Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus
Wenn in Kastelruth die Sonne scheint, sitzt Evi Gasser im Garten vor ihrem Haus und zeichnet. So entstand auch Waltraud: eine kleine Hexe mit kurzem, braunem Haar, einem rot-weiß kariertem Kleid und geflickter Schürze. Waltraud ist die Protagonistin von Evi Gassers 50. illustriertem Kinderbuch: “Die kleine Hexe Waltraud und die Duftwolke”.
Geboren wurde Waltraud, wie auch andere Buchfiguren von Evi Gasser, in einem Skizzenbuch. Darin entwirft Evi Gasser Figuren und Landschaften. Anfragen zu Illustrationen kommen auch von ausländischen Autoren oder Verlagen. Interessenten lassen der gelernten Grafikerin verschiedene Geschichten zukommen und Evi Gasser wählt dann jene aus, die gut mit ihrem Zeichenstil harmonieren. Evi Gassers Stil ist einfach und farbenreich: zierliche Figuren mit einem etwas größeren Kopf, roten Wangen und buntem Gewand, naturreiche Landschaften mit kräftigen Farbtönen. Manche erkennen Gassers Stil auf den ersten Blick, wenn sie in der Kinderabteilung ein neues Buch suchen. Darauf ist Gasser merklich stolz. Als Illustratorin will man mit dem eigenen Stil herausstechen.
Bereits als Kind verbrachte Evi Gasser Stunden um Stunden mit dem Zeichnen und Malen. In ihrer Oberschulzeit entwarf sie Karikaturen ihrer Lehrpersonen und begann, einige ihrer Bilder an ihre Lieben zu verschenken. Die gelernte Grafikerin wagte 2007 den Schritt in die Selbstständigkeit, nachdem sie jahrelang Zeitungslayouts und Werbegrafiken entwarf. „Eine Ausbildung zur Illustratorin habe ich nie gemacht, aber mit jedem Projekt verändert man sich und entwickelt sich weiter.“ Mit der Zeit hat sie sich die 48-Jährige einen Namen gemacht und kann gut von ihren Illustrationen leben. Heute arbeitet die Mutter zweier Mädchen nur vormittags, wobei der Zeichenblock sie überall hin mit begleitet, sodass jede Idee sofort festgehalten werden kann.
Von der Idee bis zur fertigen Illustration ist es ein langer Weg. Sobald die Skizzen zu einem neuen Buch zufriedenstellend sind, beginnt die eigentliche Arbeit. Evi Gasser präsentiert gern ihre Arbeitszimmer, in denen die meisten ihrer Skizzen zu Zeichnungen werden: Ein Raum dient dem analogen Malen, noch klassisch mit Pinsel, Farben jeglicher Art und Papier. In einem anderen Raum steht ein Bildschirm, auf dem digital gemalt werden kann. Vor einigen Jahren legte sich Evi Gasser diese digitale Variante zu, um Skizzen direkt an den Auftraggeber zu verschicken, ohne sie zuerst einzuscannen zu müssen. Schneller ist die digitale Variante für das Zeichnen nicht unbedingt, teilweise nimmt sie sogar mehr Zeit in Anspruch. Dennoch ist sie in vielerlei Hinsicht bequem.
Trotz des Umstiegs auf ein Touchpad für die finale Illustration entstehen noch einige von Gassers Bilder analog, ganz im alten Stil: mit Wasserfarbe, Holzfarbe, rauem und glattem Papier. Diese besonders aufwendigen Originale bewahrt Evi Gasser in einer Schublade auf. Macht man diese auf, springt einem ein Stapel farbreicher Originalbilder entgegen. Evi Gasser zieht ein Bild vom Stapel heraus, worauf ein kleines Mädchen mit blonden Haaren und einem himmelblauen Kleid aus dem Buch „Paula und das Baggerloch“ zu sehen ist. Das nächste Bild ist jenes der kleinen Hexe Waltraud. Die Geschichte nach Andrea Nickel spielt sich in den Bergen im kleinen Dorf Wolkenfels ab. In diesem Dorf wohnt Konrad, der so große Angst vor der Schule hat, dass er sogar Bauchschmerzen bekommt. Die kleine Hexe Waltraud möchte Konrad helfen, mutig zu sein, indem sie sich aus dem Geheimrezeptbuch ihrer Tante Gundi bedient. Im Buch geht es um das Wahrnehmen von Ängsten und Sorgen, um das Grenzen-Setzen und um das Nein-Sagen.
Evi Gassers Bücher haben, bis auf ihren Stil, eines gemeinsam: In jedem Bild sind feine Einzelheiten zu finden, denn die Kinder, die das Buch schließlich begleiten soll, haben eine andere Wahrnehmung. Kinderaugen sehen Details, die Erwachsenen auf dem ersten Blick nicht auffallen. Daher baut Evi Gasser die feinen Einzelheiten ein, denn diese machen die Geschichte nicht nur lebendiger, sondern auch interessanter. Damit spricht Gasser die wohl wichtigste Voraussetzung an, um als Kinderbuchillustratorin erfolgreich zu sein: Man muss auch selbst ab und zu mit Kinderaugen die Welt betrachten können.
Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support