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Lucia Baumgartner
Veröffentlicht
am 13.05.2024
LeuteÜber Geld spricht man (nicht)

Die Lehrerin

Veröffentlicht
am 13.05.2024
„Vormittags Recht und nachmittags frei“ – so oder ähnlich lauten viele Vorurteile über Lehrpersonen. Doch die tatsächlichen Herausforderungen, mit denen Lehrer:innen konfrontiert sind, bleiben oft unbeachtet: Bereitet das Studium angehende Lehrpersonen ausreichend auf den Schulalltag vor? Werden sie gerecht entlohnt? In unserer neuen Artikelserie „Über Geld spricht man (nicht)“ hat BARFUSS genau hierzu nachgefragt.
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Maria Lang ist 28 Jahre alt und Lehrerin für Deutsch und Geschichte an einer öffentlichen Oberschule in Südtirol. Sie hat ihre Ausbildung im Frühjahr 2021 abgeschlossen und ist im Herbst 2021 in die Berufswelt eingestiegen.

BARFUSS: Wo hast du deine Ausbildung absolviert und wie lange hat sie gedauert?

Maria: Ich habe in Innsbruck das Lehramtsstudium absolviert und ein Auslandssemester in Göteborg in Schweden gemacht. Die Regelstudienzeit beträgt eigentlich fünf Jahre, ich habe aber sechs gebraucht. Das Auslandssemester hat meinen Zeitplan etwas durcheinandergebracht, was nicht weiter schlimm ist, da die Auslandserfahrung sehr bereichernd war und ich so nicht das Gefühl hatte, Zeit verloren zu haben. Außerdem habe ich nebenher auch Philosophie studiert, was wohl auch zu einem verzögerten Ende beigetragen hat.

Wie viel hat deine Ausbildung gekostet und wie hast du dir die Ausbildung finanziert?

Das ist schwierig zu sagen, da die Universität in Österreich ja kostenlos ist. Der größte Kostenpunkt war sicher die Miete, gefolgt von den Kosten für öffentliche Verkehrsmittel, Lebensmittel usw. Außerdem braucht man beim Studieren Lehrmittel wie einen Laptop und Bücher. Ich hatte das Glück, Studienbeihilfe und Leistungsstipendien des Landes zu bekommen, außerdem habe ich sämtliche Ferien zum Arbeiten genutzt. Damit habe ich mir alles bezahlen können. Wenn es nicht geklappt hätte, hätten mir wohl meine Eltern unter die Arme gegriffen. Ihnen war es aber immer wichtig, dass ich auf eigenen Beinen stehe. Rückblickend freue ich mich jetzt natürlich darüber, dass ich es auch ohne ihre finanzielle Hilfe geschafft habe.

Wie hat sich dein Berufseinstieg gestaltet? Du musstest dein Studium ja anerkennen lassen…

Ja, ich musste mein Studium in Italien anerkennen lassen, was aber eine reine Formalität war und bis auf ein, zwei „Zettelrennereien“ relativ unkompliziert war.

Wie würdest du das Verhältnis von Theorie und Praxis während deiner Ausbildung beschreiben? Wurdest du ausreichend und angemessen auf deinen Beruf vorbereitet? 

In meinem Studium habe ich sehr viel theoretisches Wissen erlangt. Vor allem in den einzelnen Fächern Deutsch und Geschichte übersteigen die Inhalte bei Weitem das, was ich für die Schule brauche. Auf viele Dinge des Schulalltags wurde ich hingegen nicht vorbereitet: Das Ausmaß an Bürokratie und anderen Arbeiten, die neben der eigentlichen Unterrichtstätigkeit verrichtet werden müssen, wie z.B. Sitzungen, Bewertungen, die Registerführung oder die Arbeit mit den Eltern … Da wird man schon ziemlich ins kalte Wasser geschmissen, aber vermutlich ist das bei jeder Arbeit ein bisschen so.

Wie reagieren Menschen, wenn du ihnen als Lehrerin gegenübertrittst?

