BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
BARFUSS LogoSüdtiroler Onlinemagazin

Support Barfuss

Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus

BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
Matthias Inderst
Veröffentlicht
am 13.08.2024
LeuteInterview mit Fabian Tait

„Der glücklichste Mensch der Welt“

Veröffentlicht
am 13.08.2024
Fabian Tait ist einer der besten Fußballer des Landes und führt den FC Südtirol als Kapitän aufs Feld. Der Salurner im Interview über seinen Traum als Profifußballer, die Ziele für die neue Saison, seine schönsten Momente mit dem FCS, die besten Mitspieler und über den Plan B, wenn es nicht zum Profi gereicht hätte.
Damit BARFUSS weiterhin hinterfragen, aufklären, erzählen und berühren kann, brauchen wir DEINE Unterstützung!
Werde Teil unserer Community.
Teile unsere Story

Die ersten Schritte im Fußball machte Fabian Tait beim Heimatverein Salurn, debütierte dort als 16-Jähriger in der Oberliga. 15 Jahre sind seither vergangen: Heute ist Tait Kapitän des FC Südtirol in der Serie B, der zweithöchsten Liga in Italien, und bald Rekordspieler der besten Südtiroler Mannschaft. Am Samstag, 17. August, startet die neue Saison mit einem Heimspiel gegen Modena, das vom Ex-Trainer Pierpaolo Bisoli gecoacht wird. BARFUSS trifft den Profi nach einem Training im FCS-Trainingscenter in Eppan/Rungg. Es gibt viele Fragen: Wie kann man sich das Dasein als Fußballprofi vorstellen und was macht den Menschen Fabian Tait aus?


BARFUSS: Fabian, wie läuft die Vorbereitung auf die neue Saison?
Fabian Tait: Ganz gut, würde ich sagen. Ich bin seit zehn Jahren beim FC Südtirol und so wenige Spielerwechsel wie in diesem Sommer gab es noch nie. Das hat man bei den ersten Freundschaftsspielen auch gesehen, bei denen alles „flüssiger“ verlief als in den letzten Jahren. Wir kennen die Mitspieler, den Trainer und seine Ideen und deshalb ist es für uns einfacher. Natürlich gibt es noch einiges zu verbessern. Die Mannschaft hat ein riesiges Potential und das müssen wir unbedingt ausschöpfen.

Wie kann man sich so eine Vorbereitung vorstellen?
Es ist sehr physisch mit vielen Lauf- und Krafttrainings. Dieses Jahr hatten wir eine sehr lange Sommerpause. Meistens dauert sie einen Monat lang, heuer waren es zwei. Deshalb mussten wir schauen, auch zuhause aktiv zu sein. Sonst ist es wirklich nicht einfach: Man verliert Muskeln und Ausdauer – deshalb muss man in der Vorbereitung alles reinhauen, auch taktisch und technisch. Man denkt immer, dass man viel Zeit hat … Die Vorbereitungen laufen schon über einen Monat, mir kommt aber vor, als hätten wir erst gestern angefangen.

Wenn keiner an einen glaubt, will man es den anderen besonders zeigen.

Was sind die Ziele für die neue Saison?
Ich weiß, viele wollen jetzt hören: Playoff, Aufstieg und Serie A. Aber wir müssen am Boden bleiben. Wir sind ein junger Verein und spielen das dritte Jahr Serie B. Die Serie B ist eine wirklich schöne, aber gleichzeitig schwierige Meisterschaft. Man spielt gegen super Mannschaften und ehemalige Serie-A-Spieler in beeindruckenden Stadien. Wir haben lange gebraucht, in die Serie B aufzusteigen, deshalb müssen wir schauen, in den nächsten Jahren in dieser Liga zu bleiben. Und das ist alles andere als leicht, wie man letztes Jahr gesehen hat. Wir hatten Schwierigkeiten, haben es dann aber geschafft. Mit kleinen Schritten kann man alles erreichen.

