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Wer den Pigleiderhof in Aldein von früher kennt, weiß, dass er nicht nur ein Bauernhof, sondern in erster Linie auch ein Gasthaus war. Damals wuselte die Pigleider Hilda hinter dem „Budel“ und vor dem Haus umher, heute hat ein 23-Jähriger hier das Sagen – im Dorf nennt man ihn jetzt schon den „neuen Pigleider“. Die Rede ist von Alex Dadó. Beim Besuch an einem kühlen Samstagnachmittag auf seinem Hof dauert es ein paar Minuten, bis er schließlich um die Ecke kommt. Er habe sich noch kurz ein wenig herrichten müssen, die von der Erde schmutzigen Hände waschen, sagt er. Der junge Bauer trägt ein Karohemd mit Flicken an den Ellenbögen, eine fleckige Jeans, seine widerspenstigen Haare ungekämmt. Ein bisschen aufgeregt ist Alex, er reibt seine Handflächen beim Erzählen aneinander, man spürt aber, dass sich der junge Mann freut, sein Wissen rund um die Landwirtschaft weiterzugeben. Wer ihm zuhört, hat den Eindruck, dieses würde jetzt schon locker für ein ganzes Leben reichen. Man könnte meinen, dass dafür der Besuch der Landwirtschaftlichen Oberschule in Auer verantwortlich ist. Aber daher stammt sein Wissen nicht. „Da ging es mehr um Äpfel und Wein“, sagt er. Und während seiner Schulzeit wusste er ja auch noch gar nicht, dass diese Art von Landwirtschaft, die er jetzt betreibt, einmal sein Leben sein würde.
Plötzlich Bauer
Seit sein Vater den Pigleiderhof Ende 2020 gekauft hat, führt Alex ihn – allerdings ohne Gastbetrieb. Er betreibt hier regenerativen, biointensiven Gemüseanbau im Sinne der Permakultur. Darauf ist er nicht selbst gekommen. „Es gab mal einen Besucher am Hof der meinte, man könne diese Art von Anbau betreiben. Damals habe ich zum ersten Mal davon gehört“, erzählt der Jungbauer lachend. Daraufhin hat er sich in das Thema eingelesen, Bücher dazu verschlungen, im Internet recherchiert, Youtube-Videos geschaut. Dieses Wissen gäbe es im Prinzip ja schon ewig, meint Alex, da könne man auch einfach die „Oltn“ fragen.
Permakultur at its best
Permakultur bedeutet für Alex, den Platz, den er bewirtschaftet, so gut wie möglich zu verbessern und im Einklang mit der Natur zu arbeiten. Er beobachtet genau, wie natürliche Systeme funktionieren und versucht, diese in seinem eigenen Betrieb nachzuahmen. Dieses Prinzip zieht sich am Pigleiderhof wie ein roter Faden durch alle Bereiche, betrifft also nicht nur den Gemüseanbau, sondern auch die Haltung der Tiere. Alle Elemente im Betrieb werden miteinander vernetzt. So nutzt Alex seine Tiere in Kombination mit dem Gemüseanbau. Die Hühner helfen ihm etwa dabei, alte Beete von Gemüseresten zu befreien, den Boden aufzulockern oder zu düngen. Die Kühe lässt er regelmäßig auf unterschiedlichen Flächen grasen, damit der Boden sich regenerieren kann, ihr Mist dient schließlich der Düngung. Und die Schweine bekommen die Gemüsereste, können aber auch mal Ackerflächen umgraben. Sie leben am Waldrand, weil Schweine ja ursprünglich aus dem Wald stammen. „Da fühlen sie sich am wohlsten und diese Fläche kann ich sonst nicht nutzen.“, erklärt Alex. Auch das ist Permakultur. Seine Tiere liefern ihm schließlich Eier, Fleisch und – wenn er wollen würde – auch Milch. „Ich betreibe Muttertierhaltung. Ich könnte meine Kühe zwar melken, aber ich habe keine Zeit dafür. Wenn ich melken würde, würde ich die Milch aber auf jeden Fall mit dem Kalb teilen,“ stellt Alex klar.
„Zu Hause bei meinen Tieren zu sein ist wichtig, ich muss ja drauf schauen!“
Während seiner Hofführung erzählt und erklärt Alex alles mit einer Begeisterung, seine Faszination verdeutlicht. Hubert, der Hofhund, weicht Alex nie von der Seite. Das ist kein Zufall, so liebevoll wie mit seinem Hund, der aus dem Tierheim kommt, ist Alex zu all seinen Tieren, die klingende Namen wie Petra, Heidi oder Georg tragen. Hühner und Hähne, Ziegen, Schafe, Kühe, Bienen und ungarische Wollschweine: Sie alle sind alte Rassen, dafür aber umso robuster und vitaler, verrät der Farmfluencer. Seine Hühner etwa – Altsteirer, Sulmtaler, Vorwerk und Australop – legen zwar nur halb so viele Eier wie Hybridhennen, dafür leben sie länger und sind gesünder. Alex Umgang mit Tieren ist ganz im Sinne der Permakultur. Denn die dritte Säule dieses Prinzips ist es, Dinge zu hinterfragen und zu überlegen, ob man sich selbst hier als Tier wohlfühlen würde. Alex empfindet eine enge Verbundenheit mit seinen Tieren.Das zeigt sich spätestens in dem Moment, als Alex seinen Mangalitza-Eber Carletto knuddelt oder einen seiner Hähne, der ausgebüxt ist, im Arm wiegt und ihm mehrmals zuflüstert, wie schön und brav er doch ist!
