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Den gebürtigen Südtiroler zog es vor 19 Jahren von Auer nach Wien, um dort Filme zu machen. Das ist ihm gelungen: Nach dem Regiestudium bei Peter Patzak (Kottan ermittelt) hat er im Frühjahr seinen neuen Film „Schlagerstar" in die Kinosäle gebracht. Bei einer Melange im Cafe „Oben" über der Wiener Stadtbücherei erzählt Antoniazzi von der Schlagerwelt und seinem Zugang zu Musik. Die Melange ist bestellt, das Gespräch geht los …
Warum ein Film über einen Schlagerstar? Hat die Themenwahl auch etwas mit deiner Herkunft zu tun?
Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich schon. Sagen wir so: Nicht weil ich so sozialisiert worden bin, ich hab mich schön dagegen gewehrt. Vor dem Film bin ich nicht damit in Kontakt gekommen, weil meine Familie mit der Musik auch nichts anfangen hat können. Ich habe das auf Distanz gehalten. Aber vielleicht hat es damit zu tun, dass die Musik in meinem Umfeld in Südtirol zu präsent war. Ganz ehrlich, ich habe mich ein bisschen gefürchtet vor der Szene, vor der Musik und vor den Leuten, die sie machen und hören. Und um mir diese Angst zu nehmen, habe ich den Film gemacht.
Gefürchtet in welchem Sinne?
Naja, also schon das dämliche Vorurteil, dass die Leute, die das hören, alle doof sind und Nazis sind.
Du hattest Angst, dass diese Klischees bestätigt werden?
Ich war mir nicht sicher. Und dadurch, dass ich meinen Vorurteilen zum Glück nicht traue, oder zumindest sehr selten, habe ichs mir angeschaut und bin denen gegenüber jetzt furchtlos.
Der Cafe ist da …
Und jetzt hörst du dir Schlagermusik an?
Ähm, nein! Nein, ich ertrags immer noch nicht. Mir gefällt es nicht. Mir ist die Musik zu einfach. Ich bin draufgekommen, die Leute, die das konsumieren, glauben wirklich an die Texte. Und auch die Scheinwelt, die aufgebaut wird, nehmen sie ernst. Die Musik erfüllt aber eine komplett andere Funktion, als ich mir gedacht habe. Ich höre mir zu Hause was an und mich erfüllt diese Musik. Denen hingegen ist die Musik relativ egal. Sie benutzen die Musik, um zu den Veranstaltungen zu gehen, um einen Bus zu organisieren, dort hinzufahren, drei Stunden lang eine Gaudi zu haben, sich zu amüsieren, Freunde zu sehen.
Wenn du ein Schlagerstar wärst, welcher wärst du?
Ein romantischer Schlagerstar.
Mit Romantik arbeiten sie aber alle.
Nein. In der Romantiktradition ist zum Beispiel Semino Rossi, Julio Iglesias. Dann gibt es noch die andere Fraktion, das ist die Partymusik, Après Ski. Da ist tschimbum und Gaudi.
Welche Musikrichtung ist dann eher so deins?
Ich bin, glaube ich, ein Allesfresser. Stimmt zwar nicht ganz: Volksmusik mag ich nicht. Aber ich bin sehr offen, ich tu mir echt schwer mich einzuordnen. Schwere Gitarren gefallen mir gut, so „Nine Inch Nails“. Aber echt ein bisschen von Allem, glaube ich. Und jetzt hab ich Spotify, da ziehe ich mir alles rein. Ich bin hauptsächlich neugierig, was Musik betrifft. Wobei ichs schade finde, und das versuche ich dann zu umgehen, dass man Musik nur mehr nebenbei konsumiert. Das finde ich ein bisschen schade.
Vor allem, wenn man selbst Künstler ist und weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt.
Genau. Das sind Leute, die sich Gedanken machen und du schluckst es runter. Oder wie beim Fernsehen: Da gehen die Leute nebenbei zum Kühlschrank oder reden über das Wetter.
Du hast viele Filme zusammen mit anderen Regisseuren gemacht. Liegt das an fehlender Eitelkeit?
Interessanter Aspekt, daran habe ich gar nicht gedacht. Ich finde, dass Eitelkeit in dem Beruf echt ein Problem ist. Ich hasse das an Regisseuren. Und auch der Künstlerbegriff: Viele arbeiten in der Öffentlichkeit mit einem falschen Bild und schüren dieses Bild. Der Regisseur ist ein Künstler, das bestreite ich nicht. Was mich prinzipiell stört ist, dass vergessen wird, dass gerade ein Film immer in Teamarbeit entsteht. Der Regisseur ist der Kopf vom ganzen Gebilde und entscheidet und gibt die Linie vor. Aber es wird ständig zugearbeitet. Ausstatter und Kostümbildner bewegen sich auch im künstlerischen Bereich. Die denken und empfinden mit und tragen so zu dem Ganzen bei.
Ein Kameramann hat ja auch einen Stil …
Genau. Ich finde es in Ordnung wenn der Regisseur im Mittelpunkt steht, aber ich finde es manchmal übertrieben. Am Filmemachen gefällt mir gerade die Teamarbeit und die Auseinandersetzung. Deswegen habe ichs gerne, wenn jemand mit mir auf Augenhöhe arbeitet und Sachen mit mir zusammen ausdiskutiert. Vielleicht arbeite ich auch oft mit Leuten zusammen, um nicht so allein zu sein, um mich mit anderen zu konfrontieren.
Es ist ein bisschen wie im Journalismus. Da gehts auch oft um Eitelkeiten und darum sich gut zu verkaufen.
Das ist eben gefährlich. Die arbeiten dann auch mit Oberflächen. Deine Person kriegt einen Marktwert, du musst dich gut verkaufen. Das hat nichts mehr damit zu tun wie gut du deinen Job machst, sondern es hat mit dir als Person zu tun. Deine ganze Person wird dann geformt, um als Regisseur zu funktionieren. Privates und Berufliches verschmelzen. Das finde ich eine gefährliche Entwicklung.
Welchen Film sollte man mal über Südtirol machen?
Ich überlegs mir nicht ernsthaft, aber es wäre notwendig einen Film zu machen, der den Südtirolern mal ein bisschen auf die Eier steigt. Das fehlt, glaube ich, in Südtirol. Was mich immer wieder erschreckt, wenn ich nach Südtirol zurückkomme, ist, dass sich in den letzten 20 Jahren überhaupt nichts getan hat. Es hat sich nichts geändert, nichts verbessert.
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