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Als kleiner Junge hat er zu Hause den Gottesdienst nachgespielt. So wie andere Kinder Kaufladen spielen. Er legte sich einen Schal um den Hals, wie der Pfarrer die Stola, einen Tonkrug benutzte er als Kelch. Regelmäßig ging er zur Messe, auch später, als Jugendlicher. Und wenn er erst um vier Uhr morgens nach Hause gekommen ist, war er trotzdem um acht Uhr in der Kirche, erzählt Michael Horrer. Er sitzt im Speisesaal des Leiferer Pfarrhauses und beantwortet freundlich alle Fragen. Nur selten weicht sein Blick während des Gesprächs ab. Horrer ist 29 Jahre alt und seit drei Jahren Pfarrer. Am 1. September wird er der neue Privatsekretär von Bischof Ivo Muser – eine ehrenvolle Aufgabe für einen so jungen Priester.
Es drängt sich die Frage auf, warum jemand sein Leben in den Dienst der Kirche stellt und Partys, Sex und eine eigene Familie gegen ein Leben mit Gott eintauscht? Vor allem in so jungen Jahren? Es habe ihn immer schon interessiert, von klein auf, sagt er. Ab der Mittelschule unterstützten ihn Kooperatoren und Pater im Dorf und förderten sein besonderes Interesse für den Glauben. „Da wächst du so in diese Sache hinein“, sagt Horrer.
Der gebürtige Vinschger war lange Zeit Ministrant und engagierte sich in der Pfarrgemeinde. Er war ein Einzelgänger, das war ihm klar. Vor allem in der Oberschule waren seine Mitschüler skeptisch, konnten nicht verstehen, warum er sich für die Kirche und den Glauben einsetzt, was er daran findet. Irgendwann sei er dann selbst in eine Phase gekommen, wo er „alles kennenlernen wollte“, erzählt der 29-Jährige ganz offen. Er hatte eine Freundin, eine ganz normale Beziehung, rebellierte gegen den Religionslehrer und blieb sogar einmal sitzen.
Bis ihm klar wurde, dass er doch einen ganz anderen Weg gehen möchte als die anderen in seinem Alter. Auf einer Wallfahrt zur Heiligsprechung von Pater Josef Freinademetz in Rom traf er die endgültige Entscheidung: Er will Priester werden. Das war kurz vor der Matura. Horrer erzählt, wie er Mitschülern, Familie, Freunden und Bekannten seinen ungewöhnlichen Berufswunsch mitgeteilt hat. Viele hätten es „schon vorher gespürt“, sagt er. Das alles klingt wie ein Coming-Out.
Dann ging er nach Brixen und besuchte das Priesterseminar. Damit war sein weiteres Leben als katholischer Pfarrer vorgegeben. Er habe auch manchmal gezweifelt, sagt er: „Man begegnet Leuten, die einem interessant vorkommen. Einer Frau, mit der man sich vielleicht doch ein Familie vorstellen könnte. Da muss man sich immer wieder entscheiden.“ Als Priester könne man eben nicht sagen, man macht das für zehn Jahre und danach sucht man sich was anderes. Das sei eine Lebensentscheidung.
Für Außenstehende bleibt es schwer zu verstehen, warum Michael Horrer sein Leben Gott und der Kirche widmet. „Jeder, der etwas Besonderes oder eine Beziehung hat, den zieht etwas an, der Partner zieht einen an. Und bei mir ist es eben das Leben mit Gott“, sagt er. „Das ist so ein Gefühl, da wird es mir einfach warm ums Herz.“ Der 29-Jährige kommt aus einer Großfamilie, sechs Geschwister hat er. Er kenne das Familienleben und wie das ablaufe, das habe seine Entscheidung, ob er das selber will oder nicht, auch etwas erleichtert.
Horrer ist ein kräftiger junger Mann, mit Sport habe er nicht viel am Hut, sagt er, lächelt und deutet als Beweis auf seine Statur. Der Vinschger ist einer von der gemütlichen Sorte. Er mag Musik, war jahrelang als Hornist bei der Musikkapelle Schlanders, gartelt gerne, ist Krippenbauer und macht auch mal eine Spaghettata mit der Leiferer Jugend im Pfarrhaus. Lange hat er dafür nicht mehr Zeit, in zehn Tagen wird er der persönliche Assistent des Bischofs, begleitet ihn von morgens bis abends, macht Termine, und bereitet sie vor, organisiert Besuche und lithurgische Angelegenheiten, holt Zeitungen. „Ein bisschen so Laufbursche für alles, was es braucht“, fasst Horrer seine künftige Arbeit zusammen. Leifers kehrt er ungern den Rücken, er ist erst seit einem Jahr hier und versuchte in dieser Zeit einiges aufzubauen. Dennoch, die Freude über die neue Aufgabe überwiegt: „Das ist klar, wenn man dem Chef der Diözese helfen darf.“
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