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Er steht nicht in der Küche, schnibbelt Gemüse oder brutzelt Fleisch in der Pfanne. Nein, das wäre nicht Trettl-like. Stattdessen sitzt Roland Trettl auf dem Klo und hält sich eine Wurstsemmel vor sein bestes Stück. Und dieses Foto ziert das Cover seines neuen Buches. In dem lässt er so richtig Dampf ab, über unfähige Köche, die Absurditäten des Michelin und die Übergriffe des Gault&Millau. Er redet darin darüber, wo jedes Essen – egal wie aufwendig es gekocht wurde – wieder landet. Nämlich im Klo. Und er verrät 13 seiner Lieblingsrezepte.
Während der Dreharbeiten für die Vox-Sendung „First Dates” in Köln nimmt sich der gebürtige Südtiroler, der schon mehr als die Hälfte seines Lebens im Ausland verbracht hat, Zeit für ein telefonisches Interview. Wir duzen uns.
Ein normaler Koch würde ja ein Kochbuch schreiben. In deinem sind die Rezepte allerdings nur Nebensache …
Ehrlich gesagt war mir ein Kochbuch einfach zu banal. Es gibt so viele Kochbücher und so viele unfassbar schlechte Kochbücher, warum sollte ich dann auch noch eines machen? Mit Lieblingsgerichten oder Trettls Südtirol-Italienischer Küche?
So ein Buch passt auf jeden Fall besser zu dir.
Das ist eher Trettl-like als ein banales Rezeptebuch.
Neben jeder Menge Lob, Schimpftiraden und „Scheißthemen” verrätst du im Buch auch Tipps, wie jedes Essen besser schmeckt.
Ein gutes Essen bekommst du in erster Linie, wenn du gute Lebensmittel verwendest. Das ist das Wichtigste überhaupt und danach natürlich das gute Kochen. Das ist aber nur ein Teil. Das perfekte Abschmecken am Ende macht das Gericht entweder zu einem guten oder perfekten Essen.
Worin besteht die Kunst des Abschmeckens?
Es bedarf nur weniger Handgriffe. Du kannst mit Kräutern oder Kräuterölen arbeiten, mit verschiedenen Säuren, sei es durch Zitrusfrüchte oder Weinreduktionen. Nussbutter hebt jedes Gericht nochmal auf eine andere Ebene. Du musst mutig sein und ausprobieren. Wichtig ist am Ende die Harmonie auf dem Teller. Das meiste Essen ist für mich einfach nicht zu Ende gekocht.
Du hast als Koch aufgehört, sagst aber selbst, du kochst heute besser als je zuvor. Wie kommt’s?
Selbst wenn ich monatelang nicht koche, merke ich: Das verlernt man nicht. Dadurch, dass die ganze Bürokratie wegfällt, die Mitarbeiter, HACCP, Allergene … die ganzen Dinge, die mich blockieren und immer wieder gebremst haben, ist die Freude beim Kochen größer. Ich will mich als Koch, als kreativer Kopf, nicht mehr damit befassen. Wenn ich jetzt koche, koche ich, weil ich es will; z. B. für ein paar Events. Und witzigerweise fällt mir auf, dass dabei nie jemand drinsitzt, der eine Allergie hat.
Was kochst du am liebsten? Gibt es überhaupt das eine Lieblingsgericht?
Nein. Kochen und Essen hängen von so vielen Komponenten ab. Es gibt kein Gericht, das ich am liebsten koche oder esse. Wenn ich zum Beispiel auf Mallorca bin, esse ich am liebsten Gambas oder Meeresfrüchte. Wenn ich in Südtirol bin, ist es vielleicht Spaghetti Bolognese, weil die meine Mutter am allerbesten gekocht hat, oder Wienerschnitzel. Essen hat viel mit Emotionen zu tun und mit dem Ort, an dem du gerade isst. Und mit der Jahreszeit und der Uhrzeit.
In deinem neuen Buch servierst du Kritikern die möglichen Verrisse für dein Werk gleich mit. Warum?