In der ersten Serie-B-Saison habt ihr den Aufstieg in die Serie A knapp verpasst. Wie hat sich das angefühlt?
Die Saison war sehr komisch. Keiner hat sich von uns erwartet, dass wir in die Playoffs kommen. Vor dem ersten Spiel sagten alle, dass wir die ersten seien, die absteigen werden und wenn wir Glück hätten, holen wir zehn Punkte. Das hat uns einen Kick gegeben. Wenn keiner an einen glaubt, will man es den anderen besonders zeigen.Nach der dritten Niederlage sind wir dann bis ins Playoff-Halbfinale durchgestartet, das wir vor 60.000 Zuschauer:innen bestritten haben. Natürlich glaubten wir daran und hofften, dass wir es bis zum Schluss schaffen. Trotz der bitteren Niederlage war es trotzdem die schönste Saison meines Lebens.

Die Europameisterschaft war ein Fußball-Highlight in diesem Jahr. Wie hast du sie erlebt?
Es war nicht die spektakulärste Europameisterschaft der letzten Jahre. Ich hatte den Eindruck, dass die Spieler nach 60 Spielen im Jahr physisch erschöpft waren. Wir selbst spielen 40 Spiele und am Ende der Saison ist man mental und physisch wirklich kaputt. Deshalb kann ich mir nur vorstellen, wie schwierig es ist, so viele Spiele jährlich zu machen. Was mir aber auch aufgefallen ist, dass alle teilnehmenden Mannschaften gut organisiert waren. Slowenien, Slowakei – alle Mannschaften, von denen man dachte, sie würden keine Punkte machen, sind trotzdem weitergekommen. Das zeigt, dass sich Fußball komplett verändert hat. Alle stehen gut auf dem Platz, alle haben gute Spieler. Wenn man einen guten Mix zusammenbringt und etwas Glück hat, kommt man auch weiter. Wenn Kurtić gegen Portugal im Elfmeterschießen ein bisschen Glück gehabt hätte, wären Slowenien weitergekommen.

Wer hat dich am meisten überrascht?
Spanien. Sie waren eindeutig die beste und die beste organisierte Mannschaft. Physisch waren sie am besten drauf und technisch sind sie auf einem anderen Level. Yamal und Williams kannte ich vorher nicht. Sie sind junge, extrem gute Spieler, die mich sehr beeindruckt haben. Und auch das Mittelfeld mit Rodri und Fabian Ruiz war überragend. Spanien hat den Titel vollkommen verdient.

Es sind viele Sachen passiert, wenn ich so an meine Zeit beim FCS zurückdenke … Wir haben oft gejubelt, aber auch oft getrauert.

Kommen wir aber zu deiner Karriere, zu deinen Anfängen. Ab wann hast du dir vorstellen können Profifußballer zu werden?
Natürlich war es immer mein Traum, so wie von den meisten Kindern. Mit 16 Jahren habe ich in der Oberliga gespielt – dann bekam ich den Anruf von einem Verantwortlichen von Mezzocorona. Ich habe dann ein Jahr lang dort in der Jugend gespielt. In dieser Saison ist die erste Mannschaft abgestiegen und ich habe drei Jahre lang Serie D gespielt. Im dritten Jahr habe ich es geschafft, Stammspieler zu werden. Vor der Saison habe ich mir gedacht: Wenn ich es jetzt nicht schaffe, spiele ich in der Oberliga mit meinem Zwillingsbruder und meinen Freunden und gehe als technischer Zeichner arbeiten. Im Sommer habe ich eh immer gearbeitet und einen Arbeitsplatz hätte ich auch schon gehabt. Daraufhin hatte ich eine wirklich gute Saison. Im Oktober hat mich schließlich Luca Piazzi vom FCS angerufen und gesagt, dass ich nächstes Jahr zum FCS wechseln soll. Ich war der glücklichste Mensch auf der Welt.

Hättest du dir jemals erwartet, der Kapitän des FC Südtirol zu werden?
Nein. Das erste Jahr, als ich hier war, habe ich mir gedacht: Ich spiele fünf oder sechs Spiele und arbeite mich dann langsam nach oben. Ich habe einen Dreijahresvertrag unterschrieben und wollte mich erstmal einspielen, um mich zu verbessern. Im ersten Jahr habe ich sofort 36 Spiele gemacht und dann ist alles sehr schnell gegangen. Es sind viele Sachen passiert, wenn ich so an meine Zeit beim FCS zurückdenke … Wir haben oft gejubelt, aber auch oft getrauert. Das hat alles geholfen, mich als Mensch und als Spieler zu entwickeln, aber auch den Verein zu dem zu machen, was er jetzt ist.

