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Vor ein paar Wochen ging die 33. Ausgabe der Toblacher Gespräche über die Bühne. Tierschützer*innen, Jäger, Verhaltensforscher, Nutztierexpert*innen oder Aktivist*innen erörteten ein unerwartet aktuelles Thema: Was wissen die Tiere? Wie verhalten sie sich? Was empfinden und wie leiden sie? Und was bedeutet das für uns Menschen? An einer Podiumsdiskussion in Toblach nahm auch Silvia Schroffenegger teil. Die PR-Frau ist ehrenamtliche Tierschutzpolizistin und das schon seit 25 Jahren. BARFUSS wollte wissen, was Schroffenegger genau macht.
Was macht eine Tierschutzpolizistin?
Tierschutzpolizist*innen arbeiten ehrenamtlich. Ihre Aufgabe ist es, die Einhaltung des Gesetzes rund um den Schutz der Tiere zu überprüfen. Es geht darum, zu kontrollieren inwiefern die Tiere artgerecht gehalten werden und inwiefern Tierquälerei oder Misshandlung vorliegt. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, Hinweisen von Privaten oder welche dem Landesveterinärdienst vorliegen, nachzugehen. Wir kümmern uns meistens um Haustiere. Nutztiere sind von unserem Zuständigkeitsbereich ausgenommen. Nachdem wir eine Meldung oder einen Hinweis bekommen haben, machen wir uns vor Ort ein Bild und dokumentieren die Umstände. Wir versuchen dann den Tierhalter oder die Tierhalterin aufzuklären, zu sensibilisieren oder stellen bestimmte Bedingungen für eine bessere Haltung. Danach wird ein Bericht an den Landesveterinärdienst geschickt. Dieser sorgt für ein eventuelles weiteres Vorgehen, zum Beispiel leitet er ein Verfahren oder eine Strafe in die Wege. Leider erhalten wir sehr wenig Rückmeldung von Seiten des Amtes über den Fortgang der Fälle bzw. der Meldungen.
Wie oft sind Sie als Tierschutzpolizistin unterwegs?
Wir gehen aus Sicherheitsgründen immer zu zweit. Meine Kollegin und ich waren heuer einmal pro Monat im Einsatz, wobei die Anzahl der Einsätze sehr unterschiedlich ist. Gerade in Coronazeiten war es sehr ruhig. Im Schnitt machen wir pro Monat eine Kontrolle, dann gibt es noch die Nachkontrollen. Bei diesen kontrollieren wir, ob die Tierhalter und Tierhalterinnen unsere Vorschläge und Forderungen umgesetzt haben.
Wie wird man überhaupt Tierschutzpolizistin?
Ich war immer schon sehr tierlieb und habe selbst Hunde und Katzen. Demnach wollte ich mich schon lange in diesem Bereich engagieren. 1997 hat das Land eine Weiterbildung zur Tierschutzpolizistin organisiert. Seitdem bin ich bei der Tierschutzpolizei. Leider war das die einzige Weiterbildung, die das Land je organisiert hat. Deshalb sind wir heute nur mehr drei ehrenamtliche Tierschutzpolizist‘innen, welche für das ganze Land zuständig sind.
Was ist Ihre Erfahrung: Werden Tiere misshandelt oder werden sie eher nicht artgerecht gehalten?
Sicher ist die nicht artgerechte Haltung weit verbreiteter. Aber das ist eine Sache der Definition. Auch eine nicht artgerechte Tierhaltung ist eine Misshandlung. Wenn ein Hase in einem zu kleinen Käfig über Jahre sein Dasein fristen muss, dann leidet er und das ist für mich Misshandlung. Wenn ein Hund an einer zu kurzen Kette gehalten wird und ihm jeglicher Sozialkontakt mit Menschen und Tier vorenthalten wird, dann leidet er. Oft haben Tiere in nicht artgerechter Haltung Schmerzen und tragen Schäden davon. Natürlich gibt es aber auch Fälle von Misshandlungen. Denken wir nur an die Tiertransporte, an Qualzuchten bei Hunden, an die Massentierhaltung in der Milch- und Fleischproduktion. Dort passiert vielfach nicht artgerechte Haltung und Tiermisshandlung gleichzeitig. Leider passiert Vieles hinter den Kulissen und kann dann rechtlich kaum nachverfolgt werden.