So wie ein Koch eigentlich ein Rezeptebuch machen muss, muss ein jedes Buch ein Vorwort haben. Mir schlafen bei den meisten Vorworten aber die Füße ein, weil sie so langweilig sind. Deswegen habe ich mich gegen ein Vorwort und für Verriss-Muster entschieden. Wenn Menschen über sich selbst lachen, sich kritisieren und in Frage stellen können, ist das einfach erfrischend.
Auszug aus Trettls Buch: Rüpelhaft und im Tonfall eines Halbstarken zieht Trettl in „Nachschlag“ über die Branche her, der er seinen bescheidenen Ruhm zu verdanken hat.
So ganz ernst zu nehmen sind sie aber nicht, oder?
Ich teile im Buch aus, dann kann ich auch mir gegenüber austeilen. Warum muss ich mich verschonen? Ich mag keine Menschen, die immer nur mit dem Finger auf andere zeigen und es nicht schaffen, vor der eigenen Haustür zu kehren. Deswegen: Zuerst verreiße ich mich, dann kann ich die anderen noch besser verreißen.
So wie Gault & Millau oder den Guide Michelin.
Ja. Ich habe einfach das Gefühl, dass sie vor 30 Jahren stehengeblieben sind. Die Veränderung wurde versäumt. Da hilft es auch nicht, wenn man witzig sein will und einen Stern an irgendwelche komischen Hühnerbuden in Singapur vergibt, um marketingtechnisch auf einen Zug aufzuspringen, der eigentlich schon lange abgefahren ist.
Die Sterne sind also nicht gerecht verteilt?
Nehmen wir als Beispiel Südtirol. Ein Patscheiderhof existiert im Michelin nicht und wenn er im Gault & Millau existiert, dann nur mit 13 Punkten. Und ich frage mich, wieso? Wenn ich dort essen gehe, dann bekomme ich die für mich besten Knödel und Schlutzkrapfen. Und davon gibt es sicher noch viele andere in Südtirol. Sie liefern eine unfassbare Top-Qualität und das kulinarische Erlebnis ist ein Wahnsinn. Der müsste für mich schon drei Sterne kriegen. Andererseits gehe ich in einige 2-Sterne-Restaurants und frage mich, wo da das kulinarische Erlebnis bleibt, außer, dass es zehnmal so teuer war.
Ein Kapitel in deinem Buch widmest du deiner TV-Kochshow „First Dates”. Die Kandidaten werden dabei vorab anhand von Vorlieben und Abneigungen ausgewählt. Mal ehrlich, da werden doch sicher manchmal absichtlich zwei, die nicht passen, zusammengesetzt.
Nein, wirklich nicht. Und ich bin überzeugt, dass die Show gerade deswegen erfolgreich ist, weil eben genau das nicht passiert. Wir wollen die Zuschauer mit einfachen, authentischen Dingen entertainen. Wir wollen, dass zwei Menschen zusammenfinden und für uns ist es das Enttäuschendste, wenn wir merken: Scheiße, die zwei passen überhaupt nicht zusammen.
First Dates läuft 180 Mal im Jahr. Während des Drehs verbringt Trettl viel Zeit in Köln (Anm. d. Red.).
Deswegen hilfst du auch ab und zu mit einem Schnapsl nach.
Genau. Wir wollen keine peinlichen Situationen schaffen. Wir leisten viel Vorarbeit und führen Gespräche mit den Kandidaten, aber natürlich kann es passieren, dass sich mal zwei gegenübersitzen, wo es einfach nicht passt.
Gibt es Kandidaten, die dir aus deiner Kochshow noch in Erinnerung geblieben sind?
Die positivsten bleiben einem schon in Erinnerung. Vor allem, wenn sie geheiratet haben.
Ach, gibt es schon die ersten Hochzeitspaare?
Die erste Hochzeit fand bereits im Sommer statt. Und es gab auch schon viele Verlobungen.
Deine Frau muss manchmal ganz schön viel aushalten.
