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Anna Luther
Veröffentlicht
am 24.09.2018
LeuteDie jüngsten Kandidaten

Für ein weltoffenes Südtirol

Veröffentlicht
am 24.09.2018
Der jüngste Kandidat der Grünen, Zeno Oberkofler, will das System der Sprachgruppenzugehörigkeit modernisieren und sich für leistbares Wohnen einsetzen.
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Italienisch oder Deutsch? Das ist in Südtirol oft die Frage, ob in der Bildung oder bei der Erklärung der Sprachgruppenzugehörigkeit. Zeno Oberkofler, Jahrgang 1997, ist überzeugt, dass gerade die jungen Generationen sich heute nicht mehr für die eine oder andere Sprache entscheiden müssen sollten. Der Bozner Student will deshalb den Proporz modernisieren und unser Land weltoffener machen. Wie er sich das vorstellt, erklärt er im Interview.

Wieso kandidierst du bei den Landtagswahlen für die Grünen?
Ich bin in einer zweisprachigen Familie aufgewachsen und besuchte italienische und deutsche Schulen. Als ich 18 wurde, war es für mich sehr schwierig, bei der Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung zu entscheiden, ob ich nun deutsch oder italienisch bin. Deshalb versprach ich mir selbst, das System der Sprachgruppenzugehörigkeit zu ändern.

Zu welcher Sprachgruppe hast du dich bekannt?
Zur deutschen. So machen es die meisten Zweisprachigen in Südtirol, da durch den Proporz de facto mehr Stellen für deutschsprachige Menschen vorgesehen sind.

„Wir müssen die Zukunft wagen und Sprachenvielfalt als Ressource sehen! “

Wie beurteilst du die Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung?
Wegen dem Faschismus, der durch die Italienisierung und die Option für Südtirol wirklich besonders schlimm war, war die Einführung des Proporzes sehr wichtig. Dieses System hatte nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Sinn, da seit Mussolini nur italienische Bürger in der öffentlichen Verwaltung arbeiten konnten.

Und heute?
Im Jahr 2018 ist diese Erklärung einfach überholt. Wir müssen die Zukunft wagen und Sprachenvielfalt als Ressource sehen! Das Autonomiestatut hat sich seit 1992 nicht wirklich verändert, wir sollten es nicht als in Stein gemeißelt betrachten. Deshalb fordere ich, dass auch wir Mehrsprachige in Südtirol als Minderheit anerkannt werden.

Wie willst du die Anerkennung politisch durchbringen?
Ein erster Schritt wäre es, im Formular der Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung deutsch, italienisch, ladinisch oder mehrsprachig ankreuzen zu können. Ein zweiter Schritt ist für mich eine überlegte Modernisierung des Proporzes. Mehrsprachige Lehrer könnten beispielsweise in deutschen, italienischen oder auch gemischten Schulen unterrichten.

Du denkst, dass die Jugend allzu oft von der Politik gebremst wird. Was meinst du konkret damit?
Politik kann man eigentlich überall machen, man muss nicht unbedingt einer Partei zugehören. Viele junge Menschen mit coolen Ideen – wie beispielsweise der Organisation eines Events – lassen sich von der überbordenden Bürokratie entmutigen. Viele Jugendliche sind weltoffen, studieren im Ausland und sehen Mehrsprachigkeit als Reichtum. In Südtirol gibt es aber eine Politik, die Plakate mit der Aufschrift „deutsche Kindergärten nur für deutsche Kinder“ aufstellt.

Was sind deine politischen Forderungen?
Neben den mehrsprachigen Schulen sind mir der Wohnungsmarkt, die Lebenshaltungskosten und die Rechte von Studenten in und außerhalb Südtirols wichtig. Junge Menschen studieren im Ausland und würden gern danach nach Südtirol zurückkehren. Es fehlen aber die Rahmenbedingungen für eine Rückkehr: Erleichterung der Anerkennung von Studientiteln, mehr Investitionen für Innovation, leistbares Wohnen und höhere Löhne. Dadurch würde auch der Ärztemangel in Südtirol zurückgehen und Studenten der Universität Bozen würden leichter eine Wohnung finden.

