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Theo Libera ist kein klassischer Biobauer. Er behandelt seine Äpfel gar nicht. Auf seinem Grundstück in Tramin wachsen zwischen den Apfelbäumen deshalb kniehohe Brennnesselstauden und dicke Blätter von wildem Meerrettich aus dem Boden. Seine Bäume sind fast doppelt so groß wie ein normaler Mensch und stehen eng verschlungen mit großen, kratzigen Kürbisblättern da. Theo Libera sagt: „Die Natur braucht Zeit, bis sie sich umstellt. Nach drei bis vier Jahren hat sie das Gleichgewicht wieder hergestellt.“
Als der Branzoller das Grundstück von einem halben Hektar Größe vor knapp 15 Jahren von seinen Eltern geerbt hat, standen darauf noch konventionelle Golden Delicious, später Fuji. Zufrieden war er damit nicht. Die Äpfel wollten nicht richtig wachsen und auch der Preis dafür war nicht in Ordnung. Es war an einem Sonntag, als Theo Libera aus dem Fernsehen von einem Fest des Südtiroler Sortengartens erfuhr. Zusammen mit seiner Frau fuhr der heute 63-Jährige zum Fest nach Goldrain. Von den alten Apfelsorten, die dort ausgestellt wurden, war er sofort begeistert.
Bis heute ist Theo Libera Mitglied des Sortengartens. Auf diese Weise will er auf die Sortenvielfalt der Kulturpflanzen und den Artenreichtum der Nutztiere aufmerksam machen. „Nur so können wir beides für die Zukunft sichern“, sagt er und pflückt einen Goldrush-Apfel vom Baum. Das Obst ist eher klein, hat rote Punkte und einen leicht schwarzen Teint. Zeichen für einen ungefährlichen Pilz, wie Theo Libera erklärt. Bei einem konventionellen Bauern würde ein solches Exemplar bei den „Fallern“ landen – jenen Äpfeln, die höchstens noch zu Apfelsaft verarbeitet werden. Bei Theo Libera kommen sie in die Marktkiste.
Seine Äpfel hat er so gepflanzt, dass die Ernte einer Sorte fließend in die nächste übergeht. Lagern muss er nichts. Während der Saison pflückt er die Äpfel frisch vom Baum und verkauft sie gemeinsam mit seiner Frau auf Bio-Märkten in Südtirol. In Tramin, Brixen, Glurns und in Illertissen in Deutschland bringt er die alten Sorten unters Volk.
„Ananasranetten, Roten Rosmarin, Minister von Hammerstein, Macintosh, Boscop, Gelben Fritz, Grüner Stettiner oder den Geheimrat Oldenburg – solche Sorten kennt niemand“, erzählt Theo Libera. Nach einer kurzen Kostprobe am Stand würden sie aber jedem seiner Kunden schmecken. Er zückt ein blaues Taschenmesser und schneidet eine Scheibe vom Goldrush ab. Im ersten Moment schmeckt der Apfel süß im Mund, dann überrascht er mit leichter Säure. Auch die Konsistenz ist anders als bei einem herkömmlichen Apfel. Körniger und knackiger. Theo Libera mag Äpfel nicht so gerne, die Wiese sei eher seine Leidenschaft. Dass der Pensionist früher einmal Putzmittel-Verkäufer war, nimmt man ihm fast nicht ab, wenn er braungebrannt in dicken Bergschuhen auf dem nassen Wiesenboden steht.
Einen Teil der Äpfel verarbeitet er zu Apfelsaft und Essig. Auch sein Olivenöl produziert Theo Libera selbst. Noch am Vortag hat er gemeinsam mit seiner Familie sein kleines Feld oberhalb des Gardasees abgeerntet. 300 Kilogramm konnte er in diesem Jahr ernten, hundert Liter Öl nach Hause bringen.
Auch in Sachen Gemüse und Obst sind die Liberas Selbstversorger. Immer wieder drängen sich zwischen die Apfelbäume Feigen, Marillen, Pflaumen, Birnen, Kirschen oder ein junger Walnussbaum. Am Ende der Wiese beginnt Theo Liberas Gemüsegarten. Er bückt sich und schiebt die großen Blätter der Kapuzinerkresse zur Seite, um an seine Karotten zu gelangen. „Manchmal muss man hier auch ein wenig suchen, um sein Gemüse zu finden“, scherzt er und schiebt sich eine der orangenen Blüten der Kresse in den Mund. Die möge er lieber als Äpfel. Kohl, Porree, Blumenkohl, etwas Salat, Kürbisse und einige Bohnen stehen noch auf dem Feld und werden demnächst eingewintert.
Auch wenn seine Nachbarn ihn anfangs noch belächelten, ist Theo Libera seiner Linie treu geblieben. Heute stechen die älteren Bauern immer wieder gerne unbehandelten Löwenzahn aus Theos Boden. In den anderen Wiesen wachse der gar nicht mehr, Schuld seien die Pestizide. „Der Sand aus der Sahara schafft es bis zu uns her. Da kann man sich vorstellen, wo die Pestizide von unseren Spritzmitteln landen“, sagt Theo Libera. Sein Sprühgerät steht unbenutzt in der hintersten Ecke des Stadels.
Die einzigen Arbeitsgeräte, die er verwendet, sind eine Mähmaschine und eine lange Holzleiter. Den Traktor hat er seit Jahren in die Scheune verbannt. Das macht sich am Boden bemerkbar. Wenn der Branzoller durch das feuchte Gras führt, sinkt er bei jedem Schritt ein. „Vor dem Winter mähe ich mein Gras um und lasse es in den Boden rotten. Das gefällt ihm“, erklärt er.
Seit der Bauer das Gras stehen lässt, würden die Läuse viel lieber dort verweilen als in den Bäumen. „Wenn ich die Natur alleine lasse, übernimmt sie viel Arbeit für mich“, sagt er. Das habe er durch Versuche im Laufe der Jahre verstanden. Theo Libera führt zwischen hohen Bäumen in die Mitte seines Feldes. Dort stehen nicht nur Bienenstöcke, sondern auch die höchsten Apfelbäume, die der Bauer besitzt. Sie reichen bis an den Giebel des Daches seiner Scheune. Sieben bis acht Jahre braucht so ein Baum, bis er richtig trägt. Auch wenn man heute für den Ertrag eines solchen Baumes nicht viel bekommt, schwört Theo Libera auf die alten Riesen. Theo ist sich sicher: Je mehr Wurzeln der Baum hat, desto mehr Energie besitzt er auch. „Ein großer, starker Mensch trägt schwere Dinge doch besser als ein kleiner, zierlicher“ sagt er und spannt exemplarisch seine Muskeln an. Seine Bäume müssen daher fast nie bewässert werden.
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