Todesangst und dachte, jeden Moment schlägt der Blitz ein. Ich hoffte nur, dass es schnell geht. Man kann sich vorstellen, wie ich mich da gefühlt habe.

Ein kleiner, silberner Schutzengel hängt an einer Kette um Gietls Hals.

Und deinen Schutzengel hast du immer dabei?
Den habe ich immer mit, der ist von meinem Bui.

Was sagt deine Partnerin zu deiner Leidenschaft?
Sie unterstützt mich, natürlich hat sie auch einen gewissen Respekt. Aber wir kennen uns jetzt schon über zehn Jahre und sie hat mich so kennengelernt und weiß, dass es mein Ziel ist, alt zu werden. Sie hat das schon gut im Griff. (lächelt)

Du warst in China, Kanada, Indien, Grönland, Patagonien … Wo klettert es sich denn nun am besten?
Das ist schwer zu sagen, aber definitiv würde ich die Dolomiten mit keinem anderen Gebirgsstock tauschen. Sie sind einzigartig und es ist sicher mein Lieblingsgebiet. Oft tut es gut, etwas Neues zu sehen, aber wenn man wieder heimkommt, zeigt sich, dass es zu Hause doch immer noch am schönsten ist.

Du hast viele Erstbesteigungen hinter dir. Wie fühlt es sich an, als erster einen Berg zu erklimmen?
Hm, es ist oft nicht unbedingt nur der Moment, wo man schlussendlich oben auf dem Gipfel steht. Ich mache mir oft während der Tour Gedanken, dass es fast nicht vorzustellen ist, dass man diesen Meter als erster Mensch klettern darf. Es geht schrittweise, aber natürlich ist es etwas Einzigartiges.
In Peru waren wir auf einem Berg, der den Drei Zinnen in den Dolomiten ähnelt. Wenn ich auf so einem bekannten Berg meine Spuren hinterlassen kann, dann bedeutet mir das schon viel. Ich denke oft nach, wie es sein wird, wenn ich mal nicht mehr auf der Welt bin … Die Touren werden immer bleiben. So wie ich die Touren hinterlasse, ist das wie eine Art Unterschrift von mir und so sollten sie bleiben.

Welche drei Dinge dürfen auf deiner Bergtour nie fehlen?
Was ganz wichtig ist, ist natürlich ein gewisser Humor und Spaß im Gepäck. Das ist eine Grundvoraussetzung. (lacht) Was noch nicht fehlen darf, sind die richtigen Partner, die auf der gleichen Wellenlänge sein müssen, damit man während der Tour auch eine Gaudi hat. Was super ist, ist ein Belega (lacht). Ein belegtes Brot zu essen, nicht immer nur die Riegel. In Peru hatten wir einen Koch, der hat uns immer Sandwiches mitgegeben. Wir hatten von hier Riegel mit. Schlussendlich blieben diese alle übrig.Wir haben nur Belega gegessen.

Als Bergführer hast du schon viele Leute begleitet. Ist dir eine besondere Geschichte in Erinnerung geblieben?
Was sicher nicht alltäglich war, war ein Österreicher, der vier Tage gebucht hat. Am ersten Tag gings aufs Matterhorn, am zweiten auf die Jungfrau, am dritten auf den Mönch und am vierten auf die Große Zinne. Das macht normalerweise jemand aufgeteilt auf das ganze Jahr. Er hat vier Tage durchgezogen. Die Berge liegen nicht nahe beisammen. Er fuhr immer mit dem Auto und ich durfte neben ihm im Auto schlafen. Daran denke ich oft zurück.
Eine andere interessante Geschichte ist vor etwa einem Jahr passiert. Ich war mit einer deutschen Gruppe unterwegs. Es war eine gemütliche Skitour für Anfänger. Als wir auf dem Gipfel waren, fragte ein Mann um die 50, wo wir hier hinunterfahren. Ich sagte: „Na da, wo wir herauf gegangen sind.” Er könne aber nicht Skifahren. Da dachte ich: „Oh.” (lacht) In jeder Kurve ist er hingefallen, in wirklich jeder. Irgendwann querte er den ganzen Hang und ließ sich immer am Ende hinfallen. Als er angekommen ist, sagte er zu mir: „Simon, ich kann zwar nicht Skifahren, aber ganz schnell aufstehen.” (lacht) Daran denke ich auch noch oft zurück.

„Es ist toll, dass meine Freundin nicht klettert und so zu Hause nicht auch noch übers Klettern geredet wird. Sie zeigt mir, dass es im Leben um mehr geht als darum, wer den kleinsten Griff halten kann.”

Bleibt neben dem Bergsteigen noch Zeit für andere Hobbys?
Schlussendlich ist Bergsteigen mein großes Hobby und meine Leidenschaft. Ich sehe es zum Glück nicht als Beruf. Nur in Diskussionen mit meiner Freundin sage ich manchmal: „Das ist nun mal mein Beruf.” Das ist dann mein Joker. (lacht)
Zu 95 Prozent dreht sich alles ums Bergsteigen. Wenn ich weiß, dass ich weit fahren muss, dann gehe ich in der Früh laufen, aber sonst mache ich nicht viel außer klettern. Was ich gerne mache, wenn ich zu Hause bin, ist mit meinem Sohn in den Wald zu gehen oder vor dem Haus zu spielen.
Es ist toll, dass meine Freundin nicht klettert und so zu Hause nicht auch noch übers Klettern geredet wird. Sie zeigt mir, dass es im Leben um mehr geht als darum, wer den kleinsten Griff halten kann. (grinst)

Jetzt geht es in die Eiger Nordwand. Gibt es noch eine Tour, die schon geplant ist?
Alaska und Puffin Island oberhalb von Kanada. Da will Red Bull einen Film über uns drehen. Im Juni 2016 ist es soweit. Ich freue mich schon darauf. Vor drei Monaten waren wir schon in Alaska, das ist echt eine schöne Gegend.

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