Was sind deine persönlichen Ziele für deine weitere Karriere?
Momentan habe ich 362 Spiele gespielt. Vor mir ist nur noch Hans Rudi Brugger mit 368 Spielen. Den würde ich sehr gern überholen und der Spieler mit den meisten Einsätzen werden. Wir haben in der Umkleidekabine Bilder von den Spielern mit den meisten Einsätzen hängen. Ich bin von ganz hinten gestartet und habe jedes Jahr ein paar überholt. Einer fehlt mir noch. Das hätte ich mir nie vorstellen können.

Ich bin seit zehn Jahren beim FCS, das ist meine zweite Familie. Ich kann es mir nicht anders vorstellen, als hier weiterzuarbeiten.

Hast du dir schon eine Frist gesetzt, wann du deine Karriere beenden willst?
Ja, ich bin mittlerweile schon 31. Vor zwei Jahren hat Hannes Fink mit nur 32 Jahren seine Karriere beendet. Drei bis vier Jahre würde ich gerne noch spielen. Mit 35 werde ich dann in den Spiegel schauen und mich fragen: „Fabian, wie geht es dir physisch und mental?“ Und dann werde ich versuchen, so ehrlich wie möglich mit mir selbst zu sein. Ich hoffe, dass beim FCS dann in der Etage höher ein Platz frei für mich ist. Ich bin seit zehn Jahren hier, das ist meine zweite Familie. Ich kann es mir nicht anders vorstellen, als hier weiterzuarbeiten.

Was war der schönste Moment, den du im Trikot des FC Südtirols erlebt hast?
Der schönste Moment war der Gewinn der Serie-C-Meisterschaft. Die Bilder und das Gefühl habe ich heute noch in mir. Vom Morgen, als wir aufgestanden sind, die Ruhe und positive Atmosphäre beim Mittagessen. Da wusste ich schon: Wir fahren nach Triest und gewinnen das Spiel. Die Energie war einfach so stark. Als der Schiedsrichter beim Stand von 2:0 abpfiff, musste ich weinen.Wir hatten es endlich geschafft. 

Ein anderer Moment, der gleichzeitig schön und traurig war, war letztes Jahr in Bari, das Rückspiel im Playoff-Halbfinale vor 60.000 Zuschauern. Vor dem Spiel sind wir mit dem Bus ins Stadion gefahren. Es gab großen Verkehr, überall Fahnen, junge und alte Menschen auf der Straße. Als Inter-Fan habe ich das selbst schon mitgemacht – und an dem Tag habe ich es von der anderen Seite miterleben dürfen. Im Bus sitzen, auf dem Platz stehen, um das Spiel zu spielen, und um mich habe ich die Leute gesehen, die zum Stadion kommen. Da wurde mir klar: Ich habe es geschafft. Das war ein unvergesslicher Tag.

Was machst du sonst noch – außer Fußballspielen?
Ich gehe gerne mit meiner Freundin und meinen zwei Hunden spazieren. Ich spiele auch sehr gerne Gitarre. Ich bin ein ehemaliger Musikant. Ich hätte aussuchen können zwischen Popstar und Fußballprofi (lacht). Nein, Scherz. Ich war bei der Musikkapelle Salurn und habe Waldhorn gespielt, mein Vater Trompete und meine beiden Brüder Posaune und Flügelhorn. Wir sind eine musikbegabte Familie, aber aus Zeitmangel musste ich aufhören. Ich hatte zwar nur noch Fußball im Kopf, aber ich wollte die Musik nicht verlieren. Darum habe ich mir selbst Gitarre beigebracht und dann zuhause und sogar auf der einen oder anderen Hochzeit gespielt. Die Musik ist ein wichtiger Teil meines Lebens.