Ja gut, aber das hat sie schon gewusst. Wir sind ja schon länger zusammen. Dass ich ein schwieriger Mensch bin, dessen bin ich mir bewusst, deswegen brauche ich auch eine Frau an der Seite, die selbstbewusst genug ist. Ich bin der Letzte, den sie braucht, um glücklich zu sein. Ich bin vielleicht ein kleines Zuckerle, und das sollte jeder so sehen. Man muss selbst glücklich sein, um in der Beziehung glücklich sein zu können.
Kochst du zuhause oder deine Dani?
Beide. Am besten nicht gemeinsam. Und das hat jetzt nichts mit Platzgründen zu tun, unsere Küche wäre groß genug.
Das beste Kochformat der Welt bleibt für dich „Kitchen Impossible“. Was reizte dich an der Show? Und was war die Herausforderung?
Es ist ein total ehrliches, authentisches Format. Du wartest auf eine schwarze Box, die jeden Moment kommen kann. Du hast null Ahnung, was drin sein könnte, und du weißt, du musst jetzt einfach zurechtkommen, egal was drinnen ist und wohin es geht. Das ist schon echt eine nervliche Belastung. Immer wenn ich irgendwo eine schwarze Box sehe, fange ich an zu schwitzen, auch wenn ich gerade nicht drehe.
Bei „Kitchen Impossible“ duellieren sich zwei Köche. Sie reisen in ein Land, bekommen eine schwarze Box mit einem Gericht und müssen dieses analysieren und überlegen, wie sie es selbst kochen würden (Anm. d. Red.).
Im Buch thematisierst du natürlich auch Südtirol: „Kaum hatte ich Erfolg und bin in München in der Küche des berühmten Eckart Witzigmann gelandet und schließlich dessen rechte Hand geworden, sprachen sie hinter meinem Rücken schlecht über mich.“ Ist das der typische Südtiroler Charakter. Niemand gönnt dem anderen was?
Ich weiß es nicht. In Südtirol fällt es mir halt besonders auf, weil ich dort aufgewachsen bin. Vielleicht ist es ein Ding der Menschheit, dass der Neid großgeschrieben wird. Ich kenne keinen Neid. Das ist eine Eigenschaft, die für mich nicht existiert. Ich freue mich für jeden, der erfolgreich ist, weil ich das super finde.
Eine gute Eigenschaft.
Ja, aber wenn du diese Eigenschaft hast, dann kapierst du nicht, warum Menschen neidisch sind. Mein Vater hat aber gesagt: Roland, du darfst nicht vergessen, du bist ein erfolgreicher Mensch, und nicht jeder gönnt dir den Erfolg. Und ja, er hat vermutlich Recht, aber ich verstehe so was nicht. Warum soll man nicht jemandem etwas gönnen?
Was liebst du an Südtirol?
Südtirol ist der Ort, wo ich geboren und aufgewachsen bin, wo ich meine ersten Freundschaften geknüpft habe. Das sind alles Dinge, die mich geformt haben. Südtirol wird immer einen Part in meinem Leben haben. Als ich in irgendeinem Club in Peking an der Theke stand, habe ich hinter mir drei Südtiroler reden hören, und da hast du dieses Gefühl, das du nicht hast, wenn du Österreicher oder Deutsche im Ausland hörst. Dieses Heimatverbundene.
Obwohl du schon länger im Ausland lebst als hier?
Ich lebe schon über die Hälfte meines Lebens im Ausland. Das zeigt, was für ein alter Sack ich mittlerweile schon bin. Aber trotzdem bin und bleibe ich Südtiroler, egal, ob ich es mag oder nicht. Aber je länger ich weg bin, desto lieber mag ich es wieder. Wie gesagt, die Kulinarik ist ein Wahnsinn, die Qualität der Hotels ist ein Irrsinn, unfassbar gut. Selbst das Engstirnige der Südtiroler ist wieder etwas, was reizvoll sein kann und was Südtirol auch wieder ausmacht.
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