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An der Weinstraße, umgeben von Apfelwiesen und Weinreben liegt das bescheidene Dörfchen Tramin. Mit seinen 3.300 Einwohnern ist es ruhig, fast schon idyllisch. Alle zwei Jahre herrscht aber genau hier Ausnahmezustand. Dann findet der berühmt-berüchtigte Egetmann-Umzug statt. Vor den Augen von 10.000 Schaulustigen aus allen Landesteilen mischen um die 600 Traminer Burschen und Männer das Dorf auf. Frauen sucht man auf den vielen Wagen vergebens. Die schmalen Gassen verwandeln sich in einen lauten, nach Fisch, Ruß und Rauch riechenden Schauplatz, „den wohl kein Außenstehender jemals voll und ganz begreifen und verstehen wird“.
32 Gruppen ziehen verkleidet und geschminkt auf ihren geschmückten Wagen durch die Straßen und Gassen. Dabei werden auch die Zuschauer gerne mal mit Wasser, Sägespänen, Konfetti oder Stroh beworfen und eingerieben. Ein wildes Treiben, bei dem die Männer voll in ihren Rollen aufgehen und es ordentlich krachen lassen. Es wird getrunken, viel getrunken. Bis die Hemmungen fallen und der Umzug noch ausgelassener wird. Seine heidnischen Wurzeln hat das ausgelassene Treiben in den Ritualen zur Vertreibung des Winters. Bereits 1551 wurde der Egetmann-Umzug das erste mal schriftlich aufgezeichnet.
Zwei vom Egetmann-Verein, den Obmann Günther Bologna, 49 (rechts im Bild) und den Vizeobmann Richard Peer, 57 treffe ich heute in ihrem Vereinshaus in Tramin. Hier lagert alles, was zum großen Umzug gebraucht wird: Schnappviecher, Körbe und Puppen. Wir setzen uns in den Sitzungsraum und das Interview beginnt mit der wohl wichtigsten Frage an die zwei Landwirte:
Wer ist der Egetmann Hansl?
Peer: Der Egetmann Hansl ist die wichtigste Figur des Umzugs. Eine Strohpuppe, die einen wohlhabenden Bräutigam darstellt.
Bologna: Er fährt in einer Kutsche. Seine Braut sitzt neben dem Kutscher auf dem Bock. Sie wird nach zwei bis drei Umzügen, also nach spätestens sechs Jahren ausgetauscht. Dann tauchen die ersten Falten auf. (lacht) Während des Umzugs darf sie keinen Wein, dafür aber jede Menge Schnaps trinken. Deswegen braucht man eine gute Braut. (schmunzelt)
Auch die Braut wird von einem Mann dargestellt. Warum dürfen beim Umzug eigentlich nur Männer mitmachen?
Bologna: Das war immer schon so. Auch in Nordtirol. Nur in Deutschland durften auch Frauen mitgehen und in Südtirol in Salurn. Ich denke, das liegt daran, dass die Frauen ausfälliger werden, wenn sie „einen Tegel hatten” (lacht). Nein, vielleicht spielt die Sexualität eine Rolle. Wir sind ja das heilige Land Tirol, früher waren wir noch (schein)heiliger. Bei den Kindern dürfen auch die Mädchen mitgehen. Bis 14 Jahren. Danach ist fertig. Dann haben die Mädchen auch meist keine Lust mehr dazu.
Und dürfen irgendwann Frauen …
Bologna antwortet noch ehe die Frage zu Ende ist. Nein.
Peer: Das gibt es sicher nicht. Da sind sogar die Jungen schon dagegen. Sogar beim Kinderumzug fragen einige der Buben: „Warum müssen die Gitschen mitgehen?“
Wie sind bürokratischen Hürden für dieses aufwändige Event?
Bologna: Es sind viele Laufereien. Das ganze Organisatorische übernimmt der Ausschuss: Die Lizenzen, die Einteilungen der Vereine, der Carabinieri, der Feuerwehr und des Weißen Kreuzes. Dieses Jahr ist es noch komplizierter. Die bürokratische Hürde mit dem Statiker kam dazu. Das Gesetz schreibt nämlich vor, dass man einen Statiker zurate ziehen muss.
Peer: Der Gemeindegeometer könnte es auch machen.
Bologna: Der macht es aber nicht, weil er nur ein Angestellter ist. Niemand will Verantwortung übernehmen. Deswegen musste ein Statiker her.
Wer ist verantwortlich, wenn was beim Umzug passiert?
Bologna: Es passiert nichts. (macht eine Pause) Natürlich passieren mal Kleinigkeiten, aber die gehören dazu. Und meistens oder eigentlich immer passiert es den Maschgra selbst und hat vielleicht auch was mit dem „Gas” zu tun. (Hebt symbolisch die Hand an den Mund, als möchte er trinken.) Und das gehört auch dazu.
Wann beginnen die Vorbereitungen für den Umzug und was muss gemacht werden?
Bologna: Es kommt immer darauf an, wann Fasnacht ist. Meistens fangen wir im Dezember an, uns Gedanken zu machen und spätestens Anfang Januar folgen die ersten Sitzungen. Jedes Jahr müssen einige Wagen neu gemacht werden, weil sie abgebaut werden.
Peer: Viele Wagen machen wir nach dem Kastenbausystem. Die Teile werden verschraubt, nach dem Umzug kommen sie ins Lager und im Jahr darauf kann man sie wieder zusammenbauen. Die letzten Vorbereitungen starten am Morgen des Umzugs. Dann wird gekocht und geschminkt.
Früher schminkten sich die Männer mit Ruß, heute verwenden sie Theaterschminke.
Bologna: Jede Gruppe ist für ihren Wagen verantwortlich. Sie müssen alles vorbereiten und kochen, denn es gibt keinen Wagen ohne Kochstelle. Da alles Geld kostet, gibt es seit über zehn Jahren das Wagenfest. Mit dem Geld, das dort von den Vereinen eingenommen wird, werden dann die Wagen finanziert.
Wie werden die 32 Gruppen eingeteilt?
Peer: Meistens sind immer dieselben bei der gleichen Gruppe. Es kommen jedes Jahr einige neue dazu und einige von den älteren machen nicht mehr mit. Wenn man Gruppe wechseln will, muss man beim Obmann, den jede Gruppe hat, anfragen und er entscheidet ob man aufgenommen wird oder nicht.
„Bei den Pfannenflickern darf keiner von deren Söhnen mitgehen, damit sie nicht alles sehen können, was ihre Vätern treiben.”
Nach welchen Kriterien wird entschieden?
Bologna: Bei den Pfannenflickern zum Beispiel darf keiner von deren Söhnen mitgehen. Das haben sie so festgelegt. Wahrscheinlich, damit sie nicht alles von ihren Vätern sehen müssen. (Beide lachen laut los) In weiser Voraussicht.
Als was haben Sie sich als Kinder verkleidet?
Bologna: Ich war „Burgltreiber” und Schneider. Damals schon die traditionellen Sachen.
Peer: Ich war Indianer, Bauer und Bergsteiger.
Der Burgltreiber gehört zu den aktivsten Figuren des Egetmann-Umzugs. Er verfolgt die „Burgl“. Beide haben geschwärzte Gesichter und tragen Lumpen.
Und in welche Rolle schlüpft ihr dieses Jahr?
Peer: Ich bin Müller. Früher war ich zweimal Schnappvieh, sechs Mal bei den Waschweibern und dann bei der Kuchl.
Bologna: Wir gehören beide zu der Altweibermühle. Ich gehe als „Altweibele“. Zehn Jahre lang war ich Schnappvieh. Danach wollte ich etwas anderes machen und es gefällt mir gut.
Warum tut man sich das immer an?
Bologna:Weil es bärig ist. Und er findet ja nur alle zwei Jahre, immer im ungeraden Jahr statt. Im geraden Jahr gibt es den Kinderumzug, damit wir nicht einrosten.
Wie lange wird nach dem Umzug aufgeräumt? Sieht es danach wild aus?
Peer: Jetzt nicht mehr so sehr. Das war früher schlimmer. Seit zwanzig Jahren geht es nicht mehr so wild zu.
Bologna: Aufgeräumt haben wir schnell. Die Stände sind am nächsten Tag weg und die Wagen bauen wir in den folgenden Tagen ab.
Gibt es genug Nachwuchs im Verein, der nachrückt?
Bologna: Ja, man braucht sich keine Sorgen machen, dass es mal nicht mehr weiter geht.
Peer: Oje oje. (winkt ab) Es kommen jedes Jahr drei bis vier neue dazu.
Wann findet der Egetmann-Umzug dieses Jahr statt?
Bologna: Am Dienstag, den 17. Februar. Immer am letzten Faschingstag. Dann wird noch einmal richtig Gas gegeben. Der Umzug startet um ein Uhr Nachmittags. Der Eintritt kostet fünf Euro. Da nur 10.000 Besucher zugelassen werden, sollte man früh genug vor Ort sein. Aus Sicherheitsgründen bitten wir alle, ihre Hunde und Kinderwagen zu Hause zu lassen.
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