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Walter Eschgfäller ist aus der Südtiroler Musikszene nicht wegzudenken. 1986 gründete er zusammen mit Willy Vontavon den Musikverein „Liederszene Südtirol”, um lokale Musiker zu unterstützen und ihrem Schaffen einen Raum zu bieten. Denn die Möglichkeiten für Südtiroler Bands waren damals sehr beschränkt, Auftrittmöglichkeiten gab es wenige, Plattenfirmen, die an den Südtiroler Talenten Interesse zeigten, suchte man vergebens. BARFUSS hat den Mann getroffen, der an der Entwicklung der Südtiroler Musikszene maßgeblich beteiligt war und von sich selbst sagt, er habe sein Leben der Musik verschrieben.
Ich treffe Walter Eschgfäller in Lana, er bestellt sich einen großen Becher Erdbeeren mit Sahne und wir kommen gleich ins Gespräch.
Du bist Mitbegründer der Liederszene Südtirol. Wie kam die ganze Sache damals ins Rollen?
Wir haben die Liederszene im Jahre 1987 ins Leben gerufen. Da war Südtirol noch ein musikalisches Brachland. Die Musikszene existierte praktisch nicht. Nachdem ich im Bozner Walterhaus ein Konzert besucht hatte, wurde mir bewusst, dass wir eigentlich einige interessante Bands im Land haben. Nach diesem Abend machte ich es mir zur Aufgabe, die lokale Szene zu unterstützen und zu promoten.
Wie war das am Anfang für dich, als du deine ersten Konzerte organisiert hast?
Ich hatte praktisch keinen Cent in der Tasche, aber ich wollte etwas aufziehen. Als ich und meine Kumpels damals das Konzert von Status Quo in Gröden organisierten, haben wir uns 20 Millionen Lire von der Bank ausgeliehen, um das Ding auf die Beine zu stellen. Das Konzert war ein voller Erfolg und bis heute das größte, das ich je organisiert habe. Später habe ich mich dann mehr auf die einheimischen Musiker konzentriert. Ich habe damals einfach gesehen, dass es viele talentierte Musiker im Land gibt. Aus diesem Grund habe ich mit Willy Vontavon die Liederszene ins Leben gerufen. Wir haben im Musikstudio von Peter Geraldini unsere erste Platte mit mehreren Südtiroler Bands aufgenommen. Mit den acht Musikern, die es auf die Platte geschafft hatten, gingen wir dann auf eine Südtirol-Tour. Die Sache kam sofort gut an. Im ersten Jahr war die Tournee sofort ausverkauft, im zweiten mussten wir sogar Zusatzshows geben.
Können Südtiroler Musiker im internationalen Vergleich bestehen?
Ein paar schon.
Möchtest du mir ein paar Namen nennen?
Nein (lacht). Mir ist einfach aufgefallen, dass vielen Musikern in Südtirol oftmals einfach die Palle fehlen, um etwas auf die Beine zu stellen. An erster Stelle sollte die Arbeit stehen, die mit so einem Projekt kommt. Gleich dahinter kann dann, wenn alles passt, das Hobby kommen. Wenn man so arbeitet, kann man es möglicherweise zu etwas bringen. Die Skanners haben das am Anfang so gemacht. Deshalb habe ich sie auch unter meine Fittiche genommen. Ich habe gesehen, dass sie Potenzial haben und das sie an sich glaubten, das war ein großer Pluspunkt.
An was ist es dann gescheitert?
Gescheitert ist es daran, dass die Band musikalisch zwar top war, aber mit ihrer Sprache gehandicapt war. Denn wenn du ins Ausland willst, musst du einfach perfekt sein. Außerdem ließ ihre Performance stark zu wünschen übrig. Ich weiß, wohin ich mit einer Band will. Wenn sie in die gleiche Richtung wollen, kann man erfolgreich sein. Ich bin auch heutzutage noch selten mit der Leistung einer Band zufrieden. Ich denke mir einfach, dass man immer noch mehr machen kann. Man muss einfach Opfer bringen. Nehmen wir Frei.Wild her. Sie haben an ihre Sache geglaubt und oft „Dreck gefressen”, aber schau dir an, wo sie heute sind. Sachen wie „Nein, weißt du, ich kann heute nicht. Ich treffe mich mit meiner Freundin” gehen da nicht. Das geht in keinem Beruf. Man muss einfach dahinter sein.
Was hat Frei.Wild richtig gemacht, was andere falsch machen?
Sie hatten die Eier dazu. Sie waren sich für nichts zu schade. Man hat als Band nun mal ein unternehmerisches Risiko. Man kann keine T-Shirts oder CDs verkaufen, wenn einem die Produktion zu teuer ist.
Ist es für eine Band früher leichter gewesen, berühmt zu werden?
Nein, überhaupt nicht. Wenn man heute jemanden erreichen will, kann man nur ins Internet gehen. Wenn man etwas aufnehmen will, muss man nicht mehr ins Studio gehen, man kann zu Hause am Rechner genauso gut etwas aufnehmen. Früher musste man CDs drucken lassen und diese dann per Post verschicken. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Hast du eigentlich jemals selbst in einer Band gespielt?
Nein.
Warum?
Weil ich dazu einfach kein Talent habe. Mein Talent ist es, eine Band zu entdecken, sie zu bewerten und ihr eventuell weiterzuhelfen.
Verdient man als Organisator möglicherweise einfach mehr?
Ich habe mit den Konzerten noch nie Geld verdient. Auch nicht mit den Skanners. Geld verdiene ich mit meinem Plattenladen. Das Problem ist nämlich, dass du das Geld, das du durch die Band verdienst, sofort wieder in diese investieren musst.
Wie betrachtest du deine Rolle im kulturellen und musikalischen Leben in Südtirol?
Ich habe ein paar Sachen geleistet und für Vieles den Weg geebnet, aber ich bin auf dem Boden geblieben.
Gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten seitens der Landesregierung?
Ja, die gibt es.
Zum Beispiel?
Was mir gefällt ist, dass Philipp Achammer offen für Modernes ist. Er will für die Jugend mehr tun und da fühle ich mich das erste Mal verstanden. Es fehlt aber noch viel.
Was würdest du dir von der Landesregierung wünschen?
Gebt der Jugend mehr Freiraum! Natürlich muss alles auch immer an Regeln gebunden sein. Gerade in Sachen Alkohol und Drogen.
Du hast mehrere Jahre lang das Schools-Out-Festival organisiert und hattest doch dort auch Probleme mit dem Alkoholkonsum der Jugendlichen?
Nein, damit hatte ich nie ein Problem. Ich hatte ein Problem mit den Medien. Nachdem 2009 das Festival über die Bühne gegangen war, stand im „Corriere delle Alpi”, dass neun Verletzte in die Erste Hilfe eingeliefert werden mussten. Nichts davon war wahr. Nachdem ich das gelesen hatte, habe ich sofort den Primar der Ersten Hilfe angerufen und nachgefragt, wie viele Jugendliche an diesem Abend eingeliefert werden mussten. Es war nicht ein einziger dabei. Das war der Moment, wo ich gesagt habe, dass ich nichts mehr in dieser Richtung organisiere.
Warum glaubst du, dass das Blatt so etwas geschrieben hat?
Ich habe zu diesem Thema eine knallharte Meinung. Die Liederszene ist ein deutscher Verein, wir bekommen Beiträge vom Land – was ich übrigens mehr als richtig finde – noch dazu hatten wir ein Großteils deutsches Publikum und waren auch erfolgreich. Damit kam die italienische Seite nicht klar. Ihre Szene war damals kaum ausgebaut und nicht engagiert. Mittlerweile ist sie das, damals war sie das aber nicht. Versteh mich nicht falsch, es gibt gute Leute beim Corriere, aber so etwas darf einfach nicht passieren.
Du hast Rang und Namen in der kulturellen Gesellschaft in Südtirol. Ist es deine Aufgabe, deine Meinung Kund zu tun? Auf Facebook liest man ja häufig von dir.
Ja das stimmt, ich bin immer böser geworden. (lacht) Wenn es um Festivals oder die Jugend geht, muss ich einfach dagegenhalten. Ich habe 30 Jahre Musikgeschichte hinter mir und bin immer noch da. Vielleicht bilde ich mir da nur etwas ein, aber ich denke, ich sollte wenigstens versuchen, etwas zu verändern.
Hast du eine Botschaft an die Musiker in Südtirol?
Werdet euch bewusst, dass es mit ein paar Stunden proben nicht getan ist.
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