In eurem Parteiprogramm ist Nachhaltigkeit wesentlich. Wieso?
Ein gutes Beispiel hierfür ist der Tourismus, von dem Südtirol lebt: Wenn wir nicht beginnen, nachhaltigen Tourismus anzustreben, wird die gesamte Branche in sich zusammenfallen. In welche Richtung wollen wir uns entwickeln? Städte wie Venedig drohen unter der Last des Tourismus zu ersticken. Beabsichtigen wir diesem Negativbeispiel nachzueifern oder möchten wir ein Gleichgewicht schaffen, mit dem Einheimische und Gäste in Südtirol gut leben, beziehungsweise Südtirol gut erleben können? Touristen kommen nicht nach Südtirol, um stundenlang im Stau zu stehen.

Ist das der einzige Grund für Nachhaltigkeit?
Nein. Logisch drängt auch der Klimawandel zu Nachhaltigkeit. Wenn wir nicht jetzt anfangen, dieses Thema ernst zu nehmen, wird das Problem immer größer werden. Alle reden über Flüchtlinge, die zu uns kommen, aber niemand vom Klimawandel. Dieser aber ist eine ganz ausschlaggebende Ursache, weshalb Menschen auswandern.

„Gerechtigkeit ist die Basis des Staates. Jeder soll die gleichen Chancen haben, da gibt es noch vieles zu tun.”

Eine zweite wichtige Forderung der Grünen ist die Gerechtigkeit. Was verstehst du darunter?
Gerechtigkeit ist die Basis des Staates. Jeder soll die gleichen Chancen haben, da gibt es noch vieles zu tun. Leider geht die Schere zwischen Arm und Reich auch in Südtirol immer weiter auseinander. Man muss dafür sorgen, dass sich nicht einige Wenige auf Kosten der Mehrheit bereichern, sondern alle denselben Zugang zu Gütern und Ressourcen haben!

Bei den letzten Wahlen in Europa feierten verstärkt rechte Parteien Erfolge. In Südtirol versteht sich die SVP als Sammelpartei der Mitte und sagt von sich, alle Schichten der Bevölkerung bedienen zu wollen. Zu wenig?
Die SVP hat vor allem im Administrativen einige Sachen gut gemacht. Südtirol ist ein lebenswertes Land. Die SVP ist aber eine Partei, die keine Vorstellung hat, wie sich Südtirol weiterentwickeln soll. Es ist immer ein „weiter so, weiter so“. So erkannte die Volkspartei das bindende Referendum mit 70 Prozent Wahlbeteiligung in Mals nicht an, bei dem sich die Mehrheit für eine pestizidfreie Gemeinde entschied. Sie lud Sebastian Kurz nach Bozen ein. Wenn das die Richtung ist, in die die SVP steuert, dann müssen wir entgegenwirken.

Migration verursacht berechtigte Ängste bei der Bevölkerung. In den letzten Jahren haben linke Regierungen in Europa sich zu wenig um benachteiligte Schichten gekümmert. Wie stehst du zum Thema?
Flüchtlingsströme lassen sich nicht aufhalten. Im Anblick der gesamten Gesellschaft müssen wir das Flüchtlingsproblem mit Expertise und Hausverstand lösen. Wenn jedes Land in Europa beginnt sich abzuschotten, wird das Problem nur größer werden. Zudem kann man nicht sagen, dass alle sozialen Probleme auf Migration zurückzuführen sind. Aber natürlich ist es viel leichter, mit den Ängsten der Menschen zu spielen, als ihnen die Wahrheit zu sagen.

Wer ist dein politisches Vorbild?
Einer der großen Politiker, die mich inspirieren, ist Alexander Langer (Wegbereiter der Grünen Partei in Südtirol und Italien, Anmerkung d. R.). Er setzte sich als einer der großen Pazifisten Europas beim Krieg der Balkanländer ein und arbeitete im europäischen Parlament, um Konflikte zu lösen. Zu seiner Zeit lebte er eine Zukunft vor, die bis heute noch nicht vollständig Realität geworden ist: Ein weltoffenes Südtirol in einem vereinten Europa ohne Barrieren, in dem Vielfalt als Reichtum angesehen wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

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