Also stimmt das Vorurteil nicht, dass Fußballer ihre Freizeit hauptsächlich mit PlayStation spielen verbringen …
Das gibt es sicherlich auch. Ich habe das Glück dort zu spielen, wo ich aufgewachsen bin, wo ich Familie und Freunde habe. Die meisten bei uns sind junge Spieler, die aus Rom, Sizilien oder Apulien kommen und hier niemanden haben. Ich kann mir vorstellen, dass ihnen schnell langweilig wird. Als Profifußballer kannst du nach dem Training nicht direkt Paddel spielen oder kegeln. Dein Körper muss sich regenerieren.
Wenn man viel Zeit hat, wäre es natürlich sinnvoller zu studieren, wie zum Beispiel Odogwu, der zwei Abschlüsse hat. Die meisten denken, Fußballer trainieren vormittags und spielen nachmittags Call of Duty, aber es gibt viele, die auf die Uni gehen. Ich denke, das Wichtigste ist es, sein Gleichgewicht zu finden und die Leistungen auf den Platz zu bringen. Wenn du am Wochenende in Topform bist, kannst du unter der Woche tun, was du willst.

Man spielt, weil man ohne Fußball nicht leben kann.

Gibt es in der Mannschaft irgendeine Aktivität, die euch verbindet?
Es wird viel Briscola gespielt, aber auch Tischtennis oder Billard. Für mich ist der wichtigste Part im Trainingslager, wenn die ganze Mannschaft zusammen am freien Tag mit dem Lift auf den Berg fährt und oben in der Hütte zusammen isst. Dort kann man sich richtig kennenlernen. Schüchterne Personen können sich da ein wenig gehen lassen und die Neuen müssen vor der Mannschaft ein Lied singen. Das ist sehr wichtig für uns. Bei mir gab es diese Tradition noch nicht, aber mir gefällt es immer zu bewerten, wer gut oder weniger gut singt (lacht).

Hast du oder hat die Mannschaft irgendwelche Rituale vor den Spielen?
Wir als Mannschaft haben keines. Wenn es eines gibt, baut es meistens der Trainer ein. Bei Bisoli haben wir vor dem Spiel einen Kreis gebildet, er sagte etwas und alle haben eingeklatscht. Die meisten Spieler haben aber Rituale. Viele wollen es nicht zugeben, aber als Sportler hat man diese „Scaramanzie“. Es gibt auch Spieler, die mehrere haben. Ich hüpfe vor dem Einlaufen zwei Mal auf dem rechten Bein. Manchmal funktioniert es, manchmal weniger. Wenn es gut läuft, denkt man sich, dass es deshalb gut läuft und wenn es nicht gut läuft, denkt man gar nicht daran.

Wer waren bisher die besten Mitspieler?
Ich habe wirklich mit herausragenden Fußballern gespielt. Die ersten Jahre zum Beispiel mit Martin Erlić und Emmanuel Gyasi, die beide seit Jahren in der Serie A spielen. Oder in den letzten Jahren zum Beispiel mit Andrea Masiello, Jasmin Kurtić, Daniele Casiraghi oder Giacomo Poluzzi. Wenn man Masiello und Kurtić beim Spielen zusieht, versteht man, warum sie früher Serie A und Champions League gespielt haben.

Was würdest du sagen, ist der größte Unterschied zwischen dem Amateurfußball und der Serie B?
Der „Terzo Tempo“ nach dem Spiel (lacht). Nein … Beim Amateurfußball stehst du um sieben Uhr auf, arbeitest den ganzen Tag und kommst um sechs Uhr heim. Dann musst du noch die Tasche packen, trainieren, kommst spät zu deiner Familie nach Hause. Wenn du den ganzen Tag weg bist, drei Mal die Woche trainierst und das Wochenende immer spielst, ist das wirklich nicht einfach. Beim Profifußball ist der Sport deine Arbeit. Der Verein und die Fans verlangen, dass du deine Leistung bringst. Wenn ich mir vorstelle, nach der Arbeit noch trainieren zu müssen, kann ich nur sagen: Hut ab, wer das schafft. Das was – unabhängig von der Kategorie – gleich ist, ist die Leidenschaft. Man spielt, weil man ohne Fußball nicht leben kann.

Dienste

  • News
  • Wetter
  • Verkehrsbericht

BARFUSS


Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support

© 2023 SuTi GmbH
© 2023 SuTi GmbH . Rennstallweg 8 . 39012 Meran . MwSt: 02797340219
DatenschutzCookiesImpressum