Luxus, Status und Anerkennung sind Alex nicht wichtig. Er ist stolz auf seinen Hof, dabei aber mit wenig zufrieden und bescheiden. So hat er praktisch nichts in den alten Hof investiert, er nutzt das, was schon da ist. Der Stall ist immer noch der gleiche wie früher, Maschinen hat er sich auch nicht gekauft, weil die alten, die schon hier waren, noch gut funktionieren. Er sei damit vielleicht langsamer, aber das störe ihn nicht, sagt er. Das Heu und Stroh, das noch im alten Stall lag, oder fehlgegärte Siloballen, die er billig von anderen Bauern kauft, verwendet er als Mulchmaterial. So hat er nur wenig Fixkosten, auch im Garten, weil er dort fast alles mit der Hand macht. „Reich werde ich sowieso nicht in der Landwirtschaft“, sagt Alex, ganz und gar nicht unglücklich. „Je weniger ich ausgebe, desto weniger muss ich verdienen. Da brauche ich mich dann auch nicht so viel stressen! Und ich bin viel unabhängiger.“
Ohne Plan geht auch am Pigleiderhof nichts
Danach gefragt, ob es nicht kompliziert sei, sich alles zu merken, was am Hof zu tun ist, wann was wie gepflanzt und geerntet werden muss, antwortet Alex: „Ich habe natürlich schon alles genau geplant und durchstrukturiert in Exceltabellen. Sonst würdest du dich ja hinten und vorne nicht auskennen!“ Der junge Querdenker-Bauer ist ganz und gar nicht planlos, sonst könnte er kaum zweimal in der Woche auf den Märkten in Kaltern und Neumarkt sein Gemüse verkaufen. Außerdem liefert er an verschiedene Hotels und Gastronomiebetriebe und bietet seine Produkte auch am Hof an. Seine Gartensaison geht von Mai bis November. Im Winter sind die Kühe wieder von der Alm zurück und Alex muss sich um sie kümmern. Das sei ihm wichtiger als Wintergemüse anzubauen. In dieser Zeit plant er dann den Gemüseanbau fürs nächste Jahr.
Alex ist es wichtig, dass die Menschen verstehen lernen, dass perfektes Gemüse nicht besser schmeckt. „Mein Gemüse hat halt Löcher und Flecken, es ist nicht perfekt, dafür ist es unbehandelt“, sagt er. Wenn es im Supermarkt kein Obst und Gemüse erster Qualität mehr geben würde, ist sich Alex sicher, dann würden die Leute natürlich auch niedrigere Qualität kaufen. Der Geschmack sei doch immer derselbe. „Man müsse ihnen das einfach erklären, dann würden sie es auch besser verstehen“, so Alex.
„Das ist mein Traumleben.“
So einen großen Hof zu bewirtschaften – 10 ha Grund gehören zum Pigleiderhof – schafft man nicht alleine. Alex‘ Vater hilft ihm bei der Arbeit, und wenn geerntet wird, greift ihm die ganze Familie unter die Arme. Auch Praktikant:innen gehen ihm zur Hand, genauso wie Freunde, etwa Erika, eine junge Aldeiner Bäuerin, die Alex gezeigt hat, wie man richtig mäht. Alex wohnt alleine, mit einem Keller voller Speck, der Gefriertruhe voller Hühnerfleisch und genug Gemüse, Obst, Kartoffeln und Eier, um sich wunderbar selbst zu versorgen. Allerdings kauft er sich manchmal 25-Kilo-Säcke Haferflocken und Reis, denn ein bisschen Abwechslung braucht er einfach auch mal, erklärt der Farmfluencer!
„Glernt isch ollm!“
Und was sind Alex‘ Pläne, was will er erreichen? „Jetzt mache ich mal genauso weiter wie bisher, zu tun habe ich ja genug. Ich probiere das ein und andere aus und mal geht auch etwas schief – da lerne ich aber immer etwas dazu.“ Er versuche einfach so vielseitig und strukturiert wie möglich und unabhängig zu sein – denn so mache es die Natur ja auch! Womit wir wieder bei der Permakultur wären – die der junge Bauer mit Leib und Seele lebt.
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