Meine Mitmenschen reagieren eigentlich gut auf mich als Lehrerin. Obwohl ich jung bin, fühle ich mich sehr respektiert, von den Schüler:innen sowieso. Aber das ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass ich zehn Jahre älter bin und sich somit ein „natürlicher“ Respekt ergibt. Aber auch von den Eltern und Kolleg:innen werde ich respektiert und geschätzt.

Das Bedürfnis sich zur Arbeit als Lehrperson mitzuteilen rührt daher, dass

Maria

Hat dein Berufsbild mit Vorurteilen zu kämpfen? Wenn ja, mit welchen?

Ja, von außen hin sehe ich mich mit meiner Arbeit immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Viele Menschen meinen, genau zu wissen, wie es als Lehrperson sei: sehr gemütlich nämlich, da man ja nur 20 Stunden pro Woche unterrichtet. Was niemand sieht, sind die Stunden der Vor- und Nachbereitung, die ganze Korrekturarbeit, Sitzungen, Registerführung, usw. Ich komme jede Woche auf 40 Arbeitsstunden, oft sind es auch mehr.

Oft bekomme ich auch Tipps, wie man denn richtig mit Schüler:innen umgehen sollte oder was relevante Inhalte sein könnten. Das empfinde ich oft übergriffig, glaube aber, dieses Bedürfnis, sich zu dieser Arbeit mitzuteilen daher rührt, dass alle Menschen während ihrer eigenen Schulzeit Einblick in dieses Berufsfeld erhalten haben. Dort haben sie vielleicht auch schlechte Erfahrungen gemacht und maßen sich aufgrund dieser Erfahrungen an, jetzt zu wissen, wie die Arbeit als Lehrperson funktioniert. Das halte ich für problematisch und störend. Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, habe ich viele Dinge auch anders wahrgenommen, was einfach mit der Schüler:innenperspektive zu tun hat und natürlich auch mit dem sehr prägenden Jugendalter, in dem man Vieles vielleicht dramatischer und zugespitzter wahrnimmt.

Und dann hast du ja noch den ganzen Sommer über frei…

Ja, genau. Als Totschlagargument für den Lehrberuf werden immer die Ferien ins Feld geführt. Auch diese Gespräche sind oft mühsam. Ich bin mir der Privilegien meiner Arbeit bewusst, weiß aber auch, dass andere Jobs andere Vorzüge haben, die ich als Lehrerin oft beneidenswert finde. Deshalb finde ich diese Gespräche oft einfach nervig und schwanke dann zwischen einem zynischen „tja, Augen auf bei der Berufswahl“ und dem Aufzählen sämtlicher Vorteile anderer Arbeitsstellen, wie z.B., dass man Urlaub nehmen kann, wann immer man will und nicht dann, wenn alle Hotels überteuert und voller Kleinkinder sind. Außerdem erwähne ich in diesem Zusammenhang die bessere Entlohnung und diverse andere Benefits wie Firmenfeiern, Weihnachtsgeschenke etc.  

Warum hast du dich nach deiner Ausbildung im Ausland für einen Berufseinstieg in Südtirol entschieden?

Dass ich nach dem Studium in Südtirol begonnen habe zu arbeiten, hat mit meinen privaten Beziehungen zu tun. Ich denke aber darüber nach, in Zukunft für ein paar Jahre im Ausland zu arbeiten, der Erfahrung wegen aber auch aufgrund besserer Verdienstmöglichkeiten.

Betrachtet man das Ganze rein ökonomisch, stellt sich mir oft die Frage, warum ich so viel Zeit in mein Studium investiert habe, nur um dann eine mäßig bezahlte Arbeitsstelle anzunehmen.

Maria

Wie würdest du den Berufseinstieg von jungen Menschen in Südtirol allgemein einschätzen?