Welcher Fall ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Das war bald nach unserer Ausbildung. Damals waren wir auch noch für Nutztiere zuständig. Heute sollen wir nur mehr Heimtiere kontrollieren. Auf einem entlegenen Hof hielt der Bauer Kälber in provisorischen Verschlägen. Die Tiere wurden viel zu eng gehalten. Bei der Kontrolle haben wir festgestellt, dass die Riemen am Hals der Kälber viel zu eng waren oder ins Fleisch eingewachsen waren und schon tiefe Wunden vorhanden waren. Diese qualvolle Haltung hat uns sehr schockiert, zumal der Bauer gar keine Reue oder Mitleid zeigte. Wir haben den Tierarzt bzw. das Amt informiert und wenige Tage danach wurden die Tiere von Amts wegen abgeholt. Das war wohl der schlimmste Vorfall in den 25 Jahren. Aber wir sehen, sei es in der Heimtier- als auch in der Nutztierhaltung gibt es leider immer wieder Menschen, auch in Südtirol, welche das Tier lediglich als Objekt sehen, um Geld zu verdienen und denen das Tier letztendlich egal ist. Gerade das bestärkt uns weiter, diesem Ehrenamt als Tierschutzpolizisten nachzugehen und den Tieren eine Stimme zu geben.
Funktioniert der Tierschutz in anderen Regionen Italiens oder Nachbarländern besser?
Meines Wissens gibt es in vielen italienischen Provinzen ebenfalls die sogenannten ehrenamtlichen Guardie zoofile. In Österreich gibt es keine Tierschutzpolizei. Doch die Forderungen werden immer lauter, diese einzurichten, nachdem immer mehr Missstände in Sachen Tierquälerei aufgedeckt werden. Auch in Deutschland gibt es meines Wissens keine gesetzlich vorgesehene Tierschutzpolizei. Leider sind diverse Petitionen in diese Richtung gescheitert. Wohl aber sind in vielen Ländern Tierschützerinnen und Tierschützer im Auftrag von Tierschutzorganisationen ehrenamtlich unterwegs, um Missstände aufzudecken, diese dann an die Behörden weiterleiten und Tierrettung durchführen. Das sind kleine, private Organisationen, die sich nur durch Spendengelder finanzieren. Also in ganz Europa gibt es da noch viel zu tun.
Die Menschen müssen wieder vermehrt zur Einsicht kommen, dass Tiere fühlende Wesen sind, die Schmerzen haben, die leiden.
Gibt es auch ein positives Beispiel?
Ja, England. Dort gibt es die RSPCA, die Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals. Die wurde 1824 gegründet. Die „Königliche Gesellschaft zur Vermeidung von Tierquälerei“ war sogar das Vorbild für die „richtige“ Polizei. „Königlich“ darf sie sich nennen, weil das Königshaus Schirmherr ist. 1.750 Mitarbeiter, die als Tierrettungsbeamte und Inspektoren betitelt werden, gehen 1,2 Millionen telefonischen Hinweisen auf Tierquälerei nach. Sie retten misshandelte Haustiere und unterernährte Igel genauso wie gestrandete Seehunde. Doch an den Haustüren ist die Macht der Tierschutzpolizisten oft am Ende, weil sie eben doch keine Staatsbeamte sind.
Was braucht ihrer Meinung nach die Tierschutzpolizei oder das Tierwohl allgemein in Südtirol noch?
Für uns wäre es sehr wichtig, dass das Land Südtirol neue Kurse für die Ausbildung zu Tierschutzpolizisten anbietet. Es gibt nämlich viele Fälle und wir sind nur noch zu dritt. Wir sind eindeutig zu wenige – auch um die so notwenige Sensibilisierungsarbeit zu leisten. Wichtig für uns wäre auch eine bessere Zusammenarbeit mit den Landesämtern, mit der Polizei und anderen Multiplikatoren. Diese anzuschieben wäre Aufgabe unserer Koordinatoren. Auch muss an der Aufklärung und Sensibilisierung zum Thema artgerechter Haltung gearbeitet werden – auch hier könnte das Land viel tun und damit könnte präventiv viel Tierleid verhindert werden.
Das Wichtigste aber ist eine Veränderung bzw. Aktualisierung des Tierschutzgesetzes. Das Tierschutzgesetz in Südtirol stammt noch aus dem Jahr 2000 und ist veraltet, unklar, waage und es fehlen wichtige Inhalte. Viele Tiere kommen in diesem Gesetz gar nicht vor.
Welche zum Beispiel?
Katzen. Wenn eine Katze nicht artgerecht gehalten wird, sind uns die Hände gebunden. Oder in der Hasenhaltung gibt es so gut wie keine Vorgaben zur Haltung. Die artgerechte Haltung muss pro Tierart genau in Gesetz verankert werden, sonst haben wir keine Handhabe. Leider ist das politische Interesse sehr gering. Wir und andere Organisationen versuchen seit Jahren diese Probleme anzusprechen, aber leider wird nichts in dieser Richtung unternommen. Ich hoffe, dass sich in Zukunft diese Gesetze ändern werden, damit wir besser das Tierwohl schützen können. Nicht zuletzt müssen die Menschen wieder vermehrt zur Einsicht kommen, dass Tiere fühlende Wesen sind, die Schmerzen haben, die leiden. Wenn wir sie in unseren Dienst stellen, haben wir auch die Verantwortung zu tragen, dass sie gut leben können und ein gutes Wohlbefinden haben.
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