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Thorsten Havener, 42 Jahre alt, wird als Gedankenleser, Entertainer, Bestsellerautor und Experte für nonverbale Kommunikation bezeichnet. Selbst bevorzugt er die Bezeichnung Körperleser. Gedanken lesen kann er nicht. Dafür liest er sein Gegenüber aber durch Entschlüsseln der Körpersprache – mit Hilfe von Tricks, die jeder lernen kann, so Havener, der früher ein Tischzauberer war.
Nach Abitur und Zivildienst studierte Havener angewandte Sprachwissenschaften mit Abschluss als Diplom-Übersetzer für Englisch und Französisch. Seit zehn Jahren ist er mit seinen Tourprogrammen unterwegs, hat mehrere Bücher geschrieben. 2014 erschien sein Bestseller „Ohne Worte: Was andere über dich denken“.
Letzte Woche hatte er seinen ersten Auftritt in Südtirol. Ein lang gehegter Wunsch ging damit in Erfüllung: Er ist regelmäßig privat in Südtirol – sein Vater lebt in Lana. Havener selbst lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern im Alter von sieben, neun und zwölf Jahren in der Nähe von München.
Jetzt tourt er mit seiner Show „Der Körpersprache-Code“ durch Deutschland und Österreich. Einen Auftritt hat er auch im Waltherhaus in Bozen, wo ich ihn vor dem Auftritt für ein kurzes Interview treffe. Ich muss zugeben ich bin schon ein bisschen nervös. Wie wird meine Köpersprache auf ihn wirken? Wir stellen uns vor und setzen uns in die dunkelroten Ledersessel im ersten Stock. Havener schlägt ein Bein über das andere, die Hände legt er gefaltet in den Schoß.
Was können Sie an meiner Körpersprache lesen? Was denke ich gerade?
Du bist sehr gespannt auf das, was jetzt kommt. Deine Fußspitzen zeigen in meine Richtung, du sitzt synchron da wie ich, bist aber dennoch mit dir beschäftigt, weil du dir grade noch was notierst. Und du bist ein bisschen außer Atem. Das heißt, du bist eher knapp gekommen. (grinst)
Ja, das stimmt. Ich bin gerade auf dem Sprung in den Urlaub …
Ach ja? Wo geht’s denn hin?
Das wollte ich Sie fragen …
Am einfachsten ist es, wenn ich dich frage, dann weiß ich das. (lacht)
Paris.
Ach, sehr schön. Da war ich genau vor einem Jahr. Paris ist großartig, einfach schön.
Wann haben Sie bemerkt, dass Sie diese Begabung haben?
Das war ein langer Prozess. Ich hatte meinen ersten Auftritt als Zauberkünstler mit 13. Da habe ich schon gemerkt, dass ich ein sehr gutes Händchen darin habe, die richtigen Leute aus dem Publikum auszuwählen. Ich konnte ihnen auf der Bühne durch meine Körpersprache, die auf andere ausstrahlt, Sicherheit geben.
Irgendwann habe ich mir dann die Frage gestellt: Woran erkenne ich überhaupt, wen ich für was auswähle? Ich habe versucht, das unbewusste Auswählen bewusster zu machen und angefangen, mich mit Körpersprache zu beschäftigen. Es fiel mir tatsächlich sehr leicht und der Grundstein zu allem wurde gelegt.
Konnten Sie damals dann auch Ihre Lehrer und Eltern durchschauen?
Ja. Ich war als Schüler gar nicht mal gut, weil ich besonders begabt war. Ganz im Gegenteil (lacht). Ich war deshalb ein sehr guter Schüler, weil ich genau wusste, was die Lehrer von mir hören wollten. Ich habe immer herausgefunden, wenn sie etwas besonders betont haben. Ich wusste auch vorher ziemlich genau, was in den Klassenarbeiten drankommen wird und darauf habe ich mich dann immer vorbereitet. Mit Mut zur Lücke. Das hat super funktioniert.
Und lesen Sie heute bei Ihren Kindern auch die Körpersprache, wenn sie etwas ausgefressen haben?
