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Matthias Cologna ist Gemeinderatskandidat in Bozen und dort seit 2018 Koordinator des Team K. Er studierte eine Zeit lang Wirtschaftsingenieurwesen an der Uni Padua, wechselte dann nach Bozen und machte den Bachelor in Ökonomie und Sozialwissenschaften und den Master in „Economics of the public sector“. Nach einem neunmonatigen Abstecher in der Landtagsfraktion des Team K arbeitet er heute in der Generaldirektion der Landesverwaltung im Bereich Controlling.
Matthias Cologna, was muss in Bozen passieren?
Bozen ist eine demografische Bombe. Ein Viertel der Leute ist über 65. Die Jugendlichen gehen und kommen nicht mehr zurück . Im Norden ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser, die Verdienste sind höher. Ich habe beim Studium in Bozen weniger Bozner gesehen, als ich in Wien, München oder Innsbruck getroffen hätte. Wir müssen die Stadt attraktiver machen.
Wie denn?
Wir brauchen eine Gesellschaft, in der sich Jugendliche treffen können. Bozen ist keine Gemeinschaft, Bozen ist gesplittet zwischen Zentrum und Peripherie, deutsch und italienisch, Alteingesessenen und Zuwanderern. Es geht in Bozen meist um die Ideologie, statt um die Sache. Es braucht mehr Austausch. Der Rentscher sollte nach Don Bosco zur Festa delle Api gehen, und der aus Don Bosco zum Zigglfest.
Die Feiermeile Obstmarkt hat keinen guten Ruf.
Ein Ausschankverbot auf dem Obstmarkt wird das Problem der Movida nicht lösen. Die jungen Menschen kommen zum Obstmarkt, weil sie in der Stadt keine anderen Plätze haben. Diese Verordnungen des Bürgermeisters wie auch jene des “Daspo urbano” für den Bahnhofspark verschieben nur die Probleme und lösen sie nicht nachhaltig.
Das Team K will mehrsprachige Kindergärten und Grundschulen. Das klingt eher nach den Grünen.
Man muss nicht bei den Grünen sein, um ein Grüner zu sein. So wichtige Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit können und sollen nicht das Monopol einer Partei sein.
Wir wollen alle Sprachgruppen vertreten, unser Ziel ist eine offene, mehrsprachige Gesellschaft mit einer mehrsprachigen Schule als dritte Option. Das würde in Bozen auch die deutschsprachigen Kindergärten entlasten. Bozen ist ein Zukunftslabor. Hier wollen wir testen, dann ausweiten.
Der Rentscher sollte nach Don Bosco zur Festa delle Api gehen, und der aus Don Bosco zum Zigglfest.
Was soll mit Ötzi passieren?
Der Ötzi gehört nicht auf den Virgl. Wir wollen nicht den größten Anziehungspunkt der Stadt auf einen Berg verlegen, auf den eine Seilbahn führt, die in einem Einkaufszentrum startet. Der Tourist kommt mit dem Auto, parkt im Einkaufszentrum, isst im Einkaufszentrum, fährt mit der Seilbahn zum Ötzi, fährt wieder runter und ist weg.
Aber natürlich wollen wir nicht alles im Zentrum vereinen. Der Ötzi könnte ins Pascoli-Areal, in Verbindung mit der mehrsprachigen Bibliothek. Der inzwischen leider verstorbene Architekt des Bibliothekszentrums, Christoph Mayr Fingerle, hat bestätigt, dass das ginge. Wir wollen eine Tourismus- und Kulturmeile von Zwölfmalgreien bis Gries und eine verkehrsberuhigte Zone von den Lauben bis zum Mazziniplatz. Auch den anderen Stadtvierteln täten verkehrsberuhigte Zonen gut.
Da werden die Autofahrer wenig Freude haben.
Wir bauen Tunnels und Umfahrungen, aber haben keine langfristigen Mobilitätslösungen. Die Leute nehmen das Rad, wenn man schneller ist, als mit dem Auto, also muss man die Stadt entsprechend umgestalten und den Rädern Vorrang geben. Straßen verengen und Radwege bauen. Stadtviertel wie Casanova haben keine Nahversorgung, kein Wunder, dass sich Menschen dann in die Stadt und in die Einkaufszentren pendeln und internen Stadtverkehr erzeugen.
Ein Dauerthema in Bozen ist der knappe Wohnraum. Was schlagt ihr vor?
Es gibt in Bozen 4.000 leerstehende Wohnungen, die man wieder auf den Markt bringen muss. Man könnte zum Beispiel die Immobiliensteuer auf leerstehende Wohnungen erhöhen. Ein anderer Ansatz wäre, dass das Wohnbauinstitut die leerstehenden Wohnungen vermietet und sich um alles kümmert, damit wären viele eher bereit, zu vermieten. Ich wünsche mir auch eine Agentur, die Obdachlose, Abhängige und so weiter in Wohnungen bringt und für diese Menschen bürgt. In Padova funktioniert das sehr gut.
Im Bahnhofsareal sollen Wohnungen gebaut werden.
Gut, dass da etwas geschieht, es ist die größte städtebauliche Umgestaltung der nächsten 100 Jahre. Aber noch sind viele Fragen offen. Wird dort Wohnraum für Junge und Familien geschaffen? Wieso baut der Private und das Wobi kauft, wieso baut nicht gleich das Wobi?
Die Maßnahmen waren anfänglich sicher nötig, aber dann gab es Dinge, die nicht mehr in Ordnung waren.
Was sagst du zum Umgang mit dem Coronavirus?
Es war ein gewaltiger Einschnitt in unsere Grundrechte und es war bemerkenswert, wie schnell und diskussionslos die Leute das akzeptiert haben. Die Maßnahmen waren anfänglich sicher nötig, aber dann gab es Dinge, die nicht mehr in Ordnung waren. Das Verbot des Bozner Bürgermeisters etwa, sich nicht weiter als 200 Meter vom eigenen Haus zu entfernen. Wenn ich in einem elfstöckigen Kondominium lebe und dann gehen alle rund ums Haus spazieren, was soll das bringen? Wieso lasse ich die Leute nicht gehen, soweit sie wollen, solange sie allein sind? Es gab Maßnahmen, die hinterfragt werden müssen.
Warum bist du in die Politik gegangen?
Ich habe mich seit der Mittelschule mit Tagesproblemen beschäftigt und bald gemerkt, ich würde vieles anders machen. Ich war 2011 Initiator und Chefredakteur der zweisprachigen Zeitung Zero Quattro Sieben Oans und bekam Anfragen von mehreren Parteien, ob ich kandidieren will. Aber es hat mir nichts richtig gepasst.
Vor den Landtagswahlen 2018 hat mich Paul Köllensperger gefragt. Aber er hat nicht gesagt “Willst du kandidieren?”, er hat gesagt: “Komm vorbei, schau’s dir an, reden wir drüber”.
Er hat dich überzeugt?
Die Werte haben gepasst. Sozialliberal und ökologisch. Die Landtagswahlen waren dann ja ein Riesenerfolg.
Team K tritt in Bozen in einem Wahlbündnis mit der Sozialistischen Partei, +Europa und Volt an, Bürgermeisterkandidat ist Thomas Brancaglion. Der wird’s nicht werden, wer soll stattdessen gewinnen?
Wir arbeiten bis zur letzten Stunde, dass es Thomas in die Stichwahl schafft. Wenn er es nicht schafft, werden wir uns mit den beiden erstgereihten Kandidaten treffen und entscheiden, wen wir unterstützen, und ob wir überhaupt jemanden unterstützen.
Wenn man eine bestimmte Politik macht, merkt man, dass manche einen fertigmachen wollen.
Die „ff“ schrieb Anfang August von einem schweren Sommer für das Team K, in dem jede Woche ein anderer Abgeordneter negativ in den Schlagzeilen sei. Und das war noch vor dem Wirbel um Köllenspergers 600-Euro-Bonus. Das Team K wollte alles besser machen, jetzt ist das Image angeknackst. Wie kommt ihr da wieder raus?
Ich glaube, Paul Köllensperger hat nie gesagt, dass er alles besser macht. Er wurde von den anderen so wahrgenommen und so betitelt. Wir intern haben die ganze Sache nicht so negativ wahrgenommen, wir sind in Aufbruchstimmung. Wir haben 80 Kandidaten in 5 Gemeinden, wir sind optimistisch.
Im selben Interview spricht Köllensperger von „jenen, die hinter diesen Angriffen die Fäden ziehen“. Das klingt nach Salvini, wenn er von den ominösen ‘poteri forti’ spricht, die ganz ganz gemein zu ihm sind. Renate Holzeisen, die für das Team K bei den Europawahlen kandidiert hatte, schimpfte heute früh (am Tag des Interviews, Anm. d. Red.) über die Mainstream-Medien.
Ist so das Team K?
Wenn man eine bestimmte Politik macht, merkt man, dass manche einen fertigmachen wollen. Wir sind vielen nicht erwünscht, man versucht, uns alles Mögliche zu unterstellen. Das mit den Masken etwa ist totaler Schwachsinn. Paul hat ein Angebot weitergeleitet und gebeten, das zu prüfen. Was soll da nicht in Ordnung sein?
(SVP-Stimmen und Medienberichten zufolge soll Paul Köllensperger einen dubiosen Maskenlieferanten vermittelt haben, der sich nach einer Nachforschung durch den Sanitätsbetrieb als Briefkastenfirma erwies, Anm.).
Schließlich sagte Paul Köllensperger, Kandidaten hätten Angst, sich als TKler zu outen. Das ist doch heute nimmer so?
In Bozen nicht, aber in kleinen Dörfern ist das sicher noch manchmal so. Ich kenne solche Fälle. Wir seien die ‘Totengräber der Autonomie’ und was weiß ich.
In Bozen, Brixen, Bruneck, Meran und Leifers tritt Team K direkt an, in manchen Orten unterstützt ihr Dorflisten.
Wir haben in einigen Städten, zum Beispiel Bruneck, die Chance auf die Stichwahl. In den Dörfer wollen wir den Bürgerlisten keine Konkurrenz machen, aber wir unterstützen sie gern, wenn sie das wollen.
Was ist das Wahlziel?
Das ist schwer abzuschätzen. Allein in Bozen treten 18 Listen an.
Und dein Ziel? Du kamst bei deiner Landtagskandidatur auf Platz 30 von 35.
Und bekam immerhin 440 Vorzugsstimmen, das war nicht schlecht. Ich hoffe, dass ich es in den Gemeinderat schaffe.
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