Ich denke, dass der demographische Wandel den Berufseinstieg sehr viel leichter gemacht hat. Ein Studium ist in den meisten Fällen gar nicht mehr nötig, um sofort einen anständig bezahlten Job zu bekommen.
Betrachtet man das Ganze rein ökonomisch, stellt sich mir oft die Frage, warum ich so viel Zeit in mein Studium investiert habe, nur um dann eine mäßig bezahlte Arbeitsstelle anzunehmen. Ich bereue die Studienzeit keineswegs. Ich liebe es, mich mit meinen Fachbereichen zu beschäftigen, und grundsätzlich befürworte ich Ausbildungen und Bildung. Doch wenn ich die Situation nüchtern betrachte, erscheint es irgendwie unfair, dass ich nach einer Ausbildung genauso viel verdiene wie Quereinsteiger:innen ohne Erfahrung und Studium, die direkt in die Schule einsteigen. Ich finde, dass ausgebildete Lehrkräfte zu wenig, vor allem finanziell, wertgeschätzt werden. Denn Wertschätzung wird nun mal zu sehr hohem Maße über das Gehalt generiert und das ist, gemessen an der Ausbildungszeit, einfach zu gering.  

Wie viel verdienst du (netto) im Monat? (+/- 100/200€)

Durchschnittlich 2.000 Euro im Monat. Im Sommer weniger, aber mit dem 13. Gehalt sind wir ca. wieder da.

Findest du das Gehalt für deinen Beruf angemessen?

Ich finde das Gehalt, je nach dem, von welcher Seite ich drauf schaue, mal ganz okay, mal zu niedrig. Gemessen an der Ausbildungszeit, wie bereits erwähnt, ist es aber nicht besonders viel. Und gemessen an dem, was das Leben in Südtirol kostet, ist es fast schon lächerlich. Wenn ich nicht erbe oder reich heirate (lacht), komme ich damit wohl nicht weit. Ich weiß aber natürlich, dass das ein generelles Problem in Südtirol ist, deshalb möchte ich auch betonen, dass das Gehalt in Summe, also im Vergleich zu anderen Berufsgruppen, schon okay ist.

Wie viel würdest du im Ausland mit deinem Berufsbild verdienen?

In Österreich, Deutschland und der Schweiz würde ich, in dieser aufsteigenden Reihenfolge, mehr verdienen und das bei geringeren Lebenshaltungskosten, zumindest in Österreich und Deutschland. Wie viel genau hängt dann jeweils von den Bundesländern ab. Bei gleichem Stundenkontingent würde ich aber monatlich mindestens 500 Euro mehr verdienen.

Gemischtsprachige Oberschulmodelle sind längst überfällig.

Maria

Was würdest du dir für dein Berufsbild wünschen?

Von der Politik wünsche ich mir mehr finanzielle Ressourcen für Bildung. Das betrifft einerseits eine Aufbesserung des Gehalts der Lehrpersonen und andererseits das zur Verfügung stehende Kapital für Projekte, Ausflüge, etc. Ich finde es schlimm, wenn bei uns an der Schule darüber diskutiert werden muss, ob ein unterstützender Nachmittagskurs oder ein Ausflug finanziert werden kann. Dafür sollten genug Ressourcen da sein.  

Was speziell das Südtiroler System betrifft, würde ich mir ein effizienteres System der Stellenvergabe wünschen. Die verschiedenen Ranglisten, das Wechseln von der einen auf die andere Liste und das jährliche Neuansuchen um Eintragung in selbige, wirkt in Zeiten von KI einfach anachronistisch und könnte meiner Meinung nach zum Wohle aller Beteiligten verbessert werden.

Was die Südtiroler Schullandschaft betrifft, wären außerdem gemischtsprachige Oberschulmodelle längst überfällig. Die Zeiten, in denen man penibel zwischen den beiden Sprachgruppen getrennt hat, sind einfach vorbei, das sieht man auch in den zunehmend heterogener werdenden Klassen. Ich finde, dass wir vielfältigere und breiter aufgestellte Sprachangebote in unseren Schulen brauchen, und ja, ich sage das als Deutschlehrerin.

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