(lacht) Ja natürlich. Aber das machen wir alle. Wir sind im täglichen Umgang miteinander darauf bedacht, so rüber zu kommen, wie das für uns sinnvoll ist. Wenn wir jemanden überzeugen wollen etwas zu unternehmen, dann nutzen wir diese Methoden automatisch. Dann haben wir eine andere Körpersprache und werden auch eher nicken. Es ist eine ganz einfache Technik. Angenommen ich hätte gerne, dass wir beide uns einen speziellen Film anschauen, dann werde ich wahrscheinlich sagen: „Du bist bestimmt auch der Meinung, dass das ein guter Film ist.“ (Havener nickt ein paar Mal mit dem Kopf, während er das sagt.) Wenn du auch nickst, dann sorgt meine Körpersprache dafür, dass du anders denkst. Es ist bewiesen, dass unsere Körpersprache beeinflusst, wie wir denken. Versuch doch mal zu nicken und dabei nein zu sagen. Da stimmt irgendetwas nicht, das ist ein komisches Gefühl und deswegen ist die Antwort höchstwahrscheinlich ja. Und das machen wir unbewusst und andauernd. Mein Trick ist, dass ich das eher bewusst mache.
Will man immer wissen, was andere denken oder ist es manchmal auch ein Fluch?
Nö. Ein Fluch ist es nicht, wenn ich das nicht wissen will, dann finde ich es eben nicht heraus. Ich will nicht immer wissen, was der andere denkt. Das ist eine grässliche Vorstellung. Mit so einem möchte man sich auch nicht umgeben, oder? Möchtest du dich mit jemandem umgeben, der ständig weiß, was du denkst? Nee?
Jetzt grade haben Sie die Technik angewandt, nicht wahr?
Klar. (lacht) Aber unbewusst.
Wie hoch ist Ihre Fehlerquote?
Sehr gering, Gott sei Dank. Das war sie aber nicht immer. Jedes Spiel, das ich auf der Bühne mache, ist irgendwann so richtig schön, grandios gescheitert und das gehört einfach dazu. Scheitern gehört zum ganzen Leben dazu, wieso sollte nicht auch mal in der Show etwas scheitern. Natürlich versuche ich es zu vermeiden, aber es ist auch kein Beinbruch und man kann trotzdem gut gelaunt sein, wenn mal was daneben geht.
Sie geben in Seminaren und Büchern Ihr Wissen weiter. Kann diese Kunst also jeder erlernen?
Ja. Ich bin davon überzeugt. Ich habe es auch gelernt, wieso sollten es dann nicht ganz viele andere Menschen lernen?
Ihre Fähigkeit ist ja auch für die Polizei interessant, um die Lügen von Kriminellen zu entlarven. Wurden Sie schon mal als Experte herangezogen?
Es kommen häufig Anfragen. Auch vom Militär. Wobei ich mich inzwischen auf das Tourprogramm konzentriere. Das erfüllt mich am meisten und macht mir am meisten Spaß. Ab und zu gebe ich Schulungen. Diese Woche für das Militär. Mehr darf ich dazu nicht sagen.
Mit Ihrer Begabung wäre etwa ein Vorstellungsgespräch ein Klacks. Was sollte man dabei beachten?
Der erste Tipp ist, während dem Vorstellungsgespräch nicht über seine Körpersprache nachzudenken, sondern sich auf das Gegenüber zu konzentrieren und darauf, dass man ordentliche, gute inhaltliche Antworten gibt. Wenn man sich über seine Körpersprache Gedanken macht, dann wird sie komisch.
Das zweite ist, dass wir über unsere Körpersprache unsere Stimmung beeinflussen. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein, aber wenn ich mich gut gelaunt im Spiegel anschaue, ist die Chance, dass ich danach besser gelaunt bin, extrem hoch. Zahlreiche Studien haben das bewiesen, dass wir über eine selbstbewusste Körpersprache selbstbewusst werden. Ich stelle mich vor jedem Auftritt zwei Minuten mit schulterbreitem Stand hin, reiße die Arme hoch, als hätte ich den Weltrekord gebrochen, und stelle mir vor, wie der Abend wunderbar läuft. Darüber programmiere ich mich sozusagen. Das ist Teil des Körpersprache-Codes. Mit so einer Grundeinstellung sollte man auch ins Vorstellungsgespräch gehen. Der Rest kommt von alleine.
Denken oder lügen Frauen und Männer anders?
Früher war das so. Da gab es Unterschiede in der Körpersprache und in der Art, wie und warum sie gelogen haben. Die jüngsten Studien zeigen, dass sich Männer und Frauen in der Körpersprache praktisch gar nicht mehr unterscheiden. Es heißt auch immer, Frauen flunkern häufiger als Männer, das stimmt aber nicht ganz. Frauen sind aber kommunikativer als Männer.
Fällt Ihnen durch das Lesen der Körpersprache das Frauenverstehen jetzt leichter? Viele Männer hätten sicher gerne Ihre Begabung …
Das müsstest du die Frauen fragen. Aber ich denke schon. (lacht) Das Schöne ist aber, dass Frauen ein ewiges Rätsel für Männer bleiben werden und umgekehrt. Gerade das macht es so spannend. Sonst wäre es ja langweilig.
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