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Ein warmer Augustmorgen: Der Bozner Kornplatz ist trotz der hohen Temperaturen in reger Bewegung. In Bewegung sind auch Greta Maria Pichler und ihre Worte. Die Brixner Autorin erzählt vom Satz ihres ersten Buches, von einigen Gedichten, die wellenartig über die Seiten fließen. Doch von vorne.
Vom Schreiben und vom Tun
Greta Maria Pichler ist 28 Jahre alt, ist in Brixen zur Schule gegangen und hat in Wien Philosophie und Sprachkunst studiert. Im Februar hat sie ihren Master an der Universität für Angewandte Kunst abgeschlossen. Das fühlt sich gut an, erzählt sie. Auf die Frage, was sie tut, antwortet sie vorerst in einem Satz: „Ich schreibe.“ Sie fügt hinzu, dass sie Autorin ist, im Herbst ihr erstes Buch erscheint und sie sich freut. Greta hat schon in verschiedenen Formen geschrieben, auch in verschiedenen Zusammensetzungen, inner- und außerhalb des Studiums. Den Begriff „Autorin“ fasst sie weit: „Schreiben ist für mich nicht ausschließlich eine Tätigkeit, die allein und isoliert von der Außenwelt ausgeübt wird. Mir ist es wichtig, dass es einen Austausch mit anderen Autor:innen gibt, dass ich Zeit und Energie investiere in Kulturvermittlungsarbeit. Es ist ein Balanceakt zwischen dem eigenen Schreiben und dem Organisieren.“
Ich bin gerne im Austausch, in der Kommunikation, im Tun.
Eine Zeit lang war Greta im Vorstand der SAAV (Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung), sie gehört zum Programmteam von ZeLT (Europäisches Zentrum für Sprache und Übersetzung) und zu Studienzeiten war sie Teil der Redaktion des JENNY Literaturmagazins der Universität für Angewandte Kunst Wien. „Man nimmt einen anderen Blickwinkel ein, zoomt raus, schaut sich die Arbeiten von anderen an. Das waren für mich die ersten Momente, in denen ich die andere Seite kennengelernt habe. Die Seite, die sich nicht nur auf das eigene Schreiben konzentriert, sondern die auch das Anderen-Autor:innen-eine-Bühne-Bieten inkludiert. Ich bin gerne im Austausch, in der Kommunikation, im Tun.“
Das Schreiben allein scheint also nicht das zu sein, was die junge Autorin bewegt, zumindest noch nicht. Manchmal denkt sie daran, sich irgendwann auf einer einsamen Insel abzusetzen und für einen Monat einfach bloß zu schreiben. Das müsse sie jedoch ausprobieren, meint Greta. Eigentlich hat sie während des Schreibens immer wieder das Bedürfnis, sich mit etwas anderem zu beschäftigen, sich neu zu orientieren, wobei es Tage und Wochen gibt, an denen, sie sich voll und ganz auf den Text konzentriert. So auch bei ihrem Ende September bei Matthes & Seitz Berlin erscheinenden Buch.
Bewegende Kräfte
Worum sich ihr Lyrikband dreht? Der Versuch, zig Seiten in einem Klappentext zu komprimieren, sei schwierig, sagt Greta und sucht nach Worten: „Der Titel des Buches ist ,Salzwasser’. Thematisch spielt die Flüssigkeit eine große Rolle: Salzwasser als Meer, als Träne, als Schweiß. Salzwasser als Lösung, als Gemisch, als etwas Dynamisches, als Grenze. Es gibt eine politische Komponente, es gibt einen Klimakontext. Im Buch werden verschiedene Aspekte angesprochen, genauso kommen verschiedene Textformen vor: unter anderem eben Prosagedichte, die in wellenförmigem Satz daherkommen, flankiert von Windstärken.“
Auch der Wind spielt eine große Rolle. Greta war es wichtig, dass eine zweite Einheit besteht, die den Raum beeinflusst, ihn unterspült und unterweht. Im Text werden Konstrukte immer wieder aufgebrochen, es gibt verschiedene Überraschungen. Der Autorin ist es ein Anliegen, dass das, was inhaltlich passiert, durch Anordnung und Satz auch visuelle Spannung kreiert. Dabei ist zwar keine pathetische Unterstreichung gemeint, bei Gedichten spielt allerdings etwas mehr als bloßer Inhalt in die Leseerfahrung rein, ist sie überzeugt.
Ihre persönlichen Erfahrungen haben der Brixnerin das Salzwasser in die Feder gespült. Zwischen Bachelor und Master hat sie einige Monate als Windsurflehrerin am Meer verbracht. Dadurch habe sie sich in Wortfelder begeben, die sich ihr in Wien nicht aufgetan haben: nautisches Vokabular, Wetter, Wind und natürlich das Meer. Greta lebt in dieser Zeit in einem Wohnwagen, umgibt sich bewusst und unbewusst mit Raum, Wörtern und einer Lebensweise, die sie faszinieren. Sie wird zur Beobachterin, unter anderem von pragmatischer körperlicher Arbeit, von Menschen um sie herum, von anderen Lebensrealitäten. Zurück in Wien liest sie zum Meer, recherchiert auf mehreren Ebenen. „Ausgangspunkt war das Interesse an einer Auseinandersetzung. Ich habe mich auf das Meer als politischen und mythologischen Raum eingelassen. Auf das Meer als Sehnsuchtsort und Lebensraum, als Raum, der für den Tourismus interessant ist und dadurch oft auch in einem kontrastierenden Verhältnis zur Natur steht. Auf all das, was sich über diesen Sommer angehäuft hat.“ Aufgrund dessen habe Greta angefangen, Texte in diese Richtung zu schreiben und gemerkt: Thematisch kreisen sie immer wieder um Salzwasser, um Wind, um Orientierung und Einordnung, um Dynamik.
Gretas Texte wurden zur Masterarbeit, entwickelten sich jedoch weiter. Ob das Buch ohne die Zeit am Meer entstanden wäre, weiß die 28-Jährige nicht. „Vielleicht hätte ich es auch geschrieben, wenn ich nicht am Meer gewesen wäre. Keine Ahnung. Oder ich hätte was anderes geschrieben. Wenn Körper und Gedanken an einem Ort sind, wenn man sich einlässt auf die Begegnung, dann kann das schon was ausmachen.“ Und sie lässt sich darauf ein.
Die Kunst der Kunst
Greta Maria Pichler schreibt seit ihrer Kindheit und hofft, dass ihr 80-jähriges Ich es ebenfalls tut. Manchmal fragt sie sich, ob es sich vielleicht doch irgendwann ausgeschrieben haben wird. Die Autorin lacht bei diesem laut ausgesprochenen Gedanken – nicht zu schreiben scheint wohl doch kein Thema zu sein. Im Moment und in der nahen Zukunft sieht sie sich selbst zufrieden mit der Arbeit am Text. Neugierde und Freude spielen dabei eine große Rolle. Besteht das Schreiben nun eigentlich aus Disziplin oder aus Leidenschaft? „Beides ist notwendig. Es muss sicher eine Art von Leidenschaft da sein, damit man überhaupt schreibt“, sagt sie. „Ein Interesse muss bestehen, eine Begeisterung für Sprache, für die Auseinandersetzung mit Worten, mit Inhalten.“
Bei der Disziplin ist sich Greta nicht ganz so sicher. Es gibt Tage, an denen es sie weniger als üblich zu ihren Texten zieht. Mit dem Schreiben komme die Lust aber meistens wie von allein. Die Vorstellung, dass man von der Muse geküsst wird und daraufhin voller Inbrunst schreibt, hält sie hingegen für eine Illusion. Das Schreiben beschreibt Greta als Handwerk, als etwas, an dem man dranbleiben muss.
Wie andere ihre Literatur wahrnehmen, könne man pauschal nichts sagen, so Greta. Es gebe natürlich Menschen, die sich wenig unter der Tätigkeit des Schreibens und vor allem unter dem, was nebenbei noch so geschieht, vorstellen können. Greta hat jedoch noch nie jemanden getroffen, die/der ihrem Tun gegenüber besonders abwertend war. Selbst wenn, würde sich die Brixner Autorin nicht darauf einlassen. Sich der Negativität hinzugeben, liegt ihr fern. „In Wien, an der Universität für Angewandte Kunst, bin ich umgeben von Menschen, die ähnliche Interessen haben. Das kulturelle Angebot ist größer. Allerdings tut sich auch in Südtirol viel, es gibt Menschen, die sich bemühen, etwas aufzubauen und etwas anzubieten. Natürlich gibt es Unterschiede, aber die Südtiroler Kulturlandschaft ist da und sie wird fairer. Lücken werden gefüllt.“
Man merkt, dass Greta positive Aspekte den negativen vorzieht. Die Autorin weiß, wo sie ihren Dünger findet, sei es auf Wiener als auch auf Südtiroler Boden. Das Salzwasser nährt sie auch, das Schreiben sowie das Tun. „Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, in einem Bereich zu arbeiten, der mich interessiert. Das ist